Die heute vorgestellten Berichte hätten die Möglichkeit geboten, verschiedene zeitgemässe Anpassungen bei der Familienpolitik vorzunehmen. Die vom Bundesrat tatsächlich getroffenen Massnahmen sind indes äusserst bescheiden. Statt mutig voranzugehen, beschränkt sich die Landesregierung auf Pflästerlipolitik. Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Abeitnehmenden, erachtet dieses Vorgehen angesichts der demografischen Herausforderungen und der Familienarmut als mut- und verantwortungslos.
Die Herausforderungen der Familienpolitik sind heute besonders vielfältig: Alternde Gesellschaft, bescheidene Geburtenraten und Fachkräftemangel haben viel mit Familienpolitik zu tun. Der Schweiz fehlt es bis jetzt an einer durchdachten Familienpolitik. Statt einer gesamtheitlichen Strategie gibt es ein Sammelsurium von Einzelmassnahmen. Die Schweiz gibt mit 1.3 Prozent des BIP sehr wenig für die Familien aus. Resultat: Es fehlt an Massnahmen, damit den Familien genügend Geld zum Leben bleibt. Es fehlt an Massnahmen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gewährleisten, und es fehlt an Massnahmen, damit genügend Zeit für das Familienleben bleibt.
Zaudernder statt mutiger Bundesrat
In dieser Situation wäre ein mutiger Bundesrat gefordert. Mit den heute präsentierten Grundlagenberichten hätte er die Möglichkeit gehabt, voranzugehen und zukunftsweisende Weichenstellungen sowohl bei der Bekämpfung des „Armutsrisikos Familie“ wie auch bei der Vereinbarkeitsproblematik vorzunehmen. Er hätte bedarfsabhängige Kinderzulagen für armutsbetroffene Familien vorantreiben, Gutschriften auf dem Steuerbetrag (inkl. Negativsteuern) einführen, das Recht auf eine Pensenreduktion bei Geburt eines Kindes ins Spiel bringen und Vorschläge liefern können, wie die heutige Anstossfinanzierung des Bundes bei der familienexternen Betreuung zu einem Rahmengesetz für die Betreuungsinfrastruktur von Kindern und pflegebedürftigen Menschen umgebaut werden könnte.
Stattdessen zaudert der Bundesrat. Die Berichte zeigen die Möglichkeiten gut auf, aber der Bundesrat versteckt sich, wie schon bei der Thematik über den Vaterschaftsurlaub, hinter dem Parlament und den Kantonen. Dabei hätte der Bund bei den Steuern und bei den Familienzulagen durchaus die Kompetenzen, um die Weichen anders zu stellen.
Nichts tun kostet
Der Bundesrat ist nur bereit, 100 Mio. Franken über 8 Jahre zusätzlich in die familienergänzende und schulergänzende Betreuung zu investieren. Das reicht bei weitem nicht. Mit 14 Mio. Franken pro Jahr an zusätzlichen Investitionen in die Familien wird man die anstehenden Probleme nicht lösen können. Zum Vergleich: Würde die Schweiz schon nur mit dem OECD-Durchschnitt bei den Familienausgaben gleichziehen, müsssten über 4.5 Mrd. Franken zusätzlich in die Familien investiert werden. „Das fehlende Geld ist kein Argument“, betont Matthias Kuert Killer, Leiter Sozialpolitik bei Travail.Suisse. „Gestern hat der Bundesrat der Landwirtschaft grosszügig die Subventionsbeiträge erhöht. Soviel wie eine Kuh sollten uns auch die Kinder wert sein!“. Der Bund muss endlich beginnen, in die Familien zu investieren. Denn auch Nichtstun kostet: Der künftige Preis ist eine tiefe Kinderzahl und/oder eine tiefe Erwerbsbeteiligung der Frauen. Beides kostet unsere Gesellschaft weit mehr als eine zeitgemässe Familienpolitik.
Für mehr Informationen:
Matthias Kuert Killer, Leiter Sozialpolitik, Tel. 079 777 24 69