Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden hat letztes Jahr den «Barometer Gute Arbeit» lanciert. Auf Basis einer repräsentativen Befragung der Arbeitnehmenden in der Schweiz, findet eine Bewertung der Arbeitsbedingungen statt. Mit der zweiten Befragungswelle in diesem Jahr wird es möglich, die Veränderung über die Zeit zu betrachten, wie auch eine Regionen- oder Branchenspezifische Bewertung der Arbeitsbedingungen vorzunehmen. Die Ergebnisse werden am 21. November an einer Medienkonferenz präsentiert.
Die bezahlte Erwerbsarbeit geniesst in unserer Gesellschaft einen sehr hohen Stellenwert. Sie dient nicht nur der materiellen Existenzsicherung sondern geht weit über das hinaus. Allein durch die zeitliche Dimension nimmt die Arbeit einen wichtigen Teil in unseren Leben ein und ist ein wichtiger Faktor für die persönliche Entwicklung. Die Arbeit beeinflusst so auch andere Lebensbereiche und die Qualität der Arbeit – die Arbeitsbedingungen – beeinflussen damit massgeblich unsere Lebensqualität. Die Qualität der Arbeit ist damit für das Wohlbefinden der Arbeitnehmenden absolut zentral. Es ist diese Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen, die Arbeit – aus Sicht der Arbeitnehmenden – zu guter oder eben schlechter Arbeit werden lässt.
Eine Arbeitsgestaltung, die insbesondere den Schutz der Gesundheit achtet und eine Ausgewogenheit zwischen Belastung und Entlastung bietet, gehört zu den Kernpunkten von guter Arbeit. Dies deckt sich mit der arbeitswissenschaftlichen Forderung nach einer schädigungslosen und beeinträchtigungsfreien Arbeitsgestaltung. Weiter bedeutet gute Arbeit ein verlässliches Einkommen zu erhalten und eine gewisse Beschäftigungssicherheit zu haben. Die Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit muss ebenso erkennbar sein wie Gestaltungsspielraum vorhanden sein muss, um die eigenen Fähigkeiten in die Arbeit einbringen zu können. Die Wertschätzung der geleisteten Arbeit durch den Vorgesetzten ist genau so entscheidend wie eine von Vertrauen geprägte Beziehung zum Arbeitgeber als Ganzes. Es braucht ausreichend Einflussmöglichkeiten und eine Förderung der beruflichen Entwicklung damit sich eine Zufriedenheit mit der Arbeit im Generellen und der eigenen Karriere im Speziellen einstellt. Mit dem «Barometer Gute Arbeit» präsentiert Travail.Suisse ein Instrument, welches geeignet ist die Bewertung der Arbeitsbedingungen aus Sicht der Arbeitnehmenden abzubilden. Diese Beurteilung durch die Arbeitnehmenden ist folglich als menschliches Mass für die Bewertung der Arbeit zu verstehen, welches mindestens genau gleichviel Berechtigung hat wie betriebswirtschaftliche Kennzahlen.
Die Bewertung der Arbeitsbedingungen richtet sich dabei an der Kernfrage nach einer guten Arbeit im Sinne von zukunftsfähiger Arbeit aus. Zukunftsfähige Arbeit soll die Gesundheit schützen, die Motivation erhalten und den Arbeitnehmenden eine gewisse Sicherheit vermitteln.
Rückblick erste Befragungswelle (2015)
Im Bereich der Dimension Gesundheit wurden insbesondere die Belastungsfaktoren negativ beurteilt. So fühlen sich 40% der Arbeitnehmenden durch ihre Arbeit oft oder sehr häufig gestresst und rund ein Drittel fühlt sich nach einem Arbeitstag oft oder sehr häufig emotional erschöpft. Und auch der Präsentismus – das Arbeiten trotz Krankheit – ist weit verbreitet. 30% der Beschäftigten geben an, dass sie oft oder sehr häufig arbeiten auch wenn sie krank sind und lediglich 19% stehen bei Krankheit nie im Einsatz. Im Bereich der Entlastungsfaktoren zeigt sich vor allem bei der Gesundheitsförderung noch Nachholbedarf. So halten die Arbeitgeber für 14% der Arbeitnehmenden keine Massnahmen zur Gesundheitsförderung bereit und für weitere 29% reichen die getroffenen Massnahmen gar nicht oder nur in geringem Mass aus.
