Die Entlastung der Familien ist ein hehres Ziel. Mit der Familieninitiative wird dieses Ziel aber nicht erreicht. Im Gegenteil: Die Initiative würde eine kleine Minderheit von wohlhabenden Familien begünstigen, während sie für die grosse Mehrheit der Familien mit mittleren und tieferen Einkommen massive finanzielle Mehrbelastungen und Einschränkungen der Lebensqualität bringt.
Die Familieninitiative der SVP fordert vordergründig eine Gleichbehandlung von Familien, die ihre Kinder vollständig selbst betreuen, mit Familien, die ihre Kinder auch familienextern betreuen lassen. Beide Familien sollen nämlich in der Steuererklärung den gleichen Betrag für die Betreuung der Kinder abziehen können. Dies ist aber nur scheinbar eine Gleichbehandlung. Denn während die eine Familie reale Rechnungen für Krippe, Mittagstisch oder Hort zu bezahlen hat, ist das bei der anderen Familie nicht der Fall. Familien, die nicht auf einen Zweitverdienst angewiesen sind, profitieren also von einem Abzug, dem gar keine Kosten gegenüberstehen. Das ist Bevorzugung anstatt Gleichbehandlung.
An der Mehrheit der Familien vorbei
Zudem ist es eine Bevorzugung einer kleinen Minderheit. Denn heute sind in der grossen Mehrheit der Familien in der Schweiz beide Elternteile erwerbstätig. Dies ist der Fall in 65 Prozent der Familien mit Kindern unter 6 Jahren und sogar in 70 Prozent der Familien mit Kindern zwischen 6 und 15 Jahren. Die meisten dieser Familien sind auf das Zweiteinkommen angewiesen. Gleichzeitig ist es ihnen nicht möglich, ihre Kinder vollständig selbst zu betreuen. Diese grosse Mehrheit der Familien hat also keine steuerliche Entlastung zu erwarten von der Familieninitiative. Im Gegenteil, je nachdem wie ein Kanton die Initiative umsetzt, werden sie sogar bestraft. Denn eine Möglichkeit der Umsetzung besteht natürlich darin, die bisherigen Abzüge für die Kosten der Kinderbetreuung zu senken oder zu streichen und damit alle Familien mit einem Zweiteinkommen schlechter zu stellen.
Vor allem Familien mit gutem oder sehr gutem Einkommen profitieren
Bereits die Tatsache, dass nur Einverdienerfamilien von der Familieninitiative profitieren, deutet darauf hin, dass vor allem die guten und sehr guten Einkommen profitieren. Denn damit eine Familie heute ohne weiteres von einem Einkommen leben kann, muss dieses eine Einkommen relativ hoch sein. Dazu kommt, dass aufgrund der Steuerprogression immer die höheren Einkommen stärker von Steuerabzügen profitieren als tiefere und mittlere Einkommen. Mit der Familieninitiative werden beide Effekte kombiniert, so dass eine sehr gezielte Entlastung der Familien mit den höchsten Einkommen resultiert.
Entlastung von Familien mit hohem Einkommen ist unnötig
Travail.Suisse hat vor kurzem eine Studie erstellen lassen, die die Entwicklung der Familieneinkommen während den letzten zehn Jahren untersucht. Darin zeigt sich, dass gerade die bereits wohlhabenden Familien ihre Einkommen am stärksten zu steigern vermochten, während die Einkommen der übrigen Familien stagnierten. Das hat unter anderem auch damit zu tun, dass bereits in den letzten zehn Jahren alle steuerlichen Entlastungen vor allem zugunsten der höheren Einkommen ausgefallen sind. Eine weitere Entlastung der Familien mit hohen Einkommen ist unnötig und sicher kein Fortschritt in der Familienpolitik
Wer bezahlt die Zeche?
Die Familieninitiative bringt ja nicht nur Steuererleichterungen für wohlhabende Familien, sondern auch Steuerausfälle von ca. einer Milliarde Franken für die Kantone. Diese kämpfen bereits heute mit Defiziten, und ein Kanton nach dem anderen legt ein Sparpaket auf. Die heutigen Sparmassnahmen zeigen, wer die Zeche bezahlt. So sind beispielsweise viele Kantone daran, die individuellen Krankenkassenprämienverbilligungen runter zu fahren. In vielen Sparpaketen sind unter diesem Posten viele Millionen Franken eingeplant. (z.B. AG 26 Mio.; SG 6.5 Mio.; LU 4 Mio.; BE 35 Mio.). Ebenfalls gespart wird bei den Ergänzungsleistungen (SG 8.8 Mio.) oder bei der Spitex (BE 11 Mio.). Im Weiteren kommen Klassengrössen unter Druck (AG und BE), Schulgelder werden erhöht (AG für Musikunterricht) oder neu eingeführt (LU für Brückenangebote) und gleichzeitig die Stipendien gesenkt (SG 1.35 Mio.).
Familieninitiative ist für Mehrheit der Familien ein Bumerang
Eines wird aus diesen wenigen Beispielen überdeutlich: Einsparungen erfolgen vorwiegend bei den „Armen, Alten und Auszubildenden“. Gerade die Familien sind von Sparmassnahmen wie weniger Krankenkassenprämienverbilligungen, höheren Schulgeldern oder tieferen Stipendien stark betroffen. Ein weiterer Ausfall von einer Milliarde Franken würde diese Sparübungen noch verstärken. Das heisst, der grösste Teil der Familien in der Schweiz würde durch die Familieninitiative nicht nur nicht entlastet, sondern wäre mit massiven finanziellen Mehrbelastungen konfrontiert. Für alle diese Familien ist die Familieninitiative nicht nur eine Mogelpackung, sondern sogar ein Bumerang. Deshalb sagt Travail.Suisse ganz klar Nein zur Familieninitiative.