Das Ergebnis der Abstimmung vom 9. Februar 2014 zur Begrenzung der «Masseneinwanderung» hat in der Politik heftige Turbulenzen ausgelöst. Die Initiative erhitzt die Gemüter nach wie vor, selbst wenn es um die «Integration» und nicht um die «Begrenzung» der ausländischen Bevölkerung in der Schweiz geht. Immer neue gefährliche politische Strategien sind zu beobachten. Sie schaden nicht nur der Demokratie, sondern verschwenden auch viel Energie, die an anderen Orten investiert werden könnte… zum Beispiel für die Integration und den sozialen Zusammenhalt.
Das Parlament befasst sich im September eingehend mit dem Thema der Ausländerintegration. Im Nationalrat standen zwei Geschäfte im Vordergrund: die parlamentarische Initiative für eine erleichterte Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern der dritten Generation und das neue Integrationsgesetz. Das Hauptziel der Initiative von Ada Marra besteht in einer erleichterten Einbürgerung für ausländische Staatsangehörige, deren Eltern und Grosseltern bereits in der Schweiz lebten. Es geht dabei um integrierte Personen, die dazu beitragen könnten, das zivilgesellschaftliche Engagement der Bevölkerung zu stärken. Auch das zweite Geschäft, das neue Integrationsgesetz, betrifft ausländische Staatsangehörige, die bereits in der Schweiz leben. Travail.Suisse, die unabhängige Dachorganisation der Arbeitnehmenden, ist der Ansicht, dass die Integration von in der Schweiz lebenden Personen in beiden Fällen unterstützt werden sollte. Diese Integration wird für die Gesellschaft einen Mehrwert darstellen, sowohl auf gesellschaftlicher und politischer Ebene als auch für den Arbeitsmarkt.
Deshalb scheint es wenig plausibel, dass eine Verschärfung der Bedingungen sowohl für die Einbürgerung gut integrierter Personen als auch bei den im Integrationsgesetz verankerten Anforderungen von Vorteil für die Schweizer Bevölkerung als Ganzes sein sollen. Bei den Debatten im Nationalrat zum neuen Integrationsgesetz stand die Idee, Immigration in die Schweiz zu «verhindern» und zu «beschränken», dem Ziel der Integration im Weg. Gewisse Politikerinnen und Politiker wiesen zurecht darauf hin, dass Beschränkungen und Kontingente für die Zuwanderung im Rahmen anderer Debatten zu regeln seien, da sie andere gesetzgeberische Fragen betreffen. Travail.Suisse hat auch festgestellt, dass gewisse Widersprüche vorwiegend politisch motiviert sind und nichts mit dem Willen zu tun haben, die Integration zu fördern. Diese Spielchen haben der Logik des Integrationsgesetzes geschadet und hätten das unbedingt notwendige Gesetz sogar zu Fall bringen können. Es war deshalb wichtig, gewissen darin vorgesehenen Fortschritten trotz anderweitiger Verschärfungen zum Durchbruch zu verhelfen.
Gewisse Türen bleiben verschlossen, andere öffnen sich für die Integration
Bedauerlich findet Travail.Suisse im Rahmen des Integrationsgesetzes (sog. Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (AuIG)), dass der Vorschlag abgelehnt wurde, Arbeitgeber zur Förderung der Integration ihrer Mitarbeitenden zu verpflichten. Auch die Einführung der Möglichkeit, eine Niederlassungsbewilligung selbst nach 15 Jahren zu widerrufen, war unnötig und bedeutet, dass über den am besten integrierten Personen ständig ein Damoklesschwert schwebt. Beim Familiennachzug wurden die Bedingungen für Personen mit einer Niederlassungsbewilligung ebenfalls verschärft. Die Integration auf dem Arbeitsmarkt ist jedoch auch vom familiären Umfeld abhängig. Hier handelt es sich somit ebenfalls um einen Widerspruch. Travail.Suisse begrüsst jedoch die Massnahmen zur Aufhebung der Sondersteuer von 10% auf dem Lohn von vorläufig Aufgenommenen. Dass für vorläufig Aufgenommene und Flüchtlinge nicht mehr eine Arbeitsbewilligung eingeholt werden muss, bedeutet ebenfalls ein Fortschritt für die Integration. Diese Massnahmen erleichtern die Eingliederung in den Arbeitsmarkt, auch wenn gewisse andere Hürden bestehen bleiben.
Klar ist schliesslich, dass das Konzept einer Integration, die sich als Prozess bis zur Einbürgerung sieht, mit diesem neuen Integrationsgesetz aufgegeben wurde. Das Gleichgewicht zwischen «fördern und fordern» war schwierig zu finden, vor allem aufgrund der politischen Spannungen, die gewisse Kompromisse bedingen. Es bleibt jedoch zu hoffen, dass die zuständigen Behörden, die über einen gewissen Spielraum verfügen, in der Praxis zugunsten der integrierten Personen und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entscheiden.
Es braucht eine Kampagne!
An der Initiative von Ada Marra für eine erleichterte Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern der dritten Generation wurden ebenfalls Verschärfungen vorgenommen, das Vorankommen im Nationalrat ist jedoch eine positive Neuigkeit. Damit die Initiative dem Stimmvolk unterbreitet werden kann, gibt es noch einige Details zum Definieren. Sicher ist, dass die ausländische Person der dritten Generation in der Schweiz geboren sein muss. Ausserdem muss einer der beiden Eltern und einer der Grosseltern nachweisen, dass er/sie in der Schweiz gewohnt hat. Wenn dem Vorschlag der Mehrheit des Ständerats gefolgt wird, könnte eine solche Einbürgerung nur bis zum Alter von 25 Jahren erfolgen.
Die Initiative muss nun noch in einer Volksabstimmung gutgeheissen werden. In der Abstimmungskampagne muss es gelingen, die Öffentlichkeit von einer Verfassungsänderung zu überzeugen. Denn diese Änderung würde den Grundstein legen für eine bessere Integration, die auch eine vermehrte zivilgesellschaftliche Beteiligung fördert. Daher ist es wichtig, dass alle ihre Kräfte bündeln und für diesen notwendigen Fortschritt mobilisieren. Seit der Einreichung der Initiative 2008 hat sich der politische Kontext gewandelt. Travail.Suisse hofft, dass das Ergebnis der bevorstehenden Abstimmung der Gesellschaft die Chance bieten wird, ihre Partizipation und ihre gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Integration voranzutreiben.