Am kommenden Mittwoch, 15. April, berät die Sozialkommission des Nationalrates die parlamentarische Initiative Candinas „Zwei Wochen über EO bezahlten Vaterschaftsurlaub“. Travail.Suisse ist der Meinung, dass es höchste Zeit ist, den längst fälligen Schritt zu tun und den frischen Vätern die Zeit zuzugestehen, die sie brauchen, um in der Familie von Anfang an Verantwortung zu übernehmen. Die neuesten Zahlen des Finanzhaushalts der Erwerbsersatzordnung EO zeigen: Ein Vaterschaftsurlaub ist finanzierbar und damit eine unerlässliche Investition in tragfähige Familienbeziehungen.
Heute wird die Vaterschaft vom Gesetz gleich behandelt wie ein Wohnungsumzug: Im Rahmen der „üblichen freien Tage“ wird dem frischgebackenen Vater eine Kurzabsenz von einem oder zwei Tagen gewährt. Das ist längst nicht mehr zeitgemäss. Heutige Väter wollen Verantwortung übernehmen und sich von Anfang an ins Familienleben einbringen. Das wird von ihnen auch erwartet – denn schliesslich hat man sich meist zu zweit für eine Familie entschieden. Die erste Zeit nach der Geburt ist anforderungsreich. Sie ist entscheidend, um eine gute Bindung zum Kind aufzubauen. Zudem sind nicht selten ältere Geschwister des Neugeborenen zu betreuen. Travail.Suisse macht sich deshalb seit langem für einen Vaterschaftsurlaub stark. Der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden fordert einen über die Erwerbsersatzordnung EO bezahlten Vaterschaftsurlaub von 20 Arbeitstagen.
Neue Chance für das Parlament
Bis jetzt hat sich das Parlament geweigert, auf die Erfordernisse der Zeit einzutreten. Allerdings weist die Tendenz zu mehr Zustimmung daraufhin, dass mit neuen Generationen im Parlament etwas in Bewegung geraten ist. Auch in der Arbeitswelt haben sich verschiedene Unternehmen dem Bedürfnis nicht mehr entziehen können und von sich aus einen Vaterschaftsurlaub eingeführt. 1 Allerdings bieten fast ausschliesslich grössere Unternehmen einen Vaterschaftsurlaub an. Nächsten Mittwoch bietet sich nun der Sozialkommission des Nationalrats die Gelegenheit, einen ersten, wenn auch bescheidenen Schritt zu tun. Der Bündner Nationalrat und Vater, Martin Candinas, schlägt in seiner parlamentarischen Initiative einen zweiwöchigen, über die EO bezahlten Vaterschaftsurlaub für alle vor. Das ist bei weitem noch nicht alles, was eine griffige Familienpolitik braucht, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es ist – im Gegensatz zu den Diskussionen über die Elternzeit – vor allem ein erster konkreter Schritt. Travail.Suisse unterstützt deshalb die parlamentarische Initiative.
Die Kosten sind überschaubar
Natürlich stellt sich die Frage, was die Annahme der parlamentarischen Initiative Candinas kosten würde. Da sich das freudige Ereignis der Geburt eines eigenen Kindes für die meisten Männer nur ein-, zwei- oder dreimal ereignet, sind die Kosten überschaubar. Der Bundesrat veranschlagt in seinem Bericht von 2013 die Kosten für einen vierwöchigen Vaterschaftsurlaub (28 Taggelder) auf rund 380 Mio. Franken 2 . Dementsprechend würden bei Annahme der parlamentarischen Initiative Candinas max. rund 190 Mio. Franken in die Vater-Kind-Beziehung investiert. Das entspricht gut 0.05 Prozent der Lohnsumme in der Schweiz. Dass der Vaterschaftsurlaub wie der Mutterschaftsurlaub über die EO entschädigt werden soll, ist folgerichtig. Es zeigt sich, dass die EO diese zusätzliche Leistung gut verkraftet.
