Der Bundesrat hat die Botschaft zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation (BFI) 1 für die Jahre 2017–2020 verabschiedet. Das Berufsbildungsbudget des Bundes soll in dieser Phase um 1.4% bei einer angenommen Teuerung von 0.9% steigen. Dieser Vorschlag genügt in keiner Weise. Das bundesrätliche Ziel „Die Schweiz bleibt führend in Bildung, Forschung und Innovation, und das inländische Arbeitskräftepotenzial wird besser ausgeschöpft“, wird so nicht erreicht. Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, wird sich dafür einsetzen, dass in der parlamentarischen Debatte Korrekturen vorgenommen werden.
Berufsbildung ist wichtig. Das wird immer wieder betont. Aber die Finanzen folgen dieser Einsicht nicht. Der Spardruck ist anscheinend grösser als die Weiterentwicklung der Berufsbildung. Aus Sicht von Travail.Suisse werden grundlegend falsche Prioritäten gesetzt, welche die Schweiz teuer zu stehen kommen wird. Oder glaubt irgendjemand wirklich, mit einem solchen Budget könne das inländische Arbeitskräftepotential besser ausgeschöpft werden?
Finanzielle Folgen des Budgets
Die Folgen dieser Politik liegen auf der Hand: Die Kantone werden vom Bund aufgrund dieses Budgets weniger Geld erhalten. Wählt man das Jahr 2016 als Vergleichspunkt, so werden die Kantone in den Jahren 2017 bis 2020 rund 240 Millionen weniger erhalten. Davon sind 150 Millionen abzuziehen, weil neu die Finanzierung der Vorbereitungskurse über den Bund und nicht mehr über die Kantone laufen. Die restlichen 90 Millionen haben die Kantone aufzubringen. Das ist zwar keine enorme Summe, aber sie macht auf etwas aufmerksam: Der finanzielle Spielraum in den Kantonen wird verkleinert, und zwar vor allem für die Bereiche, die für die Ausschöpfung des inländischen Arbeitskräftepotentials wichtig sind (berufsorientierte Weiterbildung, Wiedereinstieg, Nachholbildung, Laufbahnberatung, innovative Projekte etc.). Wird diese Situation noch überlagert durch kantonale Sparmassnahmen – was zu befürchten ist -, so erfahrt die Berufsbildung einen Stillstand oder in gewissen Bereichen sogar einen Abwärtstrend. Das muss aus Sicht von Travail.Suisse unbedingt verhindert werden. Doch was ist dagegen zu unternehmen?
Massnahmen gegen den Abwärtstrend
Grundsätzlich sind sowohl Bund als auch Kantone aufgefordert, angesichts der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen (Ausschöpfung Arbeitskräftepotential, demografische Entwicklungen, technologische Anpassungen, Flüchtlinge) dem Berufsbildungsbereich genügend finanziellen Spielraum zuzuspielen, damit auf die gestellten Herausforderungen geantwortet werden kann. Da es bei der BFI-Botschaft um eine Bundesvorlage geht, können hier nur Vorschläge für das Bundesbudget gegeben werden.
Die freiwerdenden Mittel aus Art. 54 und 55 sind vollständig der Finanzierung der Vorbereitungskurse zur Verfügung zu stellen: Mit der BFI-Botschaft ist auch eine Gesetzesänderung 2 geplant. Neu sollen nicht mehr 10%, sondern höchstens 10% für Projekte und besondere Leistungen zugunsten der Berufsbildung zur Verfügung stehen. Diese Entscheidung führt zu frei werdenden Geldern in der Grössenordnung von 170 Millionen Franken. Diese sollen voll und ganz der Finanzierung der Vorbereitungskurse zur Verfügung gestellt werden. Das würde dazu führen, dass die Kantone nicht mehr 90 Millionen Franken weniger vom Bund erhalten, sondern nur noch rund 30 Millionen.
Erhöhung des Richtwertes für den Bundesanteil: Bund und Kantone teilen sich die Kosten der Berufsbildung. Bei den in der öffentlichen Hand anfallenden Kosten für die Berufsbildung übernehmen die Kantone im Grundsatz 75% und der Bund 25%. Diese Prozentzahlen sind Richtwerte, wie der Bundesrat selber erwähnt 3 . Sie können unterschritten, aber auch unter besonderen Bedingungen auch erhöht werden. Angesichts der Tatsache, dass der Bund in den ersten acht Jahren des neuen Berufsbildungsgesetzes die 25% nie erreicht hat und auch gesprochene Gelder für die Art. 54 und 55 BBG zum Teil beim Bund verblieben und nicht zur Berufsbildung flossen 4 , könnte auch der Bundesanteil angesichts der Herausforderungen der kommenden vier Jahren auf 26.5 Prozent erhöht werden. Dies würde rund 50 Millionen Franken pro Jahr mehr bedeuten für die Berufsbildung und würde der Berufsbildung einen Schub verleihen gegen den gegenwärtig zu befürchtenden Abwärtstrend
Sonderprogramm für das Ausschöpfen des Arbeitskräftepotentials: Eine dritte Möglichkeit besteht darin, in der BFI-Botschaft ein Sonderprogramm für das Ausschöpfen des Arbeitskräftepotentials zu integrieren. Bei den Hochschulen läuft ein 100-Millionen-Programm für die Medizinerausbildung 5 . Dies ist selbstverständlich zu begrüssen. Aber es wäre ebenso zu begrüssen, wenn die Anstrengungen im Zusammenhang mit dem Ausschöpfen des Arbeitskräftepotentials mit einem ähnlichen finanziellen Engagement unterstützt würden. Geredet wurde diesbezüglich lange genug.
Schlussbemerkung
Für Travail.Suisse ist es wichtig, dass die Berufsbildung nicht in eine Finanzierungsfalle gerät, indem ihr finanzieller Handlungsspielraum zu stark eingeschränkt wird. Mit der gegenwärtigen Finanzierungsvorlage ist die Gefahr gross, dass wichtige Herausforderungen nicht angepackt werden oder angepackt werden können. Das Parlament muss den zu befürchtenden Stillstand und Abwärtstrend stoppen. Nur so können auch die in der BFI-Botschaft ausformulierten Ziele erreicht werden.
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p(footnote). 1BFI-Botschaft: https://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msg-id=60764
2 Bundesbeschluss über die Finanzierung der Berufsbildung in den Jahren 2017–2020 (Entwurf): Als Richtgrösse für die Kostenbeteiligung des Bundes gilt ein Viertel der Aufwendungen der öffentlichen Hand für die Berufsbildung nach diesem Gesetz. Davon entrichtet der Bund höchstens 10 Prozent als Beitrag nach den Artikeln 54 und 55 an Projekte und Leistungen.
3BFI-Botschaft, S. 5.
4BFI-Botschaft, S. 54.
5BFI-Botschaft, S. 72.