In der kommenden Session wird das Parlament wiederum viele Geschäfte beraten, die für die Arbeitnehmenden von zentraler Bedeutung sind. Die Haltung von Travail.Suisse, dem unabhängigen Dachverband der Arbeitnehmenden, zu ausgewählten Geschäften ist im Folgenden kurz zusammengefasst.
Wirtschaftspolitik und Arbeitsmarktpolitik
Nationalrat – Motion RK-NR. Fonds zur gerechten Entschädigung von Asbestopfern (14.3664): Diese Motion verlangt die Schaffung eines Fonds zur vollumfänglichen Entschädigung nach Haftpflichtrecht von Asbestopfern, die gegenüber einem zivil- oder vertragsrechtlich Haftenden aufgrund abgelaufener Fristen keine oder nur eine teilweise Genugtuung geltend machen konnten.
Asbesterkrankungen treten typischerweise oftmals erst nach 30 und mehr Jahren nach der Einwirkung auf. Dies bedingt einerseits eine Anpassung der Verjährungsfrist im Sinne einer Ausnahmeregelung für Asbestfälle. Andererseits können mit dem hier vorgeschlagenen Fonds Asbestopfer entschädigt werden, welche bisher keine oder nur teilweise Genugtuung erhalten haben. Travail.Suisse empfiehlt diese Motion zur Annahme.
Nationalrat – Motion Ständerat (Häberli-Koller). Gesetzliche Änderungen zur Förderung inländischer Arbeitskräfte (14.3795): Die Motion verlangt vom Bundesrat gesetzliche Massnahmen zur Förderung der Beschäftigung von weiblichen und älteren Arbeitnehmenden, um so die Abhängigkeit von ausländischen Arbeitskräften zu reduzieren. Travail.Suisse teilt die Einschätzung der Motion, dass bei den Frauen und den älteren Arbeitnehmenden die grössten Potenziale für den Arbeitsmarkt zu finden sind. Ergänzend dazu sieht Travail.Suisse im Bereich der Nachholbildung für Personen ohne Berufsabschluss, resp. mit nicht der Beschäftigung entsprechenden Abschluss ein zu nutzenden Potenzial für den Arbeitsmarkt. Ebenso teilt Travail.Suisse die Einschätzung, dass die Fachkräfteinitiative (FKI) bisher zu wenig konkreten Massnahmen geführt hat. Insbesondere im Bereich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie der Lohndiskriminierung zwischen den Geschlechtern ist Handlungsbedarf gegeben. Dazu braucht es Massnahmen im Bereich des Wiedereinstiegs in die Arbeitswelt nach längerer Betreuungsabsenz sowie eine Bildungspolitik, welche bereits in der Mitte des Erwerbslebens der Beschäftigten Massnahmen anbietet. Travail.Suisse empfiehlt diese Motion zur Annahme.
Ständerat – Postulat Bruderer Wyss. Nationale Konferenz zur Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Behinderung (15.3206): Das Postulat fordert die Prüfung einer möglichen Einberufung einer nationalen Konferenz, um die Massnahmen zur verstärkten Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Behinderung zu koordiniere, zu erweitern und voranzutreiben. Menschen mit Behinderung sind bei der Integration in den ersten Arbeitsmarkt mit grossen Schwierigkeiten konfrontiert. Für Travail.Suisse ist klar, dass eine bessere Integration von Menschen mit Behinderung nicht nur für die Betroffenen von grosser Wichtigkeit ist, sondern auch im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel aufgrund der demografischen Veränderung von Bedeutung ist. Nebst den Frauen und den älteren Arbeitnehmenden identifiziert die Fachkräfteinitiative des Bundes auch Menschen mit Behinderung als grosses Arbeitskräftepotenzial. Travail.Suisse empfiehlt das Postulat zur Annahme.
