Die Topverdiener der Schweiz kommen aus der Pharmabranche. Während sich die Lohnscheren bei Novartis 2012 schlossen, sind die Lohnexzesse bei Roche extrem. Severin Schwan, CEO von Roche, räumte einen 261mal höheren Lohn ab als die Mitarbeitenden mit dem tiefsten Lohn.
Die Basler Pharmariesen können mit dem vergangenen Geschäftsjahr zufrieden sein. Der Aktienkurs von Novartis (am Jahresende) stieg um 7 Prozent, jener der Roche-Aktie gar um 12 Prozent.
Der Umsatz von Novartis lag bei rund 53,15 Milliarden Franken (plus 2,3 Prozent), derjenige von Roche bei rund 45,5 Milliarden (plus 7 Prozent). Beide Pharmakonzerne konnten ihren Konzerngewinn auf über 9 Milliarden Franken steigern.
Auf die Managerlöhne hatte das erfolgreiche Jahr unterschiedliche Auswirkungen.
Schliessende Lohnscheren bei Novartis
Daniel Vasella, Verwaltungsratspräsident bei Novartis, verdiente 2012 rund 500‘000 Franken oder 3,2 Prozent weniger als im Vorjahr. Seine Gesamtentschädigung von über 13 Millionen Franken war allerdings immer noch immens hoch, eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter mit dem tiefsten Lohn müsste dafür 216 Jahre lang arbeiten. Mit einer Entschädigung von 933‘339 Franken pro (verbindliche) Sitzung lässt Vasella auch viele Konzernleiter vor Neid erblassen.
Die Gesamtentschädigung des Verwaltungsrats sank, obwohl der Verwaltungsrat auf zwölf Köpfe erweitert wurde. Die durchschnittliche Jahresentschädigung eines Verwaltungsrats (Vasella ausgenommen) machte 2012 noch 561‘000 Franken aus (minus 8,9 Prozent), die Lohnschere schloss sich damit um mehr als 11 Prozent.
Joseph Jimenez verdiente 13,23 Millionen Franken, rund 2 Millionen (16 Prozent) weniger als im Vorjahr. Insbesondere bekam Jimenez 2012 deutlich weniger Aktien zugeteilt. Der im Vorjahresvergleich geschrumpfte Bonus machte allerdings immer noch 82,5 Prozent der Gesamtentschädigung aus. Seine Arbeit wurde noch 219mal besser honoriert als die der Mitarbeitenden mit dem Tiefstlohn. Die Lohnschere schloss sich um 18 Prozent.
Die einzigen Öffnungen der Lohnscheren bei Novartis findet man bei drei Mitgliedern der Konzernleitung. Allerdings sank selbst der durchschnittliche Lohnaufwand eines Konzernleitungsmitglieds (ohne Jimenez) um 2,5 Prozent auf 5,4 Millionen Franken. Die Lohnschere von 1 zu 88 entspricht einer leichten Schliessung von knapp 5 Prozent.
Travail.Suisse begrüsst die Entwicklung der Managerlöhne bei Novartis und wünscht sich eine Fortsetzung dieser Entwicklung in den kommenden Jahren.
Konzernleitung wieder ohne Frau
Personell fällt vor allem eine Änderung in der Konzernleitung von Novartis auf: Naomi Kelman, welche vor einem Jahr von Johnson & Johnson abgeworben wurde, verlor nach zwei Monaten als vollwertiges Mitglied der Konzernleitung ihren Job bereits wieder. Grund dafür war wohl ihr augenfälliger Fehlentscheid zur Schliessung eines Werkes in Nyon Ende 2011, welcher zu zahlreichen Protesten und Kritiken führte und durch Zugeständnisse des Kantons Waadt schliesslich verhindert wurde. Mitleid mit der Leiterin des Bereichs für rezeptfreie Arzneimittel („Over the counter“) muss man indes nicht haben. Kelman erhielt für ihr Engagement bei Novartis knapp 8,2 Millionen Franken (inkl. Entschädigung für nicht eingehaltene Kündigungsfrist und Konkurrenzverbot).
Seit dem Abgang von Naomi Kelman sitzen in der Konzernleitung von Novartis wieder ausschliesslich Männer.
