Unsere Vaterschaftsurlaubs-Initiative hat eine weitere Etappe hinter sich: Der Bundesrat hat am 18. September 2017 entschieden, sie zur Ablehnung zu empfehlen. Er will somit dem Parlament keinen Gegenvorschlag unterbreiten. Bundesrat Alain Berset muss nun bis im Sommer 2018 die Botschaft mit dem Antrag auf Ablehnung ausarbeiten.
Letzten Mittwoch musste ich an der Vorstandssitzung des Europäischen Gewerkschaftsbundes in Brüssel über die ablehnende Haltung der Schweizer Regierung gegenüber unserer Initiative für einen vierwöchigen Vaterschaftsurlaub informieren. Für die Gewerkschaftskolleginnen und -Kollegen aus Europa wurde klar, dass die Schweiz auch beim Vaterschaftsurlaub eine Sonderstellung einnimmt. In der EU wird hingegen am 17. November 2017 von den EU-Staaten mit grösster Wahrscheinlichkeit die „europäische Säule sozialer Rechte“ beschlossen. Dieses Gesetzespaket definiert nicht nur Mindeststandards wie den Grundsatz „gleiche Arbeit, am gleichen Ort, zu gleichem Lohn“ in der Entsenderichtlinie, sondern legt auch mindestens 10 Tage Vaterschaftsurlaub und vier Monate Elternurlaub für Mütter und Väter fest. Für die EU-Kommission ist klar, dass wir im 21. Jahrhundert leben und deshalb auch „eine dem 21. Jahrhundert angemessene Einstellung zum Leben und Arbeiten, zu Frauen und Männern“ brauchen.
Unser Bundesrat sieht hingegen keinen Bedarf für eine Veränderung in der Gesellschaft, er will von einem Vaterschaftsurlaub nichts wissen. Am 18. September gab er bekannt, dass er unsere Vaterschaftsurlaubs-Initiative ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung empfiehlt. Gemäss Medien waren die (älteren Herren) SVP- und FDP-Bundesräte dagegen. Die Kosten seien zu hoch und würden die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft beeinträchtigen – so die Argumente. Dass der gleiche Bundesrat an der gleichen Sitzung bis zu einer Milliarde Franken für die Olympischen Winterspiele 2026 gesprochen hat, führt natürlich bei dieser Argumentation zu Kopfschütteln. Das Kostenargument wirkt etwas vorgeschoben: Zwei Wochen Vaterschaftsurlaub sind gemäss aktuellen Finanzperspektiven der Erwerbsersatzordnung schon fast bezahlt. Mit der Weiterentwicklung der Armee sinken die Diensttage für einen Soldaten von 260 auf 245 Diensttage, zudem werden nicht alle Väter den Vaterschaftsurlaub beziehen. Allenfalls muss nach einer gewissen Zeit der EO-Satz von 0.45 wieder auf 0.5 Lohnprozente angehoben werden und somit auf das Niveau von vor 2016. Das bundesrätliche Argument, dass der Vaterschaftsurlaub „die Unternehmen vor grosse organisatorische Herausforderungen stellen“ würde, ist angesichts der rund sechs Wiederholungskurse für Angehörige der Armee ebenso wenig stichhaltig. Ein Vaterschaftsurlaub kann weit im Voraus geplant werden und nach unserem Modell flexibel tageweise im ersten Lebensjahr des Kindes bezogen werden. Mehr Flexibilität geht nicht.
Bundesrat Johann Schneider-Ammann erläuterte mir per Email, dass für den Bundesrat das Kosten-Nutzen-Verhältnis des Vaterschaftsurlaubs schlechter sei als bei Investitionen in familienexterne Kinderbetreuung. Die Vereinbarkeit sei dem Bundesrat ein wichtiges Anliegen. Das Argument könnte verstanden werden, wenn der Bundesrat auch echte Massnahmen für die Verbesserung der Vereinbarkeit treffen würde. Die 100 Millionen Franken für Massnahmen über fünf Jahre wie sie das Parlament auf Antrag des Bundesrates in der Sommersession beschlossen hat, sind sehr, sehr bescheiden. Dabei verkennt der Bundesrat den Nutzen des Vaterschaftsurlaubs in vielerlei Hinsicht: Für einen guten Start ins Familienleben, für die Möglichkeit ein präsenter Vater für Partnerin und Kind zu sein und zur Förderung der Bindung zum Neugeborenen ist der Vaterschaftsurlaub eine kleine, aber eben effektive Massnahme. Gemäss aktualisierter Berechnung kosten vier Wochen Vaterschaftsurlaub 420 Millionen Franken, was 0.11 Lohnprozente ausmachen würde. Für die Verbesserung der Vereinbarkeit braucht es mehr oder einfach beides: Den Vaterschaftsurlaub und ein möglichst flächendeckendes Angebot an familienexterner Kinderbetreuung.
Gemäss Bundesrat soll der Vaterschaftsurlaub weiterhin in der Verantwortung der Arbeitgeber respektive der Sozialpartner bleiben. Selbstverständlich wird der Vaterschaftsurlaub bei den GAV-Verhandlungen der Gewerkschaften und Personalverbände immer ein Thema sein. In den letzten Jahren konnten langsam Verbesserungen verhandelt werden. Mitte Oktober wurde im neuen GAV für die Holzbranche neu immerhin drei Tage beschlossen. Es gibt sie, die Unternehmen, die mehr Vaterschaftsurlaub gewähren, unsere Liste wird immer länger. Wir stellen aber fest, dass die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) deutlich benachteiligt sind. Sie können es sich weniger leisten und sind umso mehr auf eine „Versicherungslösung“ angewiesen. Und sowieso: Es soll für den Arbeitnehmer keine Rolle spielen, bei welchem Arbeitgeber er arbeitet. Unsere Gesellschaft muss ein grundsätzliches Interesse haben, dass sich die Väter für ihre Väterrolle Zeit nehmen können und sich die Paare gemeinsam organisieren können. Mit der Demografie und dem Fachkräftemangel werden wir in Zukunft die Frauen, deren Maturitätsquote heute höher ist als jene der Männer, auf dem Arbeitsmarkt benötigen – und zwar ohne dass diese Frauen auf Kinder verzichten. Klar, dass dafür ein viel längerer Vaterschaftsurlaub nötig wäre. Wir orientieren uns mit unserer Initiative für vier Wochen Vaterschaftsurlaub aber bewusst daran, was mehrheitsfähig ist. Wir wollen jetzt einen Vaterschaftsurlaub als ersten Schritt!
Der Bundesrat hat nun Zeit seinen Antrag bis Mitte 2018 zuhanden des Parlamentes zu verabschieden. Danach kommt das Parlament zum Zug. Aus den Medienmitteilungen der Parteien zum Bundesratsentscheid zu schliessen, besteht die Möglichkeit, dass im Parlament ein Gegenvorschlag beschlossen wird. Das wäre ein Zeichen, dass man unserer Initiative vor dem Volk Chancen gibt und dass unser Anliegen ein gesellschaftliches Bedürfnis ist. Das Parlament sieht hoffentlich eher als die älteren Herren Bundesräte Johann Schneider-Ammann, Ueli Maurer, Didier Burkhalter und Guy Parmelin, dass sich unsere Gesellschaft verändert. Wir bleiben dran.