Ständerat – Postulat WAK-S. Anliegen des Kantons Tessin. Ausgangslage und Entwicklungsperspektive (15.3012): Das Postulat fordert den Bundesrat auf, die Massnahmen darzulegen, die er getroffen hat und weiter treffen wird, um die in den Standesinitiativen 14.302, 14.303, 14.304 geäusserten Sorgen und Anliegen des Kantons Tessin aufzunehmen. Dabei sollen insbesondere die Massnahmen, Handlungsmöglichkeiten und die allfälligen Fortschritte in den Bereichen Grenzgängerbesteuerung, Doppelbesteuerungsabkommen mit Italien und Personenfreizügigkeit dargestellt werden. Für Travail.Suisse ist klar, dass der Arbeitsmarkt des Kantons Tessin unter besonderem Druck steht, was eine besondere Beachtung durch den Bund erfordert. Travail.Suisse empfiehlt das Postulat zur Annahme.
Sozialpolitik
Nationalrat – Bundesgesetz über die Unfallversicherung. Änderung (08.047): Bei der Unfallversicherung handelt es sich um eine bewährte und finanziell gesunde Sozialversicherung. Nachdem die UVG-Revision 2011 auf Empfehlung der Sozialpartner an den Bundesrat zurückgewiesen wurde, wurden die Sozialpartner in die Neuauflage der Revision umfassend einbezogen. Das nun vorliegende Revisionspaket stützt sich weitgehend auf den von den Dachverbänden der Sozialpartner (u.a. Travail.Suisse) ausgearbeiteten Kompromissvorschlag. Travail.Suisse unterstützt diesen Kompromissvorschlag nach wie vor und empfiehlt dem Natonalrat, den Vorschlägen des Bundesrats zu folgen. Der Dachverband der Arbeitnehmenden stellt sich entschieden gegen allfällige Versuche, den Mindestinvaliditätsgrad zu erhöhen oder andere Veränderungen zu Ungunsten der Versicherten vorzunehmen.
Nationalrat – Motion Ständerat WAK-S (09.300). Steuerbarkeit von Unterstützungsleistungen und steuerliche Entlastung des Existenzminimums (14.4004): Der Bundesrat soll beauftragt werden, die Bundesgesetzgebung dahingehend zu revidieren, dass einerseits das Existenzminimum steuerlich entlastet wird und andererseits Unterstützungsleistungen und die Einkünfte aus Ergänzungsleistungen (EL) der Einkommenssteuer unterstellt werden. Travail.Suisse empfiehlt wie die vorberatende Kommission die Motion zur Ablehnung. Sie tönt gut, löst aber keine der heutigen Probleme, sondern verschärft sie vielmehr: Zwar wäre die Steuerbefreiung des Existenzminimums sinnvoll. Auf Stufe Bund ist das Existenzminimum jedoch bereits heute de facto steuerbefreit. Bei der Definition der Kantons- und Gemeindesteuern sind dem Bund wegen der Finanzautonomie der Kantone sehr enge Grenzen gesetzt. Er darf keine Steuersätze oder Steuerfreibeträge festlegen, welche die Kantone einzuhalten haben. Auch steht es den Kantonen frei, das Existenzminimum nach ihrem Gutdünken zu definieren. Zu erwarten ist damit im Vergleich zu heute keine Verbesserung bezüglich Steuerbefreiung des Existenzminimums. Auf der anderen Seite werden durch eine Besteuerung der Sozialhilfeleistungen positive Erwerbsanreize reduziert: Einkommensfreibeträge, welche mit Erwerbseinkommen erwirtschaftet werden, müssten künftig für Steuerzahlungen verwendet werden. Damit das soziale Existenzminimum garantiert werden kann, müssten zudem die geschuldeten Steuern als anerkannte Ausgaben bei der Sozialhilfe und in der EL eingerechnet werden. Da aber in den Kantonen und in der EL zur Zeit wenig für eine Erhöhung der Ansätze spricht, wäre de facto eine Reduktion des verfügbaren Einkommens und damit eine Zuspitzung der Armutssituation die Folge. Aus den gleichen Gründen lehnt Travail.Suisse auch die Standesinitiative 09.300 „Besteuerung von Sozialhilfeleistungen“ ab.
