Familienfrauen, die nach einem langjährigen Erwerbsunterbruch wieder ins Berufsleben zurückkehren wollen, wird in der Regel keine längere Einarbeitungszeit zugestanden. Sie sollen möglichst schnell beruflich à jour sein, sich in den Betrieb einpassen und gleichzeitig ihr Privatleben neu organisieren. Sind zu viele Hürden zu bewältigen, kann ein Praktikum ein geeigneter Einstieg ins Berufsleben sein. Diese sind jedoch trotz hoher Nachfrage rar.
Im Rahmen des Projekts „Expérience ReProf“ hat Travail.Suisse untersucht, was Familienfrauen nach einem langjährigen Erwerbsunterbruch brauchen, damit die Rückkehr ins Berufsleben gelingt. Ein Aspekt ist die Möglichkeit, ein Praktikum zu absolvieren. Familienfrauen, die ins Berufsleben zurückkehren, wird in der Regel nicht eine längere Einarbeitungszeit zugestanden als anderen Arbeitnehmenden. Dies obwohl sie meist auf verschiedenen Ebenen Anpassungsleistungen zu bewältigen haben. Zum einen weisen sie aufgrund des langen Erwerbsunterbruchs meist beruflich-fachliche Lücken auf. Der Arbeitgeber erwartet, dass sie Verpasstes möglichst schnell nachholen. Zum anderen müssen sich Wiedereinsteigerinnen wieder in eine betriebliche Hierarchie einordnen, vorgegebene Abläufe einhalten und die geänderte Familienorganisation einüben.
Wenn zu viele Hürden zu nehmen sind, ist ein Praktikum eine Möglichkeit, um die Wiederaufnahme einer Berufstätigkeit einzuüben. Ein Praktikum ist ein Lernfeld, wo Wiedereinsteigerinnen neu Gelerntes anwenden und vertiefen können. Sie erfahren aber auch, auf welchem Gebiet es noch hapert. Die befragten Fachpersonen gaben denn auch an, dass Praktika sehr wertvoll sind. Bei solchen Arbeitseinsätzen können Wiedereinsteigerinnen Erfahrungen in der veränderten Berufswelt sammeln und ein aktuelles Arbeitszeugnis erwerben. Entsprechend gefragt sind solche Arbeitsmöglichkeiten. Die Fachpersonen bemängelten denn auch, dass es zu wenige Praktikumsplätze gibt.
Kaum Zugang zu Beschäftigungsprogrammen der Arbeitslosenversicherung
Die Arbeitslosenversicherung hat mit den Beschäftigungsprogrammen ein Instrument, um versicherte Personen mit einem mehrmonatigen Arbeitseinsatz in die Arbeitswelt zu integrieren. Zugang zu den Beschäftigungsprogrammen, die ein Teil der arbeitsmarktlichen Massnahmen sind, haben versicherte Personen. Für versicherte Personen, die als schwer vermittelbar gelten, gibt es allenfalls noch Einarbeitungszuschüsse, um eine ausserordentliche Einarbeitung abzugelten. Der Grossteil der Wiedereinsteigerinnen hat jedoch keinen Anspruch auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung. Sie können aufgrund ihres langen Erwerbsverzichts die Beitragszeiten nicht erfüllen. 1 Als nicht versicherte Personen sind sie von den beschriebenen Leistungen der Arbeitslosenversicherung ausgeschlossen.
Nun haben die regionalen Arbeitsvermittlungszentren RAV die Möglichkeit, nicht versicherten Personen den Zugang zu arbeitsmarktlichen Massnahmen über AVIG Art. 59d zu ermöglichen. Die RAV verfügen mithilfe dieses Ausnahmeartikels jedoch vor allem Bildungsmassnahmen. Denn bei Beschäftigungsmassnahmen für nicht versicherte Personen ergeben sich Probleme bei der Sozialversicherung, insbesondere bei der Unfallversicherung. Faktisch haben die meisten Wiedereinsteigerinnen über die Arbeitslosenversicherung keinen Zugang zu Praktika.
Nur wenig Kurse mit Praktika
Die Projektleitung befragte in der Folge Bildungsanbietern in der ganzen Schweiz, ob sie Angebote für Wiedereinsteigerinnen mit Praktika kombinieren. Nur gerade bei jedem achten Angebot besteht die Möglichkeit, ein Praktikum zu absolvieren. Schnuppertage und Kontakte mit potenziellen Arbeitgebern werden auch nur in bescheidenem Mass angeboten. Insgesamt gab ein Fünftel der Bildungsanbieter an, dass sie Praktika oder Schnuppertage und Kontakte mit potenziellen Arbeitsgebern anbieten. Den Bildungsanbietern gelingt es nur ungenügend, den Mangel an Praktikumsplätzen auszugleichen.
Schaffung von Praktika durch Kantone fördern
Die Fachkräfte-Initiative des Volkswirtschaftsdepartements benennt nicht oder gering erwerbstätige Familienfrauen mit Sek II Abschluss als Potenzial, um den Fachkräftemangel zu beheben. Um nicht erwerbstätigen Familienfrauen die Rückkehr ins Berufsleben zu erleichtern, braucht es ein Bündel von Massnahmen. Dazu gehört auch die Schaffung von zusätzlichen Praktikumsplätzen. Diese Aufgabe kann weder von der Arbeitslosenversicherung noch von der Mehrheit der Kursanbieter bewältigt werden. Diese Aufgabe müsste von den Kantonen übernommen werden. Die Kantone könnten ähnlich wie bei der Lehrstellenförderung Praktika für Wiedereinsteigerinnen fördern. Dazu braucht es eine Stelle, die durch Kontakte mit Betrieben Praktikumsplätze schafft und vermittelt. Diese Stelle kann in den bestehenden kantonalen Strukturen angesiedelt oder extern vergeben werden. Die Frauenberatungsstellen des Netzwerks plusplus.ch, die auf die Beratung von Wiedereinsteigerinnen spezialisiert sind, bieten sich beispielsweise als externe Vermittlerinnen an. Praktika für gut qualifizierte Wiedereinsteigerinnen dürften bei Branchen, die über fehlende Arbeitskräfte klagen, durchaus auf Interesse stossen.
Der Ausbau einer flächendeckenden, bedarfsgerechten Tagesstruktur für Vorschul- und Schulkinder zu erschwinglichen Preisen ist grundlegend, um die Erwerbstätigkeit von Familienfrauen zu erhöhen. Viele Wiedereinsteigerinnen brauchen aber auch massgeschneiderte, bezahlbare Weiterbildungen. Weiter braucht es Beratungsangebote, um jene zu begleiten, deren Wiedereinstiegsprozess sich über einen längeren Zeitraum erstreckt. Die finanzielle Unterstützung der Bildungsanstrengungen und genügend Praktika sind schliesslich weitere Elemente, um Wiedereinsteigerinnen die Rückkehr ins Berufsleben zu erleichtern und zugleich Fachkräfte zu gewinnen.