Knapp fünf Jahre nach der Annahme der Abzockerinitiative soll deren Forderung mit der Aktienrechtsrevision ins Gesetz gegossen werden. Die Vorschläge des Bundesrates bleiben aber bezüglich Transparenz der Managerlöhne und Stärkung der Aktionärsrechte auf halbem Weg stehen und bieten im Bereich der besonders störenden Antritts- und Abgangsentschädigungen zu einfache Umgehungsmöglichkeiten. Das Parlament ist gefordert, hier entscheidend nachzubessern, ansonsten wird sich der Unmut der Bevölkerung über die überrissenen und ungerechtfertigten Entschädigungen für die Wirtschaftselite nicht legen.
Die Diskussion über die Begrenzung der Entschädigungen in den Managementetagen der Grosskonzerne ist in der Schweiz seit etlichen Jahren ein politischer Dauerbrenner. Der Unmut in der Bevölkerung über die Lohnexzesse und die Selbstbedienermentalität der Managerkaste hat der Abzockerinitiative zu einer wuchtigen Annahme durch 68% der Stimmberechtigten und sämtliche Kantone verholfen. Eine spürbare Mässigung der Managerlöhne ist seither aber nicht festzustellen. So weist die Managerlohnstudie 1 von Travail.Suisse seit 2011 – und damit der Hauptphase der parlamentarischen Beratung der Abzockerinitiative – in den untersuchten Unternehmen für zwei Drittel der CEO und sogar drei Viertel der übrigen Konzernleitungsmitglieder deutlich steigende Bezüge nach. Allein 2016 konnten sich die Manager über eine durchschnittliche Erhöhung ihrer Bezüge von stattlichen 6% freuen. Von solchen Lohnsprüngen wagen die übrigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Unternehmen nicht einmal zu träumen. Die Lohnschere öffnete sich denn auch munter weiter: Lag das Verhältnis der durchschnittlichen Entschädigung für ein Konzernleitungsmitglied zum tiefsten Einkommen desselben Unternehmens bei den untersuchten Firmen im Jahr 2011 noch bei 1:45, hat es sich bis 2016 auf 1:51 vergrössert.
Mit der Aktienrechtsrevision soll die Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften ins Gesetz überführt werden, um so die Begehren der Abzockerinitiative endgültig umzusetzen. Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates wird die Beratung der Vorschläge des Bundesrates am kommenden 3. November aufnehmen. Aus Sicht von Travail.Suisse weisen die Vorschläge des Bundesrates etliche Mängel und Schwachstellen auf. Gelingt es dem Parlament nicht, diese zu beheben, wird sich auch zukünftig kein mässigender Einfluss auf die Höhe der Managerlöhne einstellen.
h2. Transparenz bleibt ungenügend
Eines der Kernelemente der Aktienrechtsrevision ist der Auftrag an den Verwaltungsrat, jährlich einen Vergütungsbericht zuhanden der Generalversammlung zu erstellen. Damit soll Transparenz über die Entschädigungen an das Management hergestellt werden. Allerdings bleibt der Bundesrat dabei auf halbem Weg stehen: Während nämlich die Entschädigungen für die Mitglieder des Verwaltungsrates und des Beirates individuell ausgewiesen werden müssen, wird bei den Mitgliedern der Geschäftsleitung nur die höchste Einzelentschädigung sowie die Gesamtentschädigung für sämtliche Geschäftsleitungsmitglieder verlangt. Damit wird insbesondere eine Analyse der Entwicklung über die Jahre hinweg verunmöglicht, weil Wechsel, Vakanzen oder Änderungen der Gremiumsgrösse nicht abgegrenzt und berücksichtigt werden können.
Leicht zu umgehendes Verbot der Antritts- und Abgangsentschädigungen
Die Empörung über Antrittsgagen und Abgangsentschädigungen in mehrfacher Millionenhöhe bei Wechseln in den Konzernleitungen war einer der Haupttreiber der überdeutlichen Annahme der Abzockerinitiative. Folgerichtig ist ein Verbot der Antritts- und Abgangsentschädigungen ein Kernelement der Aktienrechtsrevision. Der Bundesrat schlägt aber eine wenig griffige Regelung vor, welche allzu leicht umgangen werden kann. So sollen nämlich sogenannte Antrittsprämien zulässig werden. Mit einer Antrittsprämie kann ein neu zum Unternehmen stossender Manager für wegfallende Boniansprüche bei seinem bisherigen Arbeitgeber entschädigt werden. So könnten die 14 Mio. Franken, welche Tidjane Thiam bei seinem Stellenantritt 2014 von der Credit Suisse erhalten hat, oder die 4 Mio. Franken, welche Zurich 2016 dem neuen CEO Mario Greco überwiesen hat, auch in Zukunft ausgerichtet werden.