Nationalrat – Motion Humbel. AHV. Sicherung des Beitragssubstrats (13.3748): Die Unternehmenssteuerreform II hat die privilegierte Dividendenbesteuerung eingeführt. Kapitalgesellschaften haben daraufhin ihre Dividenden-Ausschüttungspraxis angepasst. Die Gesetzesänderungen führten dazu, dass der AHV nun Beiträge entgehen, wenn bescheidene Löhne und dafür überhöhte Dividenden ausbezahlt werden. Der Bundesrat wird mit dieser Motion aufgefordert, überhöhte Dividendenzahlungen der AHV Beitragspflicht zu unterstellen. Der Bundesrat hat in Beantwortung eines anderen Vorstosses (13.3853) einen Bericht zur Thematik in Aussicht gestellt, das Problem bis jetzt aber noch nicht angegangen. Travail.Suisse empfiehlt die Annahme der Motion, damit das Problem vom Bundesrat endlich konkret angegangen wird.
Ständerat – AHV-Plus: für eine starke AHV. Volksinitiative (14.087): Die Volksinitiative AHV-Plus steht für eine starke AHV. Travail.Suisse setzt sich im Rahmen des Reformprojekts Altersvorsorge 2020, dafür ein, dass es zu keinen Rentenkürzungen kommt. Es bestehen aber zum heutigen Zeitpunkt noch keine Garantien, dass Rentenkürzungen vermieden werden können. In diesem Umfeld ist es wichtig, die AHV zu stärken. In Kürze wird zudem eine Reform der Ergänzungsleistungen (EL) ins Auge gefasst. Dort stehen womöglich auch Kürzungen der EL zur AHV zur Diskussion. Auch diesbezüglich stellt die Initiative ein wichtiges Gegengewicht dar. Aus diesem Grund empfiehlt Travail.Suisse dem Ständerat die Initiative zur Annahme.
Ständerat – Mo. Nationalrat (Fraktion S). Strategie zur Reduktion der Abhängigkeit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen von der Sozialhilfe (14.3890): Der Bundesrat soll beauftragt werden, zusammen mit den Kantonen und Fachorganisationen eine Strategie zur Reduktion der Abhängigkeit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen von der Sozialhilfe auszuarbeiten. Dabei sollen Modelle, welche erfolgreich sind – wie z.B. im Kanton Waadt – beschrieben und auch andernorts breit eingeführt werden. Dabei soll die Berufsbildung eine zentrale Rolle spielen. Travail.Suisse begrüsst wie der Bundesrat das Anliegen und empfiehlt die Annahme der Motion.
Gleichstellungspolitik
Nationalrat – Motion Moret. Anbieter im öffentlichen Beschaffungswesen. Einhaltung der Lohngleichheit nachweisen (14.4307): Die Motion von Isabelle Moret (FDP) bezweckt, die Kosten für die Kontrolle der Lohngleichheit auf die Unternehmen zu überwälzen, die sich um Aufträge im öffentlichen Beschaffungswesen bewerben. Dass die Anbieterinnen und Anbieter die Lohngleichheit gewährleisten müssen, ist im Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (Artikel 8) verankert. Die Motion verlangt, dass die Unternehmen mittels einer Bescheinigung eines sachverständigen Dritten den Nachweis für die Einhaltung der Bestimmungen über die Lohngleichheit erbringen. Bisher werden die Kosten von den Steuerpflichtigen getragen, da das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann damit beauftragt ist, sporadisch Kontrollen durchzuführen. Zwar wurde die Zahl der Kontrollen jüngst von 3 auf rund 30 pro Jahr verzehnfacht, doch dies ist angesichts der 30’000 Aufträge, die der Bund jährlich vergibt, noch immer viel zu wenig. Wie auch der Bundesrat unterstützt Travail.Suisse diese Motion, welche die «Beweislast» umkehrt. Sie fordert drei Bedingungen: Die Kontrollmethode muss transparent und anerkannt sein (Regressionsanalyse), die Gültigkeit einer Bescheinigung ist auf drei Jahre begrenzt und es wird eine «Schwarze Liste» der Unternehmen veröffentlicht, die gegen die Lohngleichheit verstossen.
