Heute werden Väter nach der Geburt eines Kindes mit ein bis zwei freien Tagen abgespeist. Das entspricht nicht mehr den Realitäten. Die Präsenz der Väter nach einer Geburt des Kindes ist unerlässlich für einen guten Start ins Familienleben. Es ist Zeit für einen vierwöchigen Vaterschaftsurlaub. Die Kosten sind tragbar und es steht ihnen ein vielfältiger Nutzen gegenüber.
Familienpolitik besteht im Wesentlichen aus drei Komponenten: Es braucht a) einen substanziellen finanziellen Ausgleich der finanziellen Belastung durch Kinder. Es braucht b) eine gute Infrastruktur zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und es braucht c) Massnahmen, damit genug Zeit für ein funktionierendes Familienleben bleibt. Gemeinschaft wird als erstes in der Familie erlebt und gelebt. Damit dafür genügend Raum bleibt, braucht es klar definierte Auszeiten vom Erwerbsleben zugunsten der Familie. Nur genügend zeitliche Freiräume erlauben den Aufbau von tragfähigen Beziehungen. Das gilt insbesondere für die erste Zeit nach der Geburt eines Kindes. Seit einigen Jahren gibt es in der Schweiz einen gesetzlich garantierten Mutterschaftsurlaub. Er bringt der Mutter eine – sehr knapp bemessene – Auszeit von der Arbeit. Eine zeitgemässe Familienpolitik sollte einen solchen Freiraum auch für Väter schaffen. Travail.Suisse macht sich deshalb für einen vierwöchigen Vaterschaftsurlaub stark.
Die Väter braucht es jetzt – nicht später
Heutige Väter wollen Verantwortung übernehmen und sich ins Familienleben einbringen. Männer, die Väter werden, müssen vom ersten Augenblick an präsent sein, um eine Bindung zum Kind aufzubauen und sich während der geburtsbedingten Abwesenheit der Mutter und der nachfolgenden Erholungsphase um die allenfalls weiteren Kinder kümmern zu können. Das Bewusstsein der Väter ist gestiegen, dass es vom ersten Tag an auf sie ankommt. Heute kriegen sie im Regelfall aber höchstens einen oder zwei Tage bezahlten Urlaub. Dies im Rahmen der „üblichen freien Tage“ nach OR (Art. 329 Abs. 3). Der Vaterschaftsurlaub wird also gleich behandelt wie z.B. ein Wohnungsumzug. Den Rest müssen die Väter auf Kosten ihres Ferienbudgets oder im Falle eines unbezahlten Urlaubs aus ihrem Familienbudget bestreiten. Das ist für eine zeitgemässe Familienpolitik nicht mehr länger haltbar. Travail.Suisse fordert deshalb als nächsten wichtigen Schritt der Familienpolitik einen bezahlten, flexibel einziehbaren Vaterschaftsurlaub von 20 Arbeitstagen mit einer Ersatzquote von 80 Prozent. Wie der Mutterschaftsurlaub, soll auch der Vaterschaftsurlaub über die Erwerbsersatzordnung (EO) finanziert werden. Dies wie beim Mutterschaftsurlaub bei einer Ersatzquote von 80 Prozent und einem maximalen Taggeld von 196 Franken. Mit dem Vaterschaftsurlaub ist das Anrecht verbunden, 20 Arbeitstage dem Arbeitsplatz fernzubleiben. Die Leistung ist auf ein Jahr nach der Geburt beschränkt. Entschädigt werden 28 Taggelder der EO (inkl. Wochenende). Es wird erst nach dem vollständigen Bezug des Vaterschaftsurlaubs abgerechnet, so dass der administrative Aufwand sich für den Arbeitgeber in engen Grenzen hält.
Teilzeitarbeit erproben
Der Vaterschaftsurlaub kann auch in einzelnen Tagen bezogen und für Teilzeitarbeit über einen bestimmten Zeitraum hinweg benutzt werden. Er stellt somit auch eine Entlastungsmöglichkeit für die Mutter im Übergang nach dem Mutterschaftsurlaub (Berufsrückkehr der Mutter, Einführung Krippenplatz, etc.) dar und kann den Beginn einer Teilzeiterwerbstätigkeit des Vaters darstellen. Das ist für die Väter wie auch für die Betriebe sinnvoll, denn es besteht heute eine Hemmschwelle der Teilzeitarbeit gegenüber: Viele Väter möchten zwar Teilzeit arbeiten, fordern dies von ihrem Arbeitgeber aber zu wenig konsequent ein. Und auch viele Betriebe sind der Überzeugung, die Abläufe könnten nur mit einer 100-Prozent-Beschäftigung der Väter aufrechterhalten werden. Mit den 20 Arbeitstagen Vaterschaftsurlaub haben sowohl die Väter wie auch die Betriebe die Möglichkeit, Teilzeitarbeit über mehrere Monate hinweg zu testen (max. 20 Wochen à 1 Tag) und bei guten Erfahrungen definitiv auf Teilzeitarbeit umzustellen.
