Seit der Einführung der Legal-Quote-Regelung sind fast 5 Milliarden Franken aus der beruflichen Vorsorge an die Lebensversicherer abgeflossen. Auch 2014 war ein sehr gutes Jahr für die Lebensversicherer. Sie erwirtschafteten mit der 2. Säule 686 Millionen Franken Gewinn. Die hohen Gewinne gehen auf Kosten der Arbeitnehmenden, welche zu hohe Prämien bezahlen und nur ungenügend an den Überschüssen beteiligt werden. Das ist für eine Sozialversicherung inakzeptabel. Zehn Jahre nach Einführung der Mindestquote ist klar: Die heutige Regelung zur Gewinnbegrenzung in der beruflichen Vorsorge ist gescheitert.
Wenn es nicht so störend wäre, wäre es fast schon langweilig: Seit Jahren analysiert Travail.Suisse die Geschäfte der Lebensversicherer mit der beruflichen Vorsorge und jedes Jahr müssen wir das gleiche feststellen. Differenziertere Excel-Tabellen der Finma bei der Berichterstattung haben leider nichts daran geändert, dass sich die Versicherer grosszügig an der Altersvorsorge bedienen. Mit den 686 Millionen Franken von 2014 sind in den letzten zehn Jahren fast 5 Milliarden Franken in die Taschen der Versicherungskonzerne und ihrer Aktionäre und Manager geflossen. Ein Grossteil davon ungerechtfertigt. Leidtragende sind die versicherten Arbeitnehmenden, welche über ihren Arbeitgeber einer Sammelstiftung einer Lebensversicherungsgesellschaft angeschlossen sind. Für sie sind es verlorene Milliarden, welche nicht zur Sicherung der Renten zur Verfügung stehen.
Berufliche Vorsorge als Milchkuh für die Versicherer
Trotz Klageliedern der Versicherer muss klar festgehalten werden, dass die berufliche Vorsorge für sie ein hochinteressantes Geschäft ist. Während das Einzellebensgeschäft bröckelt, stellt sich die berufliche Vorsorge geradezu als Milchkuh dar: Von den 1.1 Milliarden Franken Gewinn, welche die Lebensversicherer 2014 machten, stammen mit den 686 Millionen Franken aus der beruflichen Vorsorge fast zwei Drittel aus einer Sozialversicherung. Überschüsse schrieben die Lebensversicherer letztes Jahr sowohl im „Sparprozess“ als auch im „Risikoprozess“ 1. Da die Versicherer nicht nur in Staatsobligationen, sondern auch in gut rentable Immobilien und Unternehmensanleihen investieren, erzielten sie trotz Tiefzinsumfeld eine gute Rendite. Damit konnte weit mehr als nur den gesetzlichen Verpflichtungen wie der Verzinsung des Alterskapitals mit dem Mindestzins (2014: 1.75 Prozent) nachgekommen werden. Es konnten auch die Gewinne gesteigert und grosszügige Rückstellungen angelegt werden. Seit 2009 haben die Versicherungskonzerne ihre Rückstellungen um über 7.5 Milliarden Franken verstärkt. Damit sank für die Versicherer ihr unternehmerisches Risiko, für Leistungen der beruflichen Vorsorge mit dem Kapital der Aktionäre gerade stehen zu müssen. Dadurch reduziert sich aus Sicht von Travail.Suisse aber auch die Notwendigkeit der Gewinne, die ja von den Lebensversicherern als Entschädigung für das eingegangene unternehmerische Risiko bezeichnet werden.