Nationalrat – Motion Meier-Schatz. Förderung des beruflichen Wiedereinstiegs dank Bildungsgutscheinen (13.3328): Zur Unterstützung von Personen, die nach einer längeren Zeit ohne Erwerbstätigkeit einen Wiedereinstieg anstreben, schlägt Lucrezia Meier-Schatz (CVP) das bereits bewährte Konzept der Bildungsgutscheine vor. Der Bundesrat lehnt die Motion ab, obwohl die Legislaturplanung 2011-2015 vorsieht, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern. Er verweist auf verschiedene Gesetze – Arbeitslosengesetz, Invalidenversicherungsgesetz, Berufsbildungsgesetz, Gleichstellungsgesetz – für entsprechende Unterstützung, diese Gesetze greifen jedoch nicht für Personen, die sich mehrere Jahre um Angehörige gekümmert haben und deshalb nicht mehr erwerbstätig waren. Die von Travail.Suisse 2013 realisierte Studie « Expérience ReProf » zeigt dies Punkt für Punkt auf und formuliert 19 Empfehlungen, darunter das Konzept der Bildungsgutscheine. Travail.Suisse unterstützt die Motion. Bildungsgutscheine müssen für Personen mit niedrigem oder mittlerem Einkommen, die wieder Fuss im Arbeitsmarkt fassen wollen, zugänglich sein. Auch Erwerbstätige, die nur ein kleines Pensum oder eine nicht ihren Qualifikationen entsprechende Stelle haben, sind im Gutscheinsystem zu berücksichtigen. Der Bildungsbericht Schweiz hat gezeigt, dass sie gerade aufgrund des geringen Beschäftigungsgrads selten in den Genuss einer Weiterbildung am Arbeitsplatz kommen.
Nationalrat – Postulat Piller Carrard. Beruflicher Wiedereinstieg. Fehlende Zahlen (13.3345): Das Postulat von Valérie Piller Carrard (SP) zielt darauf ab, die statistische Lücke zur Zahl der Personen, die wieder ins Erwerbsleben einsteigen möchten, zu schliessen. Sie beauftragt den Bundesrat, zu überprüfen, welche Massnahmen notwendig sind, um alle Personen zu erfassen, die wieder eine Stelle suchen – auch solche, die nicht in den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren gemeldet sind. Die einzigen bestehenden Daten sind statisch und entsprechen somit einer Momentaufnahme zur Zahl der Personen, die beschäftigt oder aus familiären Gründen nicht erwerbstätig sind. Nähere Informationen über diese Personen fehlen, ebenso Informationen darüber, wie viele pro Jahr in den Arbeitsmarkt eintreten oder diesen verlassen. Der Bundesrat argumentiert, dass es die geltenden rechtlichen Grundlagen dem BFS ermöglichten, diese Angaben über die Schweizerische Arbeitskräfteerhebung zu erfassen. Deshalb vertritt er die Ansicht, die verfügbaren Daten reichten aus, und er empfiehlt das Postulat zur Ablehnung. Travail.Suisse fordert die Parlamentsmitglieder auf, dem Bundesrat ein klares Zeichen zu geben: Damit sinnvolle Massnahmen getroffen werden können, beispielsweise im Rahmen der Fachkräfteinitiative, braucht es vollständige Daten, was heute nicht der Fall ist.
Nationalrat – Motion van Singer. Beruflicher Wiedereinstieg. Die Schaffung geeigneter Fonds vorsehen (13.3348): Die Motion von Christian van Singer (Grüne) will die Sozialpartner und die öffentliche Hand verpflichten, sich konkret um die Bedürfnisse von Personen zu kümmern, die wieder in den Arbeitsmarkt einsteigen wollen, indem sie branchenspezifische Wiedereinstiegsfonds finanzieren. Analog zur Berufsbildung würde ein Wiedereinstiegsfonds die Möglichkeit bieten, Personen spezifisch zu begleiten, die über eine Ausbildung verfügen, ihren Beruf aber während mehrerer Jahre nicht ausgeübt haben. Travail.Suisse unterstützt diese Motion. Das Berufsbildungsgesetz liefert zwar die Grundlage zur Einrichtung von Berufsbildungsfonds, der Wiedereinstieg wird jedoch nicht als Bereich genannt. Der Staat muss in diesem Bereich unverzüglich Impulse geben: Artikel 60 BBG könnte mit der Thematik des Wiedereinstiegs ergänzt werden, der nicht mit dem Weiterbildungsbereich zu verwechseln ist.
