Dass ganze 23 Kantone das neue Bundesgesetz zur Teilharmonisierung der Ladenöffnungszeiten (LadÖG) in der Vernehmlassung ablehnen, scheint die Mitglieder des Ständerats nicht zu beeindrucken. Damit unterstützen sie die Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten auf Bundesebene und werden zu Türöffnern für die Interessen der grossen Detailhandelsketten. Sie stellen sich auch gegen die Interessen ihrer Kantonsregierungen und nehmen in Kauf, dass demokratische Abstimmungsentscheide der Bevölkerung ihrer Kantone (und damit ihrer Wählerschaft!) umgestürzt werden. Die Folgen wären gravierend: Es verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen von rund 200‘000 Arbeitnehmenden im Detailhandel.
Mit der Botschaft zum Bundesgesetz über die Ladenöffnungszeiten (LadÖG) präsentiert die Bundesverwaltung ein Gesetz, das die Ladenöffnungszeiten auf Bundesebene regeln soll und so die bisherigen kantonalen Regelungen der Ladenöffnungszeiten teilweise übersteuert. Unter dem Deckmantel der „Harmonisierung“ setzt das LadÖG die überwiesene Motion Lombardi (12.3637) um und schreibt damit den Kantonen Ladenöffnungszeiten vor, die unter der Woche bis 20 Uhr und an Samstagen bis 19 Uhr reichen. Weiterreichende Ladenöffnungszeiten bleiben den Kantonen weiterhin möglich. Zurzeit befindet sich das Geschäft in der ständerätlichen Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK-S); möglicherweise bereits in der Frühlingssession wird das Geschäft im Ständerat behandelt.
Kantone sind gegen das neue Bundesgesetz
Gemäss heutiger Regelung werden die Ladenöffnungszeiten auf kantonaler Ebene festgelegt. In einzelnen Kantonen liegt die Kompetenz gar auf Gemeindeebene. So kann den lokalen Verhältnissen und Bedürfnissen am besten Rechnung getragen werden. Das geplante LadÖG verschiebt die Kompetenz zur Festlegung der Ladenöffnungszeiten teilweise auf Bundesebene und hat damit sehr weitreichende Auswirkungen. Für die grosse Mehrheit der Kantone hätte das Bundesgesetz eine Anpassung der kantonalen Ladenöffnungsregelungen zur Folge, was in 17 Kantonen zu einer faktischen Verlängerung der Ladenöffnungszeiten führt (vgl. Grafik 1).
Grafik 1: Auswirkung des LadÖG auf die Kantone(rot=Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten)
Die Kantone haben sich im Vernehmlassungsverfahren denn auch sehr kritisch gegenüber dem neuen Bundesgesetz über die Ladenöffnungszeiten geäussert: Ganze 23 Kantone lehnen das neue Bundesgesetz ab und lediglich ein Kanton äusserte sich zustimmend zur neuen Regelung . Es ist für Travail.Suisse unverständlich, wie sich Ständerätinnen und Ständeräte gegen die Interessen ihrer Kantone, aber für ein Bundesgesetz über die Ladenöffnungszeiten einsetzen können.
Allein neun kantonale Abstimmungen in den letzten sechs Jahren
Die Frage der Ladenöffnungszeiten ist ein Dauerbrenner in der politischen Landschaft der Schweiz. Allein seit 2009 gab es auf kantonaler Ebene neun Abstimmungen über eine Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten (vgl. Grafik 2).
Grafik 2: Kantonale Abstimmungen zu einer Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten
In acht von neun Fällen hat die Bevölkerung den Liberalisierern einen Strich durch die Rechnung gemacht und längere Ladenöffnungszeiten verhindert. Bemerkenswert ist die Abstimmung im Kanton Luzern von 2012, wo selbst die Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten an Samstagen um eine Stunde von 16 Uhr auf 17 Uhr vom Stimmvolk abgelehnt wurde. Einzige Ausnahme in den kantonalen Abstimmungen ist der Kanton Neuenburg. Dort wurde im dritten Anlauf eine moderate Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten gutgeheissen, allerdings nur, weil die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Detailhandel gleichzeitig mit einem neuen Gesamtarbeitsvertrag besser geschützt wurden. Es ist für Travail.Suisse unverständlich, wie sich Ständerätinnen und Ständeräte solchen Fakten verschliessen können und ein Bundesgesetz über die Ladenöffnungszeiten unterstützen, das die demokratisch legitimierten Entscheide von mehreren Kantonsbevölkerungen umstürzt.
Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für 200‘000 Arbeitnehmende
Im Detailhandel herrschen prekäre Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmenden. Neben tiefen Löhnen stellen insbesondere die Arbeitszeiten eine starke Belastung für die Beschäftigten dar. Lange Arbeitstage, gestückelte Dienste und kurzfristige Arbeitseinsätze gehören zur Tagesordnung und erschweren die Vereinbarkeit von Beruf, Freizeit und Familie. Es existieren zwar einzelne Gesamtarbeitsverträge auf Betriebsebene, allerdings fehlt ein Rahmen-Gesamtarbeitsvertrag für den ganzen Detailhandel und somit koordinierende Regelungen über branchenweite Mindestlöhne und Höchstarbeitszeiten.
Tritt das Gesetz wie in der Botschaft vorgesehen in Kraft, so bedeutet das eine Änderung mit sehr grosser Reichweite: In 14 Kantonen müssten die Ladenöffnungszeiten sowohl an den Werktagen wie auch an Samstagen verlängert werden; in 3 Kantonen wären die Öffnungszeiten an Samstagen betroffen. Von den gesamthaft über 320‘000 Arbeitnehmenden im Detailhandel sind mehr als 200‘000 von einer Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen betroffen.
Die Arbeitnehmenden im Detailhandel lehnen eine Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten klar ab. In einer Umfrage von 2013 lehnt über 90% der Beschäftigten im Detailhandel eine Verlängerung der Ladenöffnungszeiten ab (vgl. Grafik 3).
Grafik 3: Sollen die Ladenöffnungszeiten verlängert werden? Umfrage bei den Angestellten des Detailhandels.
Quelle: Umfrage SYNA, 2013.
Auch Travail.Suisse lehnt eine Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten in aller Deutlichkeit ab und fordert den Ständerat auf, seiner Verantwortung als Vertreter der Kantone und der kantonalen Bevölkerung nachzukommen, die Interessen und Bedürfnisse der Arbeitnehmenden im Detailhandel zu berücksichtigen und das Bundesgesetz über die Ladenöffnungszeiten abzulehnen.