Drei Jahre nach der Annahme der Abzockerinitiative könnte man meinen, es habe sich etwas getan bei den masslosen Vergütungen, die den Topmanagern bezahlt werden. Doch auf den ersten Blick macht sich ein ernüchterndes Gefühl breit, denn auch im vergangenen Jahr liessen sich die Führungskräfte börsennotierter Unternehmen munter haushohe Boni auf ihre Konti überweisen. Und auf den zweiten Blick?
Zwei Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften (VegüV), haben alle börsenkotierten Unternehmen per Generalversammlung (GV) 2016 ihre Statuten, Verträge und Reglemente an die rechtsverbindlichen Vorschriften der Verordnung angepasst. Die VegüV leistet einen grundlegenden Beitrag zur Änderung des Aktienrechts sowie zur Umsetzung der Abzockerinitiative. U.a. verlangen ihre Vorgaben, dass die GV getrennt über die Entschädigungen der Geschäftsleitung, des Verwaltungsrates und des Beirates abstimmt und dass Abgangsentschädigungen, so genannte goldene Fallschirme, verboten sind. Die Abzockerinitiative hat also sicher mehr Transparenz geschaffen punkto Vergütungsausweisung, auch wenn die Entschädigungen für einzelne Geschäftsleitungsmitglieder noch immer nicht ausgewiesen werden müssen. Das ist für Travail.Suisse, den unabhängigen Dachverband der Arbeitnehmenden, ein klares Defizit dieser Transparenz. Es stellt sich die Frage, was diese Transparenz bringt, wenn an den Generalversammlungen den Vergütungen weiterhin zu über 90 Prozent zugestimmt wird?
Aktionärsrechte stärken bringt offensichtlich nicht viel
Dieses Problem führt zu einer weiteren zentralen Frage: Welches Interesse haben die Aktionäre – die Eigentümer der Gesellschaft – daran, die jeweiligen Vergütungen an die Geschäftsleitung und den Verwaltungsrat als horrend zu empfinden oder gar abzulehnen? Das Anliegen der Aktionäre gilt in erster Linie dem guten Geschäftsgang des Unternehmens und ihrem eigenen Profit, den sie daraus ziehen. Unverständlich ist, dass den Aktionären zwar mehr Verantwortung zugesprochen wird, sie aber weiter die Vergütungen absegnen und durchwinken, ohne mit der Wimper zu zucken.
Seit der Annahme der Abzockerinitiative sind bei einigen der von Travail.Suisse untersuchten Unternehmen die Löhne sogar noch gestiegen. So erhielt Yves Serra, der CEO von Georg Fischer, fürs Geschäftsjahr 2015 stattliche 25 Prozent mehr Lohn als im Vorjahr. Trotzdem winkten die Aktionäre den beantragten Betrag der künftigen Gesamtvergütung von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung mit grossem Mehr durch. Lonza CEO Richard Ridinger erhielt mit fast 4 Mio. CHF ganze 58 Prozent mehr Lohn als im Vorjahr, Kuoni CEO Peter Meier mit gut 3 Mio. CHF 23 Prozent mehr (ganz zu schweigen davon, dass Kuoni exzessive Verluste einstecken musste). Clariant CEO Hariolf Kottmann erhielt 5 Prozent mehr Lohn, was einem Betrag von 5.6 Mio. CHF entspricht und ABB Chef Ulrich Spiesshofer verdiente mit über 9 Mio. CHF deutlich mehr als im Vorjahr. Bei den meisten der analysierten Unternehmen, welche die Gesamtvergütungen für die Konzernleitung und den Verwaltungsrat prospektiv – also im Voraus – festlegen, werden diese immer noch zu über 90 Prozent gutgeheissen. Darunter auch Lindt & Sprüngli, Nestlé, Novartis oder Zurich Insurance.
Einen Schritt rückwärts nach Vernehmlassungsergebnissen
Ende 2014 schickte der Bundesrat den Vorentwurf zur Änderung des Aktienrechts in die Vernehmlassung. Aufgrund der eingereichten Stellungnahmen legte er Ende 2015 Eckwerte für die Botschaft zu Handen des Parlaments fest, in welchen die Resultate aus der Vernehmlassung berücksichtigt wurden – zugunsten der Wirtschaft, wie sich zeigen sollte. U.a. sollen gemäss den Eckwerten 2015 prospektive Abstimmungen über variable Vergütungen (Boni) nach wie vor erlaubt sein, was bedeutet, dass die Höhe der Bonuszahlungen festgelegt würde, bevor überhaupt eine Bilanz über das laufende Geschäftsjahr gemacht werden kann. Es würde also dabei bleiben, dass Manager im Voraus Boni zugesprochen bekämen – unabhängig vom Geschäftsergebnis. Genau dieses Verbot wäre dringend nötig, um sicherzugehen, dass Bonifikationen adäquat zum Geschäftsgang vergeben werden (und so dem eigentlichen Zweck der Boni entsprechen).
