Travail.Suisse befürwortet die in die Vernehmlassung geschickte Vorlage zu einer Klima- und Stromabgabe unter bestimmten Voraussetzungen. Die Abgabe muss eine ausreichende Anreizwirkung zur Erreichung der Klima- und Energieziele haben. Der Ertrag daraus muss nach sozialen Kriterien an die Bevölkerung rückerstattet werden. Erneuerbarer Strom sollte nicht oder zu einem tieferen Satz besteuert werden.
Während das Parlament noch über die erste Etappe der Energiestrategie 2050 – deren Ziele der Ausstieg aus der Kernenergie und die Förderung von Strom aus erneuerbaren Energien sind – debattiert, schickt der Bundesrat eine Vorlage zu einem Lenkungssystem im Klima- und Energiebereich in die Vernehmlassung, das ab 2021 in Kraft treten sollte. Das Volk muss zunächst über eine Vorlage zu einem Verfassungsartikel abstimmen, der die Grundprinzipien des Lenkungssystems im Energiebereich festlegt. Ein Ausführungsgesetz setzt den Artikel dann in Kraft.
Mit anderen Worten geht es um den Übergang vom Förder- und Subventionssystem der ersten Etappe der Energiestrategie 2050 (insbesondere Subventionen für das Gebäudeprogramm und die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV)) zu einem auf Abgaben beruhenden Lenkungssystem. Das bedeutet, dass die Subventionen schrittweise aufgehoben und durch eine Energie- und Stromabgabe ersetzt werden. Diese Abgabe hat keinen steuerlichen Zweck und respektiert die Budgetneutralität. Das bedeutet, dass sie nicht dazu eingesetzt wird, die Staatskassen zu füllen oder die Sozialversicherungen zu finanzieren. Der Ertrag aus der Abgabe wird an die Bevölkerung und die Unternehmen rückverteilt.
So werden Personen oder Unternehmen, die sich ernsthaft um eine Senkung ihres Energieverbrauchs und Treibhausgasausstosses bemühen, belohnt, indem ihre Energierechnung tiefer ausfällt, während die «schlechten Schüler» eine höhere Rechnung bezahlen müssen.
Lenkungsabgaben sind kein Ersatz für Vorschriften, sondern eine Ergänzung dazu
Nach Ansicht von Travail.Suisse geht die Vorlage des Bundesrates in die richtige Richtung. Deshalb ist die Neuausrichtung der Klimapolitik ab 2021, die auf Lenkungsabgaben beruht, zu begrüssen, sofern die Höhe der Abgaben den Klima- und Energiezielen entspricht. Um die CO2-Emissionen bis 2030 um 30 bis 40% gegenüber 1990 und den Stromverbrauch um 10% gegenüber 2000 zu reduzieren, müssen die Abgaben hoch sein, um eine echte Anreizwirkung zu erzielen. Es muss auch eine Treibstoffabgabe erhoben werden, denn das ist der einzige Bereich, wo die CO2-Emissionen zunehmen, während sie in der Industrie und im Bauwesen zurückgehen.
Können mit diesen Lenkungsabgaben die gesetzten Ziele erreicht werden? Das ist nicht sicher! Deshalb muss die öffentliche Hand die Energiepolitik weiterhin mittels Gesetzen, Vorschriften und Normen steuern. Lenkungsabgaben sind kein Ersatz für Energievorschriften, sondern eine Ergänzung dazu. Eine solche Mischung aus Anreizen und Regulierungen fördert die Innovation und spielt eine wichtige Rolle für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz, insbesondere im Cleantech-Bereich. Auf Unternehmensebene verstärkt sich dadurch der Wettbewerbsvorteil des “First Mover” oder Vorreiters.
Die Schweiz hat seit den 1990-er Jahren im Cleantech-Bereich an Boden verloren. Es braucht eine Energiepolitik, deren Normen regelmässig an den technischen Fortschritt angepasst werden, damit unser Land den Anschluss an die Spitze wiederherstellen kann. Das wird sich positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit und die Schaffung qualifizierter, nachhaltiger Arbeitsplätze auswirken.
Als Organisation, welche die Arbeitnehmenden vertritt, misst Travail.Suisse den Auswirkungen dieser Abgaben auf die Beschäftigung und die Einkommensverteilung grosse Bedeutung bei. Die für 2025 vorgesehene Aufhebung der Zweckbindung der CO2-Abgabe an das Programm zur energetischen Sanierung von Gebäuden ist verfrüht. Es wäre besser, den Zeitpunkt auf der Grundlage einer 2020 anstehenden Evaluation des Programms festzulegen. Denn beim derzeitigen Tempo der energetischen Renovationen benötigt man hundert Jahre, um den gesamten Immobilienbestand zu sanieren! Ein zu abruptes Ende des Programms hätte ungünstige Auswirkungen auf den Bausektor und damit auf die Beschäftigung. Die auf 2030 angesetzte Frist zur Beendung der Fördermassnahmen für Strom aus erneuerbaren Energien scheint dagegen angemessen, denn bis dahin sollte der Selbstkostenpreis der neuen erneuerbaren Energien (Photovoltaik, Windkraft, Biomasse usw.) ohne Subventionen wettbewerbsfähig sein.
Direkte Rückerstattung an die Bevölkerung
Der Ertrag aus der Abgabe ist direkt an die Bevölkerung rückzuerstatten, und zwar gemäss Anzahl Personen. Denn so lassen sich Benachteiligungen von Familien mit Kindern und einkommensschwachen Haushalten vermeiden (oder verringern). Das kompensiert mehr oder weniger den Umstand, dass der Anteil der Energiekosten am Budget eines bescheidenen Haushaltes grösser ist als am Budget eines wohlhabenden Haushaltes. Eine Rückerstattung via Herabsetzung der Sozialabgaben oder der direkten Bundessteuern ist nicht angebracht: Im ersten Fall werden nicht erwerbstätige Personen benachteiligt, und im zweiten Fall verstärkt sich die Verteilungsungleichheit zulasten der tiefen Einkommen.
Zu berücksichtigen sind auch die Randgebiete und insbesondere die Bergregionen, denn der Übergang zum Lenkungssystem kostet die Bewohnerinnen und Bewohner dieser Gegenden etwas mehr als jene der städtischen Gebiete. Erstere sind auch weniger mobil und haben dadurch begrenztere Ausweichmöglichkeiten.
Bezüglich der Rückerstattung an die Wirtschaft ist die Idee prüfenswert, diese am maximal versicherten Verdienst nach UVG (126 000 Franken) und nicht an der AHV-Lohnsumme zu messen. Das würde den kleinen und mittleren Unternehmen zugute kommen, die durchschnittlich weniger hohe Löhne zahlen als beispielsweise der Finanzsektor. Daraus sollte sich eine leicht positivere Wirkung auf die Beschäftigung ergeben.
Strom aus erneuerbaren Energien weniger besteuern
Schliesslich sollte Strom aus erneuerbaren Energien grundsätzlich nicht besteuert werden, da dieser im Hinblick auf den Ausstieg aus der Kernenergie stark zulegen muss. Denkbar ist aber auch eine Besteuerung mit deutlich tieferem Satz. Denn letztlich muss auch Strom aus erneuerbaren Energien produziert werden, was nicht ganz ohne Emissionen und Rohstoffverbrauch möglich ist. Im Sinne der Energieeffizienz besteht daher auch ein Interesse, erneuerbaren Strom zu sparen. Letztendlich ist die beste Energie diejenige, die sich einsparen lässt.