Studierende der Universität Basel gehen mit einem guten Beispiel voran: Sie ermöglichen Geflüchteten den Zugang zu Vorlesungen. Doch für ein richtiges Studium sind die Hürden hoch.
Für Philosophie hatte sich Kamiran S. schon immer interessiert. Bevor er in die Schweiz kam, studierte er in Syrien im zweiten Semester im Rahmen eines Fernstudiums. Dann musste er sein Land wegen politischer Probleme verlassen. Seit fünf Jahren lebt der 35-Jährige mit seiner Frau und den beiden Kindern in Reinach. Er hat eine Aufenthaltsbewilligung erhalten, ist jedoch erwerbslos. Seit dem Februar besucht er an der Universität Basel ein Seminar über den griechischen Philosophen Platon. „Es ist sehr interessant und ich bin erfreut, dass ich etwa 80 Prozent verstehe“, sagt der Geflüchtete. Ausserdem lerne er dabei nette Leute kennen, was sonst in der Schweiz gar nicht so einfach sei.
Der Syrer ist einer von rund 20 Männern und Frauen, die am Programm Offener Hörsaal der Universität Basel teilnehmen. Das Angebot wurde von Studierenden der universitären Amnesty-International-Gruppe lanciert. „Wir wollen Geflüchteten mit akademischem Hintergrund einen ersten Kontakt mit unseren Hochschulen ermöglichen“, erklärt Jakob Merane vom Kernteam. Man habe mit über 30 Personen Gespräche geführt und dabei die Sprachkenntnisse sowie den Ausbildungshintergrund geprüft, sagt der Jus-Student. Bedingung ist ein gutes Niveau in mindestens einer der drei Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch.
Appell an Universitätsleitung
Die Geflüchteten kommen mehrheitlich aus Afghanistan, Syrien und Eritrea und haben allesamt bereits früher studiert oder sogar schon einen Abschluss. Alle erhalten zwei „buddies“ zur Seite gestellt, die sie mit dem Studienalltag vertraut machen. Die Teilnehmenden würden an der Hochschule kaum auffallen, sagt Merane. „Einige bringen wertvolle Erfahrungen ein, besonders in Vorlesungen wie Politikwissenschaften.“
Kreditpunkte gibt es vorerst keine, höchstens eine Bestätigung der Vorlesungsbesuche. Dies bedauert Kamiran S. „Ich würde gerne richtig studieren und Prüfungen ablegen“, sagt der Syrer. Doch bei seiner überstürzten Flucht aus dem Heimatland habe er seine Zeugnisse nicht mitnehmen können. Ähnlich geht es vielen anderen Geflüchteten, die zurzeit am Hörerprogramm teilnehmen. Ein weiteres Problem ist die längerfristige Finanzierung. Das Projekt hat von der Nachhaltigkeitsstelle der Universität Basel einen Preis in der Höhe von 5000 Franken gewonnen. Damit können für ein Semester die Gebühren von 60 Franken pro Wochenstunde gedeckt werden. Doch wenn das Geld einmal aufgebraucht ist, müssen sich die Studierenden nach neuen Lösungen umsehen. Sie sind mit Stiftungen in Kontakt, wollen aber spätestens im Sommer auch an die Universitätsleitung herantreten und um mehr Unterstützung ersuchen. „Wir möchten, dass die Universität das Programm offiziell mitträgt und dies auch kommuniziert“, sagt Merane.
Auf Fähigkeiten statt Formalitäten achten
Ein ähnliches Projekt gibt es an der Universität Genf, wo sich dieses Semester knapp 10 Geflüchtete unter die Studierenden mischen. Dass sich Hochschulen für diese Menschen mit schwierigen Bedingungen öffnen, wird auch von der Schweizerischen Rektorenkonferenz Swissuniversities unterstützt. In einer Medienmitteilung vom letzten September schreibt die Organisation etwas unverbindlich: „Die Rektoren und Rektorinnen bekräftigen ihre Absicht, im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten Flüchtlingen für den Wiederaufbau ihrer Heimat und Gesellschaft nach ihrer Rückkehr die fachlichen Kompetenzen mitzugeben.“
Deutlichere Forderungen stellt Travail.Suisse. „In dieser speziellen Situation sollte man den Menschen entgegen kommen“, findet Bruno Weber-Gobet, Leiter Bildungspolitik. Er legt den Verantwortlichen nahe, weniger auf die formalen Abschlüsse zu schauen, dafür mehr auf die vorhandenen Fähigkeiten. „Wenn Geflüchtete mit geeigneten Kompetenzen studieren dürfen, werden sie später ihr Leben eigenständig bestreiten können“, sagt Weber-Gobet. „Die Schweiz soll dieses Potenzial ausschöpfen.“