Finanzierung über EO gewährleistet
Der Bundesrat veranschlagt in seinem Bericht vom 30.10. 2013 die Kosten für einen vierwöchigen Vaterschaftsurlaub auf 384 Mio. Franken. Das ist nicht gratis, aber in Relation zum Nutzen sehr bescheiden. Es entspricht rund 0.1 Prozent der Lohnsumme in der Schweiz. Aus der finanziellen Situation der EO und deren mittelfristigen Perspektiven zeigt sich, dass auf Grund der Einführung eines 4-wöchigen Vaterschaftsurlaubs mit keiner bzw. nur einer sehr moderaten Erhöhung der EO-Beiträge gerechnet werden muss: Erstens schreibt die EO heute Gewinne (2013: 148 Mio. Franken). Ihre Finanzen sind gesund. Zudem ist die Anzahl Diensttage im Militär stark rückläufig. So gab es 2008 noch rund 175‘000 EO-Bezüger/innen der Armee. 2012 waren es noch rund 145‘000. Es ist deshalb bei gleich bleibenden Beiträgen mit stark steigenden Gewinnen zu rechnen. Dies widerspiegelt sich in den finanziellen Zukunftsperspektiven der EO: Es wird bis 2035 von stetig steigenden Umlageergebnissen (Ergebnis ohne Vermögensanlagen) der EO ausgegangen. Diese belaufen sich gemäss dem mittleren Szenario des Bundesrates im Jahr 2025 jährlich auf über 250 Mio. Franken und steigen bis 2035 auf über 300 Mio. Franken an. Zusammen mit dem Anlageergebnis nimmt auch das voraussichtliche Vermögen der EO deutlich zu. Mit den heutigen Leistungen steigt das Kapital der EO bis 2025 auf über 3.5 Mrd. Franken an. Ein vierwöchiger Vaterschaftsurlaub ist somit mittel- bis langfristig bereits grösstenteils finanziert. Dem steht ein vielfältiger Nutzen, nicht nur für die Väter gegenüber.
Nutzen für die Familien
Eine Mehrheit der Eltern ist heute der Ansicht, dass die Präsenz der Väter nach der Geburt eines Kindes unerlässlich für einen guten Start in das Familienleben ist. Die Zeit unmittelbar nach der Geburt ist entscheidend. Beim ersten Kind müssen sich die frischen Eltern in der neuen Situation einleben und eine Beziehung zum Neugeborenen aufbauen. Sind bereits Geschwister vorhanden, kommt die Betreuung dieser Kinder hinzu. Die Väter selber wollen ihre Verantwortung wahrnehmen und sehen in einem Vaterschaftsurlaub einen wesentlichen Bestandteil einer zeitgemässen Familienpolitik. Ein bezahlter Vaterschaftsurlaub stellt eine Anerkennung ihres Engagements dar. Die gelebte Realität soll auch zur gesetzlichen Realität werden.
Nutzen für die Betriebe insbesondere KMU
Das Modell ist auch für Selbständigerwerbende anwendbar. Es wird paritätisch finanziert und von allen Erwerbstätigen getragen. Die für die Unternehmen entstehenden Kosten sind dadurch moderat und unabhängig von der der Belegschaft. Damit haben alle Unternehmen gleich lange Spiesse (keine Wettbewerbsverzerrung). Heute liegt es meistens im Ermessen der Arbeitgeber, ob sie ihren Angestellten einen Vaterschaftsurlaub gewähren. Grössere Betriebe können hier auf Grund ihrer Möglichkeiten grosszügiger sein. Sie gewähren heute zum Teil schon 10 Tage Vaterschaftsurlaub (z.B. Migros, Swisscom, Bund) auf Kosten des Arbeitgebers. Mit einer Lösung über die Sozialversicherung EO finanzieren alle Erwerbstätigen solidarisch den Vaterschaftsurlaub, so dass dieser auch für KMU-Betriebe und ihre Angestellten möglich wird.
Gesellschaftlicher Nutzen
Wenn Väter sich ab der Geburt in der Familienarbeit engagieren können, trägt dies viel zu stabilen und tragfähigen Familienbeziehungen bei. Spüren die Mütter zudem vom ersten Tag an die Entlastung durch ihre Partner, sind sie eher bereit, nach der ersten Babyphase wieder in das Erwerbsleben einzusteigen. Damit trägt ein Vaterschaftsurlaub gleichzeitig zur Gleichstellung von Mann und Frau in der Familie wie auch zu einer volkswirtschaftlich sinnvollen Beteiligung der Mütter an der Erwerbsarbeit bei.
In der Frühlingssession wurden im Nationalrat zwei Vorstösse von zwei jungen Vätern eingereicht, welche den Vaterschaftsurlaub zum Thema haben. Während der Vorstoss von Nationalrat Caroni den Müttern den Mutterschaftsurlaub streitig machen will (Acht Wochen für die Mütter, der Rest frei aufteilbar) und wohl eher für die Galerie gedacht ist, geht die parlamentarische Initiative von Nationalrat Candinas (zwei Wochen bezahlten Vaterschaftsurlaub) in die richtige Richtung. Travail.Suisse wird sich mit viel Überzeugungsarbeit auch auf parlamentarischer Ebene dafür einsetzen, dass der Vaterschaftsurlaub zur Realität wird. Es braucht die Väter – jetzt nicht später.
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p(footnote). 1http://www.bsv.admin.ch/index.html?webcode=d_11095_de, s.52
2 Quelle: Gesamtsicht über die Finanzierungsperspektiven der Sozialversicherungen bis 2035. Bericht des Bundesrates November 2013.