Am 27. April findet die erste nationale Konferenz „Ältere Arbeitnehmende“ statt. Erste Priorität haben für Travail.Suisse Massnahmen, welche die Anstellungschancen für ältere Arbeitnehmende erhöhen. Dazu gehören unter anderem eine breit angelegte Sensibilisierungskampagne und ein Anstellungsmonitoring als Erfolgskontrolle. Zudem muss die öffentliche Hand als gutes Beispiel vorangehen und die Anstellung von älteren Arbeitnehmenden für die Verwaltung und für staatsnahe Unternehmen zum strategischen Ziel erklären.
Auf den ersten Blick präsentiert sich die Lage der älteren Arbeitnehmenden auf dem Schweizer Arbeitsmarkt als nicht so dramatisch. Die Beschäftigungsquote ist im internationalen Vergleich hoch und die Arbeitslosenquote ist tiefer als bei den übrigen Alterskategorien. Erst bei einem genaueren Hinschauen werden die Probleme sichtbar. So ist die Schweiz gemäss OECD nur bei der Beschäftigungsquote gut qualifizierter Männer zwischen 50 und 59 Jahren überdurchschnittlich gut. Die Beschäftigungsquote der über 60-jährigen Arbeitnehmenden sowie von älteren Personen ohne Berufsabschluss ist hingegen nur noch durchschnittlich.
Langzeitarbeitslosigkeit im Fokus
Richtig beunruhigend ist jedoch die hohe Langzeitarbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmender. Fast 60 Prozent der über 55-jährigen Arbeitslosen sind länger als ein Jahr arbeitslos. Diese Zahl liegt weit über dem OECD Durchschnitt von 47 Prozent. Zudem hat sich die Quote der über 55-jährigen Langzeitarbeitslosen in der Schweiz seit 2002 von 40 Prozent auf 60 Prozent massiv verschlechtert. Der Hauptgrund für diese hohe Langzeitarbeitslosigkeit ist gemäss OECD ganz klar die Anstellungspolitik der Unternehmen. Dieser Befund deckt sich auch mit Ergebnissen einer Studie des Bundesamtes für Sozialversicherungen, gemäss welcher die Unternehmen ihre Angestellten lieber im Ausland rekrutieren anstatt ältere Arbeitnehmende aus der Schweiz anzustellen.
Um die Lage der älteren Arbeitnehmenden auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern, muss gezielt die Anstellungspolitik der Unternehmen beeinflusst werden. Zwei Faktoren stehen klar im Vordergrund: Vorurteile bei den Firmen sowie fehlende oder falsche Kompetenzen bei den Arbeitnehmenden.
Kurzfristig Anstellungschancen erhöhen
Kurzfristig sind nur Massnahmen erfolgversprechend, die direkt die Anstellungspolitik der Unternehmen beeinflussen. Dazu gehören:
• Breite und umfassende Sensibilisierungskampagne: Im Kanton Aargau wurde im Oktober 2013 vom Kanton und den Sozialpartnern die Kampagne „Potenzial50plus“ lanciert. Ziel der Kampagne ist es, Vorurteile zu beseitigen, so dass ältere Stellensuchende vermehrt nach ihrer Qualifikation beurteilt werden und ihre Bewerbungen nicht aufgrund ihres Alters auf dem Absagestapel landen. Die Kampagne umfasst Plakate, eine Hotline für Arbeitgeber, Unternehmensbesuche, Vorträge bei Verbänden und Serviceclubs sowie Öffentlichkeitsarbeit. Eine analoge Kampagne ist von Bund, Kantonen und Sozialpartnern auch auf nationaler Ebene zur Sensibilisierung von Arbeitgebern und Öffentlichkeit zu lancieren. Damit die Kampagne erfolgreich ist, muss sie langfristig angelegt und mit den nötigen Mitteln ausgestattet werden. Als Beispiel kann die Stopp-Aids-Kampagne dienen, die seit fast 30 Jahren läuft und für die bisher gut 85 Mio. Franken ausgegeben wurde.
