Angesichts der skandalösen Lohnungleichheit, die nicht abnimmt, haben Tausende von Menschen am Samstag, 7. März, ihren Überdruss auf dem Bundesplatz kundgetan. Travail.Suisse, syna, transfair und Jeunesse.Suisse waren dabei. Ihre Botschaft war klar: Die Politik muss jetzt Massnahmen ergreifen, damit das Verfassungsprinzip der Lohngleichheit zwischen Frau und Mann endlich beachtet wird. Massnahmen sind umso notwendiger, als derzeit gewisse Kreise der Ansicht sind, dass man sich aufgrund der konjunkturellen Lage über ein in der Bundesverfassung verankertes Recht hinwegsetzen kann.
Vor einigen Tagen sind Tausende von Menschen in Bern aufmarschiert, um angesichts der skandalösen Lohnungleichheit und Diskriminierung, unter der die Frauen in der Schweiz zu leiden haben, ihren Überdruss kundzutun. Dieses Problem besteht seit Jahrzehnten, und es zeichnet sich trotz Absichtserklärungen, trotz des sehr liberalen Laisser-faire und trotz eines auf Freiwilligkeit und Sozialpartnerschaft beruhenden «Lohngleichheitsdialogs» 1 keine Verbesserung ab. All das hat überhaupt keine konkreten Veränderungen gebracht, denn die Lohnungleichheit hat sich 2012 nach einigen bescheidenen Verbesserungen in den Vorjahren um ein halbes Prozent verstärkt 2 .
Schon beim Eintritt ins Erwerbsleben
In der Privatwirtschaft verdienen Frauen heute durchschnittlich 18.9% weniger als ihre männlichen Kollegen 3 : Ein Teil dieses Unterschieds lässt sich nicht anders als mit dem Geschlecht erklären. Dabei geht es nicht um «Peanuts»: Wir reden hier von 677 Franken, die den Frauen und ihren Familien jeden Monat fehlen. Jedes Jahr macht die Lohndiskriminierung aufgrund des Geschlechts 7,7 Milliarden Franken aus: ein gewaltiges «Geschenk», das die Frauen dieses Landes der Wirtschaft jedes Jahr machen. Und sie bezahlen noch einmal dafür, wenn der Zeitpunkt des Ruhestandes gekommen ist: Die Altersrenten der Frauen sind natürlich tiefer als jene der Männer.
Die Lohnungleichheit beginnt schon mit der ersten Stelle, unmittelbar nach der Ausbildung. Junge Frauen verdienen bei gleicher Ausbildung, Erfahrung, Verantwortung und Funktion durchschnittlich 7% weniger als ihre männlichen Kollegen. Zudem verstärken sich die Ungleichheiten im Laufe des Erwerbslebens noch, denn die Löhne der Männer steigen rascher als jene der Frauen. Das hat ein Projekt im Rahmen des NFP60 «Gleichstellung der Geschlechter» 4 gezeigt. Die Frage der Lohnungleichheit betrifft auch junge Menschen; es handelt sich somit nicht um einen Kampf der Ewiggestrigen. Deshalb hat Jeunesse.Suisse Wert darauf gelegt, aktiv an der Kundgebung vom 7. März teilzunehmen.
Die skandalöse Lohndiskriminierung dauert schon viel zu lange. Die Frauen und Männer dieses Landes haben genug davon und haben das den zur Frühlingssession im Bundeshaus versammelten Parlamentarierinnen und Parlamentariern klar gesagt. Das Gleichstellungsgesetz, das vor bald zwanzig Jahren in Kraft getreten ist, muss unbedingt verstärkt werden. Es sind automatische Lohnkontrollmechanismen einzuführen, ähnlich dem, was andere Gesetze zur Arbeit vorsehen. Die Unternehmen müssen verpflichtet werden, die Löhne regelmässig unter dem Blickwinkel der Gleichstellung von Mann und Frau zu analysieren. Die Behörden müssen die Lage kontrollieren können, indem sie jedes Jahr umfassende Umfragen durchführen. Es ist bekannt, dass diese eine präventive Wirkung haben. Gegen Zuwiderhandelnde müssen Sanktionen und Bussen verhängt werden können. Das ist die Botschaft, die Travail.Suisse und ihre Verbände am 7. März an die Parlamentarierinnen und Parlamentarier gerichtet haben. Nur ein effizientes Massnahmenpaket ist in der Lage, die Lohndiskriminierung zu beseitigen. Es fängt mit der Transparenz an: Eine obligatorische Selbstkontrolle ermöglicht den Unternehmen, sich des Phänomens bewusst zu werden, das immer noch unterschätzt oder ganz einfach ignoriert wird.
Konjunktur und Verfassungsprinzipien
Travail.Suisse hat auch das Lohngleichheitsmanifest 5 unterzeichnet, zusammen mit 48 Frauenorganisationen und Tausenden von Einzelpersonen. Das Manifest ist eine Antwort auf den Versuch der konservativen Rechten, eine Art Moratorium im Kampf gegen die Lohnungleichheit durchzudrücken. Angesichts der schwierigen (aber vorhersehbaren) Wirtschaftslage aufgrund des starken Frankens verlangen gewisse verantwortungslose Personen noch mehr Deregulierung zugunsten der Unternehmen. Sie fordern, dass alle Initiativen gegen die Lohnungleichheit und für eine minimale Vertretung der Frauen in den Verwaltungsräten börsenkotierter Unternehmen in der Schublade gelassen werden. Was würde man sagen, wenn das Parlament analog dazu aus wirtschaftlichen Gründen das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf Zugang zur Justiz beschneiden wollte? Oder wenn es die Volksabstimmungen abschaffen wollte, weil sie zu viel kosten? Undenkbar? Doch genau davon träumen die Befürworter eines solchen Deregulierungsprogramms, das einen Angriff auf die Gleichstellung bedeutet. Die Gleichstellung ist jedoch ein Prinzip, das gleichermassen in der Bundesverfassung verankert ist wie das Recht auf Justiz oder die politischen Rechte. Zweifellos würden Hunderttausende von Menschen auf die Strasse gehen, um zu demonstrieren und die Achtung der verfassungsmässigen Rechte zu fordern!
Ein verfassungsmässiges Recht darf nicht von der Konjunktur abhängen. Ein verfassungsmässiges Recht muss für alle gewährleistet sein, und zwar unabhängig von der Wirtschaftslage, in der sich das Land gerade befindet.
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p(footnote). 1 http://www.lohngleichheitsdialog.ch/ oder www.elep.ch
2 Hinweis: Die Diskriminierungsrate 2014 ist noch nicht bekannt.
3 Gemäss Berechnungen der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung des BFS 2012 http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/20/05/blank/key/loeh…
4 http://www.pnr60.ch/D/projekte/bildung_karriere/berufseinstieg_lohndisk…
5 http://lohngleichheitsmanifest.ch/