Versicherte zu wenig vor Missbrauch geschützt
Wir befinden uns wie gesagt in einer Sozialversicherung, welche für die Arbeitnehmenden obligatorisch ist. Zweck der beruflichen Vorsorge ist die Altersvorsorge und die Absicherung gegen Invalidität und Todesfälle und nicht das Erwirtschaften von Gewinnen. Mit der Einführung der Mindestquote (Legal Quote) sollte deshalb sichergestellt werden, dass der Hauptharst der Gewinne an die Versicherten zurückfliesst. Das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) legt deshalb fest, dass mindestens 90 Prozent der „Überschüsse“ aus dem Geschäft der 2. Säule den versicherten Arbeitnehmenden zugutekommen sollen. Maximal 10 Prozent der Überschüsse sollen von den Versicherungsgesellschaften als Gewinn einbehalten werden können. Der Begriff „Überschuss“ wurde jedoch gesetzlich nicht klar definiert. Gemeint war der Gewinn, also „Ertrag minus Aufwand“. In der Verordnung, welche die Basis der Berechnung der Mindestquote bildet, wurde der Begriff „Überschuss“ jedoch unter dem Einfluss der Versicherungsindustrie mit den gesamten Erträgen gleichgesetzt. Aus der Gewinnbeteiligung ist eine Ertragsbeteiligung geworden („Bruttomethode“). Jährlich resultieren so zwei- bis dreimal so hohe Gewinne wie ursprünglich vom Parlament vorgesehen. Seit 2005 sind damit mehr als 3.5 Milliarden Franken mehr an die Lebensversicherer geflossen als vorgesehen 2. Die Versicherten werden nicht geschützt. Travail.Suisse fordert deshalb in der Altersreform eine Erhöhung der Legal Quote, so dass mindestens 95 Prozent des Ertrages den Versicherten zustehen. Es soll mehr Geld für die Renten und weniger Geld für die Gewinne der Versicherer zur Verfügung stehen.
Es braucht eine drastische Senkung der Risikoprämien
Selbst eine erhöhte Legal Quote ist für Travail.Suisse jedoch nur akzeptabel, wenn die Versicherer die Erträge nicht mit überhöhten Risikoprämien in die Höhe treiben können. Im Normallfall müssten die eingenommenen Prämien im Mehrjahresdurchschnitt ungefähr den Aufwendungen für die Renten/Abfindungen bei Tod und Invalidität entsprechen. Die Prämien für Todesfall- und Invaliditätsleistungen waren jedoch über die letzten zehn Jahre hinweg durchwegs fast doppelt so hoch wie die effektiv ausbezahlten Leistungen. Auch wenn man die notwendigen Rückstellungen einbezieht, ändert sich nichts am Bild: Nur gut die Hälfte des Geldes, welches zum Zweck der Invaliditäts- und Todesfallleistungen eingenommen oder zurückgestellt worden ist, ist auch zu diesem Zweck ausgegeben worden! Damit dienen die Risikoprämien als stabile Gewinnquelle ohne unternehmerisches Risiko. In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Neurentnerinnen und Neurentner bei der Invalidenversicherung drastisch zurückgegangen, trotzdem haben die Versicherer ungehemmt hohe Prämien einkassiert, wie wenn nichts geschehen wäre. Dass die Finma diese Praxis mit fadenscheinigen Begründungen deckt, ist inakzeptabel.
Altersreform 2020 muss heutige Praxis unterbinden
Die Verteilungsfrage muss neu gestellt werden: Wem sollen die Überschüsse zugutekommen? Den Arbeitnehmenden, ist für Travail.Suisse klar. Die heutige Praxis mit überhöhten Risikoprämien und mit einer hohen Ertragsbeteiligung der Versicherer frisst nicht nur Mittel, die für die Rentenzahlungen benötigt würden, sondern ist auch aus Gründen der Systemsicherheit falsch: Das Argument, die Systemsicherheit – sprich möglichst solvente Versicherungsgesellschaften – würde mit einer möglichst tiefen Mindestquote erhöht, ist falsch. Wer mehr Sicherheit will, muss die Mindestquote erhöhen: So besteht ein höherer Anreiz, notwendige Rückstellungen zu tätigen, anstatt noch mehr Gelder an die Aktionäre auszuschütten. Die Rückstellungen werden nämlich zum Anteil der Mindestquote gezählt, welcher den Versicherten zugutekommt. Damit kann die Sicherheit sowohl für die Versicherer als auch für die Versicherten erhöht werden. Die Versicherer sollen durch gute und zuverlässige Dienstleistungen Geld in der beruflichen Vorsorge verdienen, nicht jedoch wegen laschen gesetzlichen Regelungen und überhöhten Prämien. Es ist nun am Nationalrat, für einen besseren Schutz der Versicherten zu sorgen, wenn die Reform der Altersvorsorge 2020 nicht gefährdet werden soll.