Am 25. April 2017 fand die dritte Nationale Konferenz zum Thema ältere Arbeitnehmende statt. In der Schlusserklärung 1 wurde zum ersten Mal der Begriff „Altersdiskriminierung“ aufgenommen und im Zusammenhang mit den älteren Arbeitnehmenden von einem notwendigen „Kulturwandel“ gesprochen. Aus Sicht von Travail.Suisse, dem unabhängigen Dachverband der Arbeitnehmenden, wurde damit die Diskussion über die älteren Arbeitnehmenden auf eine neue, sachlichere Ebene gehoben, was nur zu begrüssen ist.
Muss sich angesichts der statistischen Werte die Politik überhaupt mit dem Thema ältere Arbeitnehmende auseinandersetzen? Gibt es mit den älteren Arbeitnehmenden auf dem Arbeitsmarkt überhaupt ein Problem? Die dritte Nationale Konferenz zum Thema ältere Arbeitnehmende hat diese Frage eindeutig bejaht.
Ein Nein zur Altersdiskriminierung
Einerseits weist die Konferenz darauf hin, dass nicht alle älteren Arbeitnehmenden vom liberalen Arbeitsmarkt profitieren. Werden sie erwerbslos, so kann es sein, dass ihnen nicht aufgrund von fehlenden Kompetenzen oder anderer sachlicher Gründe, sondern aufgrund ihres Alters der Zugang zum Arbeitsmarkt verschlossen bleibt 2 . Das ist – wie die Nationale Konferenz betont – Altersdiskriminierung. Gegen sie muss vorgegangen werden. Gegen Diskriminierungen vorzugehen ist allerdings alles andere als einfach, wie uns Beispiele aus anderen Bereichen (z.B. Lohngleichheitsdialog) lehren. Aber immerhin hat die dritte Konferenz unter Beteiligung des Bundes, der Kantone, der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen es gewagt, ein Teil der Praktiken in der Anstellungspolitik von öffentlichen oder privaten Unternehmen als altersdiskriminierend zu bezeichnen. Das ist ein Fortschritt gegenüber den vorangegangenen Konferenzen.
Ein Kulturwandel ist angesagt
Andererseits ist sich die Konferenz auch der zunehmenden Bedeutung der älteren Arbeitnehmenden auf dem Arbeitsmarkt bewusst. Sich mit dieser Gruppe der Erwerbstätigen nicht oder nur ungenügend zu beschäftigen, wäre ein grosser Fehler. Vielmehr braucht es einen „Kulturwandel“, der das demografische und wirtschaftliche Umfeld der Veränderung ernstnimmt und frühzeitig und aktiv darauf reagiert. Es ist – wie die Konferenz festhält – „in die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit einer insgesamt alternden Erwerbsbevölkerung zu investieren“ 3 . Aus Sicht von Travail.Suisse bedeutet das folgendes:
• Die Arbeitnehmenden selber müssen sich bewusst sein, dass sie sich auch in der zweiten Hälfte ihres Arbeitslebens mit ihrer Karriereplanung auseinandersetzen müssen, um weniger der Gefahr ausgesetzt zu sein, in berufliche Sackgassen zu geraten, sei dies aus gesundheitlichen, technologischen oder strukturellen Gründen. Dazu sind Standortbestimmungen und gezielte Weiterbildungsplanungen hilfreich.
• Die Kantone haben die Dienstleistungen im Bereich der Berufs- und Laufbahnberatung für die Erwachsenen auszubauen, aufzuwerten, bekannter und günstiger/gratis zu machen. Diese Beratungstätigkeit, welche ihnen das Berufsbildungsgesetz auferlegt 4 , nehmen sie heute viel zu wenig ernst, zum Teil bauen sie in diesem Bereich sogar ab. Ein Kulturwandel ist hier also nötig.
• Die Berufsbildung hat die Berufsbildung für Erwachsene zu stärken und zu betonen, dass sich die Berufsbildung (berufliche Grundbildung, Höhere Berufsbildung) auch für Personen über 40 lohnt, insbesondere für WiedereinsteigerInnen, bei Berufsfeldwechseln, bei einem fehlenden Abschluss auf Sekundarstufe II oder bei Personen, welche fähig sind, eine Höhere Berufsbildung abzuschliessen. Dazu sind aber erwachsenengerechte Angebote bereitzustellen 5 , die Hürden der Finanzierung abzubauen und Altersbegrenzungen 6 in Gesetzen zu streichen.
• Die Arbeitgeber müssen sich viel bewusster mit der Karriereförderung ihrer Mitarbeitenden ab der Lebensmitte auseinandersetzen. Es kann dabei je nach Situation um vertikale oder horizontale, um Fach-, Projekt- oder Führungskarrieren oder – bei Führungspersonen – um Bogenkarrieren handeln. Denn eine Karriere ist nicht mit 45 oder 50 beendet! Im Gegenteil: In dieser Phase sollte vom Arbeitgeber noch einmal in gezielte Weiterbildungsmassnahmen seiner Arbeitnehmenden investiert werden. Aufgrund der beachtlichen Verweildauer der über 50-Jährigen im gleichen Betrieb ist mit einem guten Rückfluss an Engagement und produktiver Leistung zu rechnen. Angesichts des erwarteten Fachkräftemangels lohnt es sich, gerade in diese erfahrene Altersgruppe der heute 40 bis 50-Jährigen oder Älteren zu investieren (oder neu anzustellen), um sie mit einer klugen Karriereplanung und einer zielgerichteten Weiterbildung als wichtige Leistungsträger im Betrieb halten zu können.
Die Konferenz zum Thema ältere Arbeitnehmende hat aus Sicht von Travail.Suisse mit den beiden Begriffen „Altersdiskriminierung“ und „Kulturwandel“ die Diskussion um die älteren Arbeitnehmenden in die richtige Richtung gewiesen. Es geht darum, aktuell in den Betrieben die Anstellungspolitik wieder bewusster an den Kompetenzen und nicht am Alter zu orientieren und im Hinblick auf die Zukunft in die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit einer insgesamt alternden Erwerbsbevölkerung zu investieren. Ob die Botschaft der Konferenz gehört und aufgenommen wird, steht leider auf einem anderen Blatt.
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p(footnote). 1https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/48024.pdf
2 „Altersdiskriminierung liegt dann vor, wenn Menschen verschiedenen Alters ohne sachliche Gründe unterschiedlich behandelt werden, mit dem Resultat, dass ihnen Leistungen, Zugänge oder Rechte verweigert werden. Die Zahlen zeigen, dass keine systematische Ausgliederung von älteren Arbeitnehmenden stattfindet. Dennoch gibt es Fälle, bei denen benachteiligende Praktiken vorliegen. Entscheidend für die Arbeitsmarktintegration von Älteren ist, dass Vorbehalte ihnen gegenüber abgebaut werden.“ Ebd. S 3/7.
3 Ebd. S 2/7
4 Berufsbildungsgesetz Artikel 49
5 Vgl. dazu Markus Maurer, Emil Wettstein, Helena Neuhaus, Berufsabschluss für Erwachsene in der Schweiz, Bern 6 In den Regelungen zu den Stipendien sind Alterslimiten erlaubt. Vgl. Interkantonale Vereinbarung zur Harmonisierung von Ausbildungsbeiträgen, Art. 12. http://edudoc.ch/record/106358/files/Konkordat_Stip_d.pdf