Mit der Alterung der Bevölkerung und dem Vorschlag „Inländervorrang light“ zur Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative (MEI) kristallisiert sich eine zentrale Frage heraus: Wie kann die Schweiz mehr Fachkräfte mobilisieren? Um diese Frage dreht sich das Spitzentreffen Fachkräfte Schweiz, das am kommenden Montag, 12. September, in Bern stattfinden wird. Für Travail.Suisse, den unabhängigen Dachverband der Arbeitnehmenden, steht fest: Den grössten Impact haben Investitionen in die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und in die Weiterbildung von älteren Arbeitnehmenden.
Die Erwerbstätigkeit in der Schweiz ist hoch. Sie stieg Ende 2015 erstmals auf knapp über 5 Mio. Erwerbstätige. Die standardisierte Erwerbsquote (15+ Jahre) betrug damit 69.3 Prozent. Der EU-28-Durchschnitt liegt bei 57.6 Prozent und kein EU-Land hat eine höhere Erwerbsquote als die Schweiz. Will die Schweiz das inländische Arbeitskräftepotenzial erhöhen, müssen also wirksame Massnahmen getroffen werden.
Fachkräfte-Initiative darf nicht zum Marketinginstrument verkommen
Eine Fachkräfte-Initiative als Marketinginstrument reicht bei weitem nicht aus. „Zwar sind die Treffen immer hoch dotiert, aber jetzt muss Fleisch an den Knochen“, sagt Travail.Suisse-Präsident Adrian Wüthrich. „Es wurde lange genug über Potenziale und Chancen gesprochen, jetzt braucht es konkrete Massnahmen und entsprechende Investitionen“. Alleine bei den Teilzeiterwerbstätigen finden sich rund 330’000 Unterbeschäftigte, die mehr arbeiten möchten und kurzfristig verfügbar sind – vor allem Mütter mit Partnern und Kind/ern und alleinerziehende Mütter. „Rund 7 Prozent der Teilzeit-Angestellten möchten gerne mehr arbeiten“, sagt Wüthrich.
Bessere Vereinbarkeit als Hebel für mehr Fachkräfte
Dass der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine Schlüsselrolle zukommt, liegt auf der Hand. Dafür braucht es Massnahmen von Bund und Kantonen, aber auch die Bereitschaft der Unternehmen, beim Beschäftigungsgrad vor allem der Männer flexibler zu werden. Die vom Bundesrat vorgeschlagenen 100 Mio. Franken für die Anstossfinanzierung in den nächsten fünf Jahren – das macht 20 Mio. Franken pro Jahr – reichen bei weitem nicht aus für die zwingend nötigen Massnahmen: Das Angebot an familienergänzender Kinderbetreuung muss im Sinne des Service public weiter ausgebaut werden und Tagesschulen mit Betreuung während der Schulferien müssen zum Standard werden.
Ältere Arbeitnehmende können und wollen länger arbeiten
Auch ältere Arbeitnehmende und die Nachholbildung für Erwachsene ohne Abschluss auf Sekundarschulniveau II sind ein wichtiges Thema hinsichtlich der Mobilisierung von Fachkräften. „Ältere Arbeitnehmende wollen länger arbeiten, wenn dafür aber eine Umschulung oder eine längere Weiterbildung nötig ist, gibt es Probleme. Deshalb fordert Travail.Suisse von der Politik schon länger einen substanziellen Sonderkredit für die Aus- und Weiterbildung“, sagt Wüthrich. Travail.Suisse hat dem Bundesrat einen Sonder-Finanzierungskredit vorgeschlagen, wie er Ende der 90er Jahre zur Förderung des Lehrstellenangebotes („Lehrstellenbeschluss“) gesprochen wurde. Über die Arbeitslosenversicherung ist es nicht möglich, Umschulungen und Ausbildungen zu finanzieren. Deshalb muss diese Lücke mit dem Sonderkredit geschlossen werden.
Wichtige Investitionen in die Zukunft des Schweizer Arbeitsplatzes
Will die Politik ernsthaft das inländische Fachkräftepotenzial mobilisieren, so muss sie griffige Mass-nahmen beschliessen und umsetzen – der Fokus muss auf der Vereinbarkeit und auf der Qualifizierung von älteren Arbeitnehmenden liegen. Gratis wird das nicht, soviel ist klar. Doch Investitionen in beides – in die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und in die Qualifizierung von Arbeitnehmenden – sind Investitionen in die Zukunft der Schweiz und ermöglichen die politisch verordnete Drosselung der Zuwanderung. Kantone und Sozialpartner haben es am 12. September in der Hand: Entweder sie machen die Fachkräfte-Initiative zum schlagkräftigen Massnahmenpaket oder sie lassen sie definitiv zum blossen Marketinginstrument verkümmern.
Mehr Informationen :
• Adrian Wüthrich, Präsident Travail.Suisse, Mobile: 079/287’04’93
• Jacques-André Maire, Nationalrat und Vizepräsident Travail.Suisse, Tel. 078/709’48’50
• Valérie Borioli Sandoz, Leiterin Gleichstellungspolitik Travail.Suisse, Mobile : 079/598’06’37