Ältere Arbeitnehmende haben auf dem Arbeitsmarkt klar schlechtere Karten als ihre jüngeren Mitbewerberinnen und Mitbewerber. Wer nach 50 oder 55 erwerbslos wird, bekommt es mit gesellschaftlichen Abstiegsängsten und Furcht vor finanziellen Engpässen im Alter zu tun. Im Vorfeld der 3. Nationalen Konferenz zum Thema ältere Arbeitnehmende, die am 25. April 2017 stattfinden wird, hat Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, heute im Rahmen einer Medienkonferenz seine diesbezüglichen Forderungen präsentiert. Neben der Förderung der Aus- und Weiterbildung und der Standortbestimmung muss die Stellenmeldepflicht für Erwerbslose wirksam umgesetzt werden.
Es ist eine Tatsache: Wer über 50 Jahre alt ist und seine Stelle verliert, hat Schwierigkeiten, wieder in den Arbeitsmarkt zurückzufinden. So betrug im März 2017 der Anteil der Personen, die seit mehr als einem Jahr arbeitslos sind, bei der Alterskategorie der über 50jährigen 26.8 Prozent. Bei den 15- bis 24jährigen lag er bei 2.3 Prozent, bei den 25- bis 49jährigen bei 14.1 Prozent. Diese Zahlen zeigen: Es besteht Handlungsbedarf. Die älteren Arbeitssuchenden sind gezielt zu unterstützen. Die Thematik wird dringender, da die älteren Arbeitnehmenden eine immer grössere Gruppe darstellen („Babyboomers“). Ebenso wichtig sind aber auch präventive Massnahmen, die dazu beitragen, dass ältere Arbeitnehmende gar nicht erst aus dem Arbeitsmarkt herausfallen. Travail.Suisse-Präsident Adrian Wüthrich appelliert an die Unternehmen und an den Bund: „Investieren in die älteren Arbeitnehmenden lohnt sich. Weiterbildung soll auch älteren Arbeitnehmende angeboten werden“.
Oft zögern Arbeitgeber, für Personen über 50 Jahre noch Weiterbildungsmassnahmen mitzufinanzieren. Zu Unrecht wie Prof. em. Dr. Norbert Thom, ehemaliger Direktor des Instituts für Organisation und Personal der Universität Bern unterstreicht: „Aus verschiedenen Studien wissen wir, dass bei den über 50-Jährigen mit einer beachtlichen Verweildauer beim bisherigen Arbeitgeber zu rechnen ist. Daher ist die Weiterbildung eine Investition ins Humanvermögen, die gute Rückflüsse in Form von Engagement und produktiver Leistungserbringung haben wird.“
Wenn jemandem aufgrund seines Alters die Weiterbildung verwehrt wird, kann von Altersdiskriminierung gesprochen werden. Eine solche liegt auch vor, wenn in einer Stellenausschreibung eine Altersgrenze genannt wird. Jacques-André Maire, Nationalrat und Vizepräsident von Travail.Suisse, wollte mit einem Vorstoss die Nennung solcher Altersgrenzen verbieten. Die Motion wurde abgelehnt, das Problem bleibt bestehen. Jacques-André Maire: „Trotz guter Absichten der Unternehmen zeigen Untersuchungen, dass in fast 10 Prozent der Stellenausschreibungen über 50-Jährige mehr oder weniger ausgeschlossen werden.“ Deshalb ist klar: Die Sensibilisierung für die Thematik muss auf allen Ebenen weitergeführt werden.
Um eine Weiterbildung gezielt zu planen, ist die Standortbestimmung ein hilfreiches Instrument. Es ist deshalb wichtig, dass Arbeitnehmende und Arbeitgeber regelmässig intern oder extern durchgeführte Standortbestimmungen vornehmen. Die Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung (BSLB) muss den Stellenwert erhalten, der ihr fachlich und auf der Grundlage des Berufsbildungsgesetzes zusteht. Für Isabelle Zuppiger, Präsidentin von profunda-suisse, ist klar: „Auch ältere Arbeitnehmende sollen Zugang zu qualitativ hochstehenden Dienstleistungen wie Information, Beratung und Realisierungsunterstützung der öffentlichen BSLB erhalten.“
Für Travail.Suisse sind konkret folgende Punkte zentral, damit die älteren Arbeitnehmenden die beruflichen Herausforderungen im Arbeitsmarkt des 21. Jahrhunderts bewältigen können:
• Analog der Lehrstellenbeschlüsse von Ende der 90er Jahre braucht es insbesondere einen Sonderkredit für die Qualifizierung von Erwachsenen ohne Bildungsabschluss und zur Nachqualifizierung von Personen, deren Ausbildung auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr gefragt ist.
• Die Aus- und Weiterbildung von älteren Arbeitnehmenden ist zu fördern. Die Arbeitgeber müssen der im Weiterbildungsgesetz verankerten Pflicht, die Weiterbildung zu begünstigen, nachkommen.
• In den Unternehmen muss insbesondere dem Instrument der Standortbestimmung und dem Mitarbeitergespräch mehr Gewicht beigemessen werden, damit die Arbeitsmarktfähigkeit zumindest erhalten werden kann.
• Erwerbslose ältere Arbeitnehmende brauchen ein starkes Coaching bei der Stellensuche. Auch hier erfüllt das Instrument der Standortbestimmung zur Einschätzung der eigenen Situation und zur Planung einer allfälligen Weiterbildung eine wichtige Aufgabe. Die Kantone sind gefordert, entsprechende Angebote bereitzustellen.
• Der Gesundheitsschutz und eine angemessene Erholung der Arbeitnehmenden sind zentral. Die diesbezüglichen Bestimmungen im Arbeitsgesetz müssen beibehalten werden. Nur so kann verhindert werden, dass sich ältere Arbeitnehmende aus gesundheitlichen Gründen aus dem Erwerbsleben verabschieden müssen.
• Die Stellenmeldepflicht muss wirksam umgesetzt werden, damit sie für ältere Stellensuchende eine echte Chance bietet, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Die RAV und die Unternehmen sind hier gefordert, den Tatbeweis zu erbringen, dass sie ältere Arbeitnehmende verstärkt berücksichtigen.
• Verschlechtert sich die Situation weiter, müssen die Kündigungsfristen für die älteren Arbeitnehmenden verlängert werden, um sie so besser vor altersbedingten Kündigungen schützen zu können.
Angesichts des sich Jahr für Jahr verstärkenden Fachkräftemangels ist es dringend nötig, nicht nur in die Jungen, sondern auch in die älteren Arbeitnehmenden zu investieren. Sie werden mehr denn je wichtige Stützen unserer Wirtschaft bleiben.
Für mehr Informationen:
Adrian Wüthrich, Präsident, Tel. 079 287 04 93
Jacques-André Maire, Nationalrat, Vizepräsident, Tel. 078 709 48 50