EO macht Überschüsse
Ende März wurden die neuesten Zahlen zur EO präsentiert. Die EO machte vergangenes Jahr einen Überschuss von 170 Millionen Franken und konnte ihre Reserven auf die Hälfte einer Jahresausgabe ausbauen 3 . Das Vermögen stieg auf knapp eine Milliarde Franken. Die Entschädigungen bei Mutterschaft machen rund 45 Prozent der Ausgaben aus, die Entschädigungen im Dienst rund 55 Prozent, Tendenz rückläufig. Die Überschüsse bewegen sich in der Grössenordnung der Kosten eines zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs. Damit ist die EO stabil unterwegs. Noch wichtiger ist der Blick nach vorne, auf die langfristigen finanziellen Perspektiven der EO. Der Bundesrat geht auch hier von einer positiven Entwicklung aus:
Keine Auswirkungen auf Lohnbeiträge
Der Bundesrat geht bis 2035 von steigenden Umlageergebnissen (Ergebnis ohne Vermögensanlagen) aus. Dadurch nimmt auch das voraussichtliche Vermögen der EO deutlich zu. Grund dafür ist die rückläufige Entwicklung bei den Militärdiensttagen, welche über die EO abgerechnet werden. So ist die Anzahl der EO-Bezüger/innen der Armee von rund 175‘000 (2008) innert sechs Jahren auf rund 138‘000 Bezüger/innen (2013) gesunken. Diese Zahlen zeigen: Es wird aller Voraussicht nach keine Erhöhung der Lohnbeiträge notwendig sein. Bereits 2020 dürfte bei gleichbleibenden Beiträgen der Überschuss der EO klar höher sein als die voraussichtlichen Kosten eines zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs. Und zum Zeitpunkt der Einführung wird die EO noch Reserven haben. Voraussetzung ist allerdings, dass der heute befristete Beitragssatz von 0.5 Lohnprozenten wie bisher weiter geführt wird.
Den überschaubaren Investitionen steht auf der Gegenseite ein vielfältiger Nutzen gegenüber:
Nutzen für die Familien: Eine Mehrheit der Väter und Mütter ist heute der Ansicht, dass die Präsenz der Väter nach der Geburt eines Kindes unerlässlich ist für einen guten Start in das Familienleben. Es braucht deshalb für beide Elternteile eine Auszeit vom Erwerbsleben. Die Väter selber wollen ihre Verantwortung wahrnehmen und sehen in einem Vaterschaftsurlaub einen wesentlichen Bestandteil einer zeitgemässen Familienpolitik. Ein bezahlter Vaterschaftsurlaub stellt eine Anerkennung ihres Engagements dar.
Nutzen für die Betriebe, insbesondere KMU: Heute liegt es im Ermessen der Arbeitgeber, ob sie ihren Angestellten einen Vaterschaftsurlaub gewähren. Grössere Betriebe können hier auf Grund ihrer Möglichkeiten grosszügiger sein. Sie gewähren heute zum Teil schon 10 Tage bis 20 Tage Vaterschaftsurlaub auf Kosten des Arbeitgebers. Mit einer Lösung über die Sozialversicherung EO finanzieren alle Erwerbstätigen und Arbeitgeber solidarisch den Vaterschaftsurlaub, so dass dieser auch für KMU-Betriebe und ihre Angestellten möglich wird.
Gesellschaftlicher Nutzen: Wenn Väter sich ab der Geburt in der Familienarbeit engagieren können, trägt dies viel zu stabilen und tragfähigen Familienbeziehungen bei. Spüren die Mütter zudem vom ersten Tag an die Entlastung durch ihre Partner, sind sie eher bereit, nach der ersten Babyphase wieder in das Erwerbsleben einzusteigen. Damit trägt ein Vaterschaftsurlaub gleichzeitig zur Gleichstellung von Mann und Frau in der Familie wie auch zu einer volkswirtschaftlich sinnvollen Beteiligung der Mütter an der Erwerbsarbeit bei (Stichwort Fachkräftemangel).
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p(footnote). 1 Einige Beispiele: Zürcher Kantonalbank, UBS, Bank Coop, Swisscom, Procter & Gamble, Helsana, IKEA, Mc Donalds, Swiss Re, SRG (alle 10 Tage), Mobiliar, Migros, Raiffeisen (alle 15 Tage), Clariant (16 Tage), Mobility (20 Tage). Eigene Zusammenstellung auf Basis des Berichts des Bundesrates vom 30. Oktober 2013 „ Vaterschaftsurlaub und Elternurlaub, Auslegeordnung und Präsentation unterschiedlicher Modelle“, S. 87 und 88; Zusammenstellung von Travail.Suisse vom Mai 2014: http://www.travailsuisse.ch/themen/gleichstellung/mutterschaft_und_vate…
2 Bericht des Bundesrates vom 30.10.2013 „Vaterschaftsurlaub und Elternurlaub, Auslegeordnung und Präsentation unterschiedlicher Modelle“, S. 66.
3 Medienmitteilung compenswiss vom 26. März 2015.