Massive Öffnung der Lohnscheren bei Roche
2011 konnte man mit der Lohnentwicklung bei Roche noch recht zufrieden sein, ähnlich wie nun bei Novartis schlossen sich die Lohnscheren. Leider war diese Entwicklung nur von kurzer Dauer.
Die einzig positive Entwicklung bei Roche im Jahr 2012 zeigte sich beim Verwaltungsratspräsidenten. Franz Humer erhielt rund 8,66 Millionen Franken. Dies sind 2,5 Prozent oder 223‘000 Franken weniger als im Vorjahr. Die Lohnschere schloss sich um rund 5 Prozent und lag bei 1 zu 143.
Ein Verwaltungsrat (Humer ausgeklammert) erhielt im Durchschnitt 2012 rund 374‘000 Franken, dies entspricht einer Erhöhung von 9,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Absahner bei Roche ist CEO Severin Schwan. Laut unseren Berechnungen lag sein Lohn bei knapp 15,8 Millionen Franken und damit über 27 Prozent über dem, was er im Vorjahr verdient hatte. Auch der durchschnittliche Lohnaufwand eines Konzernleitungsmitglieds (ohne Schwan) stieg um 28,1 Prozent und lag bei über 6 Millionen Franken. Gesamthaft erhielten die sechs Personen der Konzernleitung rund 44,84 Millionen Franken (plus 24,6 Prozent). Dadurch öffneten sich die Lohnscheren massiv: Schwan erhielt rund 261mal mehr als eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter mit dem tiefsten Lohn, was einer Öffnung der Lohnschere von 24 Prozent entspricht. Selbst die Konzernleitungsmitglieder (Schwan ausgenommen) kommen im Durchschnitt auf ein Verhältnis von unglaublichen 1 zu 100 (plus 4,9 Prozent).
Langjährige Chefs treten ab
Wie an der Generalversammlung verkündet wurde, tritt nach Daniel Vasella mit Franz Humer auch sein Pendant bei Roche ab. Vasella und Humer bestimmten während fast 20 Jahren die Geschicke ihrer Pharmafirma. Im letzten Jahrtausend wurden beide CEO, später hatten beide das Doppelmandat als CEO und Verwaltungsratspräsident inne, ehe sie ersteres abgaben und seither nur noch Präsident der Firma waren. Beide sahnten seit Jahren exorbitante Entschädigungen ab und hatten zuletzt einen Stundenlohn von über 100‘000 Franken. So gross die Parallelen der beiden sind, so unterschiedlich wurden sie in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Das mediale Ansehen von Daniel Vasella liegt seit Jahren im Keller, er und die Novartis mussten insbesondere wegen den Lohnexzessen viel Kritik einstecken. Um Roche und Humer blieb es deutlich ruhiger, selbst wenn sein Lohn auf vergleichbarem Niveau lag mit jenem von Vasella. Grund dafür war Humers vorsichtige und zurückhaltende Art, mit welcher er offensichtlich näher am Puls der Gesellschaft war und so stets früher reagierte als sein Pendant Vasella. Auch bei seinem Abgang im nächsten Jahr will er auf die Abgeltung des Konkurrenzverbots, das Ehrenpräsidium und einen Beratervertrag verzichten.
Travail.Suisse wünscht sich vom Ende der Ära Vasella-Humer eine vernünftigere Lohnentwicklung. Exorbitante Managerlöhne wie in den letzten Jahren sollten endlich der Vergangenheit angehören.
Wirkung der Abzocker-Initiative ungewiss
Die vom Schweizer Volk angenommene Abzocker-Initiative wird den Lohnexzessen kaum einen verlässlichen Riegel schieben. Ob die Verwaltungsräte durch den Druck der jährlichen Wiederwahl einen unabhängigeren und besseren Job machen und die Manager eher das Gespräch und die Rechtfertigung ihrer Taten vor den Aktionären suchen, bleibt genauso abzuwarten wie die Auswirkungen der bindenden Abstimmung der Aktionäre über das Vergütungssystem. Die Konsultativabstimmungen dieses Jahres (80 Prozent der Novartis-Aktionäre und beinahe 100 Prozent der Roche-Aktionäre akzeptierten das Vergütungssystem) deuten auf jeden Fall auf keine grundsätzlichen Änderungen der Missstände hin und verlangen nach weiteren Massnahmen, um die Löhne der Teppichetage in angemessene Bahnen zu lenken.