Bildungspolitik
Nationalrat – Motion WBK-N. BFI-Periode 2017-2020. Notwendige Reformen ohne Substanzverluste umsetzen (15.3011): Die Schweiz ist herausgefordert, das inländische Potential an Arbeitskräften voll auszunützen. Auf allen Qualifikationsebenen und bei den unterschiedlichsten Zielgruppen sind Investitionen nötig, um die demographischen Entwicklungen bewältigen zu können. Travail.Suisse unterstützt daher die Position der WBK-N, dass die notwendigen Reformen ohne Substanzverlust umgesetzt werden müssen.
Integrations- und Einbürgerungspolitik
Ständerat – Parlamentarische Initiative Marra. Die Schweiz muss ihre Kinder anerkennen (08.432): Auf der Grundlage der parlamentarischen Initiative Marra von 2008 sieht der Entwurf vor, dass die Staatsbürgerschaft nur auf Antrag der betroffenen Person bzw. ihrer Eltern gewährt wird. Voraussetzungen dafür sind, dass von den Grosseltern mindestens eine Person eine Aufenthaltsbewilligung besass oder besitzt und mindestens ein Elternteil in der Schweiz geboren wurde oder mit spätestens 12 Jahren in die Schweiz einwanderte. Mit einer schweizweiten Harmonisierung der Voraussetzungen für eine Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern der dritten Generation lassen sich die bestehenden rechtlichen Ungleichheiten beseitigen. Im Gegensatz zur Vorlage, die 2004 in einer Volksabstimmung mit 51,6% abgelehnt wurde, ist nun vorgesehen, dass die Einbürgerung nicht automatisch erfolgt und an genaue Kriterien geknüpft ist. Der Bundesrat hat sich in einer Stellungnahme am 21. Januar 2015 positiv zur Vorlage geäussert. Travail.Suisse freut sich, dass der Nationalrat die Vorlage in der Frühjahrssession mit deutlicher Mehrheit angenommen hat und hofft, dass der Ständerat seiner Kommission folgen wird, die sich für die Vorlage ausgesprochen hat. Die Prüfung der genauen Definition, wer zur dritten Ausländergeneration zählt, soll Auslegungsstreitigkeiten verhindern und stellt die Vorlage nicht in Frage. Die Einbürgerung auf Antrag für die dritte Ausländergeneration wird die Demokratie stärken, da die betroffenen, in der Schweiz sehr gut integrierten Personen, direkt und gleichberechtigt am politischen Leben des Landes werden teilnehmen können. Allerdings braucht es eine Verfassungsänderung, und um ein Scheitern in der Volksabstimmung zu vermeiden, wird bei der Bevölkerung viel Überzeugungsarbeit zu leisten sein.
Service public
Ständerat – Grundversorgung. Allgemeine Verfassungsbestimmung (13.036): Aus dem Verfassungsartikel werden sich keine neuen Ansprüche ableiten lassen, er setzt jedoch ein politisches Signal, indem er zum Ausdruck bringt, dass die Grundversorgung eine entscheidende Rolle spielt, damit die gesamte Bevölkerung in allen Regionen Zugang zu den Leistungen des Service public hat. Nachdem der Nationalrat auf einen Verfassungsartikel zur Verankerung der Grundversorgung in der Verfassung auf Druck der Rechten abgelehnt hat, geht die Vorlage zurück an den Ständerat. Deshalb empfiehlt Travail.Suisse dem Ständerat, der Empfehlung seiner Kommission vom 14. April 2015 zu folgen und seine Absicht für einen Verfassungsartikel zu bekräftigen. Der Nationalrat wird sich dann nochmals äussern können. Es ist zu hoffen, dass er auf seine negative, aber relativ knappe Entscheidung vom 11. März 2015 zurückkommt.