• Bund als Vorbild: Der Bund muss hinsichtlich der Anstellung von älteren Arbeitnehmenden eine Vorreiterrolle einnehmen. Das gilt sowohl für den Bund als Arbeitgeber – also in der Verwaltung – als auch für den Bund als Eigner von SBB, Post, Swisscom etc. Der Bund muss also die Frage der Anstellung ältere Arbeitnehmenden explizit in seiner Anstellungspolitik bzw. die strategischen Vorgaben für die bundesnahen Betriebe aufnehmen und entsprechende Ziele definieren. Falls die Ziele nicht erreicht werden, sind anschliessend geeignete Massnahmen zu ergreifen (Schulung HR-Personal, Weiterbildungsmassnahmen für die Angestellten etc.)
Darüber hinaus braucht es ein Monitoring der Anstellungspolitik. Dabei sind Anstellungen sortiert nach Alter und Wohnort vor Stellenantritt festzuhalten. Erst ein Monitoring ermöglicht die Formulierung von quantitativen Zielen und eine Messung des Erfolgs. Das Monitoring ist deshalb auch Grundlage für positive Botschaften an die Bevölkerung und insbesondere an die älteren Arbeitnehmenden selbst.
Arbeitnehmende langfristig stärken
Neben der kurzfristigen Beeinflussung der Anstellungspolitik ist auch eine langfristige Stärkung der Arbeitnehmenden nötig. Hier ist die Bildungspolitik mit folgenden Massnahmen gefordert:
• Arbeitsmarkt-Check-up in der Lebensmitte (40+): Ob jemand die zweite Hälfte des Erwerbslebens erfolgreich meistert, hängt wesentlich von Weichenstellungen ab, die zwischen 40 und 50 Jahren erfolgen. Aber nicht alle Arbeitnehmenden können diese Verantwortung für die zweite Hälfte ihres Berufslebens alleine wahrnehmen. Sie brauchen – wie auch ein Teil der Lehrstellensuchenden – Hilfe bei der Bestimmung notwendiger Veränderungen. Deshalb muss ein Arbeitsmarkt-Check-up im Alter von ungefähr 40 Jahren zum Standard für alle Arbeitnehmenden werden. Der Bund soll deshalb alle Massnahmen wie zum Beispiel Pilotprojekte von Kantonen und Branchen unterstützen, die diesen Standard verwirklichen helfen.
• Weiterbildungspolitik 50+: Weiterbildung von über 50-jährigen Arbeitnehmenden kann nicht mit den gleichen Zielen und Mitteln verfolgt werden wie die Weiterbildung von 30-jährigen. Anstelle des Neulernens für den nächsten Karriereschritt steht das Überlernen von bestehendem Wissen im Vordergrund. Dies bedarf auch einer angepassten Methodik und Didaktik. Die nationale Bildungspolitik muss dafür eine Weiterbildungspolitik 50+ entwickeln.
• Commitment Berufsbildung für Erwachsene 40+: Ältere Arbeitnehmende, die nie eine Berufsausbildung abgeschlossen haben oder die seit vielen Jahren nicht mehr auf dem gelernten Beruf arbeiten, haben es besonders schwer auf dem Arbeitsmarkt. Um diesen Arbeitnehmenden Chancen zu geben für die zweite Hälfte ihres Erwerbslebens, müssen Berufsabschlüsse für Erwachsene 40+ gefördert werden. Die Verbundpartner der Berufsbildung sollen deshalb gemeinsam Ziele und Massnahmen zur Förderung der Berufsbildung von Erwachsenen im Alter von 40+ festlegen. Der Bund stellt dafür jährlich 80 Mio. Franken zur Verfügung. Insbesondere ist nicht nur die Ausbildung, sondern auch der Lebensunterhalt der Erwachsenen (und ihrer Familien) während der Ausbildung zu finanzieren.
Mit diesen Anstrengungen in der Bildungspolitik ist es möglich, bereits heute die Chancen der älteren Arbeitnehmenden von morgen zu verbessern. Nun wird dies aber nicht ausreichen, um alle älteren Arbeitnehmenden vor Langzeitarbeitslosigkeit zu schützen. Deshalb braucht es auch sozialpolitische Massnahmen. Zu prüfen ist beispielsweise, ob eine Überbrückungsrente ab 62 Jahren, so wie sie der Kanton Waadt kennt, nicht für alle Arbeitnehmenden in der Schweiz eingeführt werden könnte. Dies würde den Betroffenen, die oft ein langes und hartes Erwerbsleben hinter sich haben, einen würdigen Lebensabend ermöglichen.