Ein Beispiel ist die Credit Suisse: Sie sicherte ihrem neuen CEO Tidjane Thiam einen saftigen Bonus von 1.14 Mio. CHF in bar fürs Geschäftsjahr 2015 zu (Thiam war ein halbes Jahr CEO ab dem 1.7.2015. Zum Vergleich: Der ehemalige CEO Brady Dougan erhielt fürs ganze Geschäftsjahr 2014 einen Barbonus von 1.52 Mio. CHF) und setzt noch gleich einen oben drauf, indem sie ihm Aktien im Wert von 14.3 Millionen Franken als Ersatzansprüche der verfallenen aufgeschobenen Vergütung von seinem früheren Arbeitgeber gewährte (Geschäftsbericht S. 267). Dies, obwohl die CS dunkelrote Zahlen geschrieben hat. Die weiterhin erlaubten Antrittsentschädigungen empfindet Travail.Suisse als besonders störend, zumal deren Abschaffung bei der Abzockerinitiative zu den Hauptforderungen gehörte. Auch bei Kuoni sieht die Bilanz nicht viel besser aus: Der ehemalige CEO Peter Meier erhielt 2015 einen Barbonus von 654‘000 CHF (2014: 178‘000 CHF), obwohl das Unternehmen einen tieferen Nettoerlös verzeichnete als im letzten Jahr. Sein Beschäftigungsverhältnis bei Kuoni ist zwar seit November 2015 aufgelöst, aber aufgrund der zwölfmonatigen Kündigungsfrist läuft sein Vertrag erst im November 2016 aus. Für die Zeit von Januar bis November 2016, in der er nicht mehr für das Unternehmen tätig ist, erhält er einen Bonus im Wert von 438‘000 CHF.
Konsultativabstimmungen lassen viel zu grossen Spielraum
Wird an der Generalversammlung eine prospektive Abstimmung über die fixe und variable Vergütung durchgeführt, muss gemäss den festgelegten Eckwerten des Bundesrats aber zwingend konsultativ über den Vergütungsbericht des vergangenen Geschäftsjahres abgestimmt werden. Das heisst, dass die Aktionäre eine nicht bindende Stimme über den vorgelegten Vergütungsbericht abgeben – das Votum dient also lediglich zur Meinungsbildung des für die Vergütungsberichtsvorlegung zuständigen Verwaltungsrats. Auch wenn der Vergütungsbericht konsultativ abgelehnt würde, wäre dies kein zwingendes Indiz, die Löhne zu überdenken, da die Abstimmung eben einen nicht bindenden Charakter hat. Für Travail.Suisse ist klar, dass Konsultativabstimmungen unzureichend sind und demnach bindend abgestimmt werden muss.
Bei 23 der jährlich untersuchten Unternehmen werden im Rahmen der Managerlohnstudie von Travail.Suisse auch die Ergebnisse der Vergütungsabstimmungen ermittelt. Auch bei den Konsultativabstimmungen über den Vergütungsbericht ist grossmehrheitlich das fortwährende, beunruhigende Bild zu beobachten: Bspw. bei der Lonza genehmigten die Aktionäre den Vergütungsbericht mit 95.8 Prozent Ja-Stimmen, bei Novartis mit 88.4 Prozent, bei der Zurich Insurance waren es 87.6 Prozent und bei Lindt & Sprüngli 89.5 Prozent der abgegebenen Aktionärsstimmen. Die Vergütungen für die Leitung des Konzerns Georg Fischer empfanden wohl auch ein Teil der Aktionäre als übertrieben. In der Folge stellte sich prompt ein gutes Drittel der vertretenen Stimmen gegen den Vergütungsbericht über das abgeschlossene Geschäftsjahr – doch einerseits macht dies immer noch die Minderheit aus und andererseits hat diese Abstimmung einen rein konsultativen Charakter, also keine direkte Auswirkung auf die Lohnhöhe. Ob ein solches Resultat bei den Konsultativabstimmungen grundsätzlich den Druck auf den Verwaltungsrat erhöhen mag, bleibt in Frage gestellt.
Der Bundesrat verzichtet in den Eckwerten 2015 angesichts der Vernehmlassung des Weiteren auf die im Vorentwurf geforderte Einzeloffenlegung der Vergütungen der Geschäftsleitungsmitglieder. Doch genau dieses individuelle Kundtun wäre von zentraler Bedeutung, um mehr Transparenz an den Tag zu legen. Zudem lässt der Bundesrat ab von der Pflicht zur statutarischen Festlegung des Verhältnisses von fixer und variabler Vergütungen – völlig unverständlich in Anbetracht des Verbleibs der Managerlöhne auf immens hohem Niveau.
Ende 2016 verabschiedet der Bundesrat voraussichtlich eine Botschaft in Bezug auf die beschlossenen Eckwerte. Zusammenfassend muss zur Umsetzung der Abzockerinitiative gesagt werden, dass sie an ihrem Ziel vorbeigeschossen ist und dem Volkswillen keineswegs Rechnung trägt. Es ist leider Tatsache, dass die völlig übertriebenen Vergütungen der Geschäftsleitung an den Generalversammlungen nach wie vor mit einem grossen Mehr genehmigt werden.