Die Dimension Motivation erhielt grundsätzlich die besten Bewertungen durch die Arbeitnehmende. Es ist dies Ausdruck einer hohen Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit und einer grossen Identifikation mit der eigenen Arbeit. Eher schlecht wurden dagegen die Entwicklungsmöglichkeiten beurteilt. So erfährt mit 46% fast die Hälfte der Arbeitnehmenden keine oder nur in geringem Mass eine Förderung der Aus- und Weiterbildung durch den Arbeitgeber. Bemerkenswert sind auch die Unterschiede in der Förderung der Aus- und Weiterbildung durch den Arbeitgeber je nach Ausbildungsstand der Arbeitnehmenden. Die Förderung der Aus- und Weiterbildung durch den Arbeitgeber steigt mit zunehmenden Bildungsstand der Arbeitnehmenden kontinuierlich an.
In der Dimension Sicherheit ist es insbesondere die mittelfristige Perspektive, welche den Arbeitnehmenden Sorge bereitet. Dieses mittelfristige Unsicherheitsempfinden entsteht aus einer verbreiteten Erwartung von zunehmender Arbeitsbelastung in naher Zukunft, dem Eindruck kaum Einfluss auf Veränderungen am eigenen Arbeitsplatz zu haben und insbesondere der Sorge, dass es schwierig wäre, bei Verlust des jetzigen Arbeitsplatzes, eine vergleichbare Arbeit mit ähnlichem Lohn zu finden. Eine solch eingeschränkte Arbeitsmarktmobilität empfindet eine Mehrheit der Arbeitnehmenden als Realität. Ausserdem steigt sie mit zunehmenden Alter stark an und macht bei den 46-64-jährigen rund zwei Drittel der Arbeitnehmenden aus.
Ausblick zweite Befragungswelle (2016)
Für die diesjährige zweite Befragungswelle konnte die Berner Fachhochschule als Kooperationspartner gewonnen werden. Dadurch und dank des jetzt vorliegenden Datenmaterials aus zwei Zeitpunkten sind vertieftere Auswertungen der repräsentativen Befragung der Arbeitnehmenden in der Schweiz möglich. Während mit der letztjährigen Durchführung ein Bild der Bewertung der Arbeitsbedingungen entstanden ist, können dieses Jahr bereits erste Entwicklungen über die Zeit sichtbar gemacht werden. Eine Art Monitoring über die Veränderung der Bewertung von einzelnen Aspekten der Arbeitsbedingungen ist für eine sich wandelnde Wirtschaft und unter dem Eindruck von wirtschaftlichen, politischen und arbeitsmarktlichen Veränderungen (z.B. Frankenstärke, Zunehmende Digitalisierung, Auflockerung der Pflicht zur Arbeitzeiterfassung usw.) sicherlich sinnvoll und gewinnbringend. Gleichzeitig können durch die jetzt vorliegende breitere Datenbasis bereits Unterschiede nach verschiedenen Merkmalen aufgezeigt werden. Dabei liegt der Fokus dieses Jahr auf der Darstellung von regionalen und branchenspezifischen Unterscheiden. Und schliesslich konnte auch eine Evaluation und Weiterentwicklung des Fragebogens vorgenommen werden. So lassen insbesondere die neu integrierten Fragen zur Pausensituation, den Mitarbeitergesprächen, den Möglichkeiten zum home-office und der Arbeitszeiterfassung spannende neue Einblicke in die Arbeitsrealität der Arbeitnehmenden in der Schweiz erwarten.
Weitere Informationen zur letztjährigen Durchführung des Barometer Gute Arbeit und die Ankündigung der Präsentation der diesjährigen Resultate hier
Die diesjährigen Ergebnisse werden an der Medienkonferenz vom 21. November in Bern präsentiert.