Nationalrat – Für eine faire Verkehrsfinanzierung. Volksinitiative (14.089): Travail.Suisse empfiehlt dem Nationalrat diese Initiative zur Ablehnung, da dem Bund jährlich rund 1,5 Milliarden Franken an Einnahmen verloren gingen, die für Ausgaben ausserhalb des Strassenverkehrs eingesetzt werden. Eine Annahme der Initiative würde ein einschneidendes Sparprogramm mit vorhersehbaren Kürzungen in wichtigen Aufgabenbereichen wie Forschung, Bildung und öffentlicher Verkehr nach sich ziehen. Insbesondere bei der Bahninfrastruktur könnte es dadurch zu wesentlichen Verzögerungen kommen. Die Initiative steht auch in Widerspruch zu einer koordinierten und ökologischen Verkehrspolitik, denn die Bahninfrastruktur wird namentlich durch eine Anhebung der Billetpreise finanziert, während sich die Automobilisten nicht durch höhere Abgaben finanziell am Ausbau des Nationalstrassennetzes beteiligen müssten. Der Ständerat hat die Initiative mit überwältigender Mehrheit abgelehnt (31 gegen 4).
Steuer- und Finanzpolitik
Nationalrat und Ständerat – Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe Volksinitiative (13.085): In der Schlussabstimmung der Frühjahrssession 2015 wurde im Ständerat der direkte Gegenvorschlag zur Initiative abgelehnt, da einige FDP-Mitglieder im letzten Moment die Seite wechselten. Die Beseitigung von Benachteiligungen in den Sozialversicherungen könnte Einnahmenausfälle von mehreren Milliarden Franken verursachen. Die Eidgenössischen Räte werden sich am 11. Juni 2015 nochmals zur Initiative äussern. Travail.Suisse befürwortet die steuerpolitische Gleichstellung von Ehe- und Konkubinatspaaren, empfiehlt aber die Initiative aufgrund der damit verbundenen milliardenhohen Kosten für Bund und Kantone zur Ablehnung. Die Gleichbehandlung muss ohne Steuereinbussen umgesetzt werden. Ein anderes Problem der Initiative besteht darin, dass sie einen Wechsel zur Individualbesteuerung verunmöglicht. Ein solcher wäre angesichts der Bevölkerungsentwicklung und im Hinblick auf eine höhere Erwerbsbeteiligung der Frauen nochmals anzustreben.
Nationalrat und Ständerat – Konsolidierungs- und Aufgabenüberprüfungspaket. Bundesgesetz (12.101): Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf hat Kürzungen von über einer Milliarde Franken vorgeschlagen. Bei seinen Beratungen vom 6. Mai 2015 begnügte sich der Nationalrat vorderhand mit einigen hundert Millionen Franken an Einsparungen, die seit zwei Jahren im Rahmen des Konsolidierungs- und Aufgabenüberprüfungspakets (KAP 2014, 700 Millionen Einsparungen für 2016) gefordert werden, während SVP und FDP rund 3 Milliarden Franken einsparen wollten! Travail.Suisse lädt den Ständerat ein, sich ebenso massvoll zu zeigen wie der Nationalrat oder angesichts der schwierigen Wirtschaftslage mit der Aufgabe des Mindestkurses sogar ganz auf ein Sparprogramm zu verzichten. Unlogisch und inakzeptabel ist auch, einschneidende Kürzungen vorzunehmen und gleichzeitig erhebliche Steuererleichterungen vorzusehen, wie dies der Fall ist mit dem Entwurf zur Unternehmenssteuerreform III.
Nationalrat – Motion. Strategische Überprüfung der Bundesaufgaben (15.3013): Travail.Suisse empfiehlt die Motion zur Ablehnung, da es sich im Gegensatz zu deren Titel weniger um eine strategische Aufgabenüberprüfung als um ein Sparprogramm handelt. Der Bundesrat empfiehlt die Motion zur Annahme, da sie inhaltlich dem entspricht, was er für den Zeitraum 2016-2019 plant. Der finanzielle Spielraum der Schweiz mit einer geringen Verschuldungsquote sollte nicht zum Sparen genutzt werden, sondern für Investitionen, die namentlich aufgrund der Bevölkerungsentwicklung für die Zukunft unabdingbar sind.