Auch das Verbot der Abgangsentschädigung kann leicht umgangen werden. Mit Kündigungsfristen bis zu einem Jahr und mehrjährigen Konkurrenzverboten sind Lohnfortzahlungen und Karenzentschädigungen an die Manager auch nach Ausscheiden aus der Unternehmung möglich. Als weitere Umgehungsmöglichkeit bieten sich weiterlaufende Beratermandate an, bei welchen nicht transparent dokumentiert werden muss, woraus die Beratertätigkeit genau besteht. So ist beispielsweise Franz Humer nach seinem Ausscheiden als Präsident des Verwaltungsrates von Roche 2015 mit einem 5-jährigen Beratermandat und entsprechender Entschädigung beglückt worden.
Fehlende Aktionärsrechte
Ein Hauptanliegen der Abzockerinitiative war die Stärkung der Aktionärsrechte. Die vorgeschlagenen Massnahmen in der Aktienrechtsrevision greifen hier aber viel zu kurz. So müssen zwar zukünftig jährliche Abstimmungen über die Vergütungen der Manager durchgeführt werden, allerdings sind dabei gemeinsame Abstimmungen über die fixen und variablen Bestandteile der Entschädigungen ebenso zulässig wie prospektive Abstimmungen. Wird aber gemeinsam über die fixen und variablen Vergütungen abgestimmt, fehlt den Aktionären die Möglichkeit, exzessive Boni abzulehnen, ohne die gesamte Entschädigung in Frage zu stellen. Und bei einer prospektiven Abstimmung müssen die Aktionäre vor Kenntnis des Geschäftsganges und sogar vor einer Leistungserbringung durch die Manager über deren Boni entscheiden. Somit wird der Leistungsgedanken der Boni ad absurdum geführt. Gemäss der Managerlohnstudie von Travail.Suisse führt weniger als ein Drittel der untersuchten Unternehmen eine sinnvolle Abstimmungskaskade über die Entschädigungen für das Management durch, welche es den Aktionären erlauben würde, eine Kontrolle und allenfalls Korrektur von überrissenen Managerlöhnen zu erwirken.
Neben fehlenden Vorgaben zu den Abstimmungsregimes fehlt in der vorliegenden Aktienrechtsrevision auch eine Pflicht zur Festlegung des Mindestverhältnisses zwischen fixen und variablen Bestandteilen der Entschädigung in den Statuten. Es lässt sich grundsätzlich eine zu starke Fokussierung auf variable Vergütungen beobachten, was Fehlanreize für Entscheide der Manager setzt. Richten sich die Entscheide der Manager zu stark auf die kurzfristigen Kennzahlen aus, lassen sich zwar ihre Boni maximieren, aber das kann durchaus im Widerspruch zu einer nachhaltigen Geschäftsentwicklung stehen.
Hohe Managerlöhne müssen auch der Allgemeinheit nutzen
Für Travail.Suisse ist klar, dass in den angesprochenen Bereichen zwingend nachgebessert werden muss, sollen die Anliegen der Abzockerinitiative auch nur in Ansätzen umgesetzt werden. Ausserdem ist in der laufenden Aktienrechtsrevision auch der Nutzen der hohen Managerlöhne in der Schweiz für die Allgemeinheit zu vergrössern, ansonsten wird sich der Unmut in der Bevölkerung über die überrissenen und nicht gerechtfertigten Entschädigungen für die Wirtschaftselite nicht legen. Dazu bieten sich zwei Wege an. Einerseits dürfen Entschädigungen für Manager ab einer gewissen Höhe (Bsp. 1 Million Franken) nicht mehr als geschäftsmässig begründeter Aufwand zu einem Steuerabzug bei den Unternehmen führen. Stattdessen sollten sie als Gewinnausschüttung klassiert und so der Besteuerung durch die Gewinnsteuer unterstellt werden. Andererseits muss eine ernsthafte Diskussion über eine Solidaritätssteuer für sehr hohe Managerlöhne geführt werden. Die Progression bei der direkten Bundessteuer orientiert sich an einer „normalen“ Einkommensstruktur und endet bei 755‘200 Franken für Alleinstehende, resp. 895‘800 Franken für Verheiratete. Das starke Wachstum der Topsaläre für Manager und Verwaltungsräte in den letzten Jahrzehnten hat aber eine Einkommensschicht ausserhalb dieser „normalen“ Einkommensstruktur entstehen lassen. Für diese neue Einkommensschicht hat die direkte Bundessteuer nur noch einen beschränkt progressiven Charakter, was dem Grundgebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit widerspricht. Über eine zusätzliche Besteuerung in diesem Bereich könnten der Nutzen der hohen Managerlöhne für die Allgemeinheit vergrössert und die Akzeptanz dieser Saläre erhöht werden.
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p(footnote). 1 Die vollständigen Ergebnisse unter http://www-travailsuisse.ch/themen/arbeit/managerloehne