In der kommenden Session kann das Parlament erstens griffige Massnahmen gegen die Abzocker ergreifen und zweitens mit einer mutigen Klima- und Energiepolitik neue Arbeitsplätze schaffen. Ob das Parlament diese Chancen packt, bleibt allerdings noch offen. Bei der 11. AHV-Revision ist hingegen keine mehrheitsfähige Lösung in Sicht und auch bei der neusten IV-Revision muss das Parlament noch massive Korrekturen vornehmen, damit diese Vorlage ak-zeptiert werden kann.
In der Sommersession stehen zwei wirtschaftspolitisch fundamentale Entscheide bevor. Auf der einen Seite geht es um die Rettung des Leistungsprinzips in der Schweiz. Nur mit einem entschiedenen Auftreten gegenüber den Abzockern in den Teppichetagen kann die definitive Pervertierung dieses Prinzips verhindert werden. Falls das nicht gelingt, sind die negativen wirtschaftlichen Konsequenzen für die Schweiz unabsehbar. Auf der anderen Seite werden in der Klima- und Energiepolitik auch wichtige Weichen für die zukünftige Entwicklung der Schweizer Industrie gestellt. Nur mit einer mutigen Politik können die Voraussetzungen für gute, sichere und sinnvolle Arbeitsplätze geschaffen werden.
Abzockerinitiative und Bonibesteuerung: Nötiger denn je
Die Zahlen aus der Untersuchung von Travail.Suisse zur Entwicklung der Managerlöhne im Jahr 2009 zeigen, dass der Anstieg der Managerlöhne trotz der Krise fast ungebrochen weitergeht. Auf die Vernunft der Akteure kann also nicht mehr gezählt werden und die Politik ist in der Pflicht.
Travail.Suisse hat die Abzocker-Initiative von Anfang an ideell unterstützt. Gleichzeitig sind wir aber nach wie vor offen für einen Gegenvorschlag. Dieser darf jedoch nicht in einer abgeschwächten Version der Initiative bestehen. Wichtig ist für Travail.Suisse, dass die Generalversammlung über die Saläre aller Konzernleitungsmitglieder bestimmen kann und dass Sonderzahlungen (Abgangs- und Antrittsentschädigungen) unterbunden werden. Zudem muss in einem Gegenvorschlag die Stärkung der Aktionäre mit einer Stärkung der Mitarbeitenden durch eine Personalvertretung im Verwaltungsrat verbunden werden. Nur so kann es gelingen, das Übel an der Wurzel zu packen und das Vertrauen der Bevölkerung in die Wirtschaft und deren „Elite“ wieder zu vergrössern.
Darüber hinaus wird sich der Ständerat auch mit der Besteuerung von Boni beschäftigen (Motion Fetz 09.4089). Travail.Suisse unterstützt die Idee, dass Unternehmen Fantasieboni zukünftig nicht mehr vollumfänglich als Personalaufwand abbuchen dürfen, sondern als Gewinnausschüttung behandeln und entsprechend versteuern müssen. Hier hat der Ständerat die Gelegenheit, Nägel mit Köpfen zu machen.
Eine mutige Klima- und Energiepolitik für mehr Arbeitsplätze in der Schweiz?
Mit der Initiative „Für ein gesundes Klima“ und der gleichzeitig als Gegenvorschlag behandelten Revision des CO2-Gesetzes geht es um die Ausgestaltung der Klima- und Energiepolitik der Schweiz. Für den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Schweiz ist entscheidend, dass die Ziele genügend ambitioniert sind und dass die Reduktion des CO2-Ausstosses in der Schweiz erfolgen muss. Dabei stehen zehntausende von guten, sicheren und sinnvollen Arbeitsplätzen auf dem Spiel. Nur wenn sich die Exportindustrie auf den weltweit rasant wachsenden Markt der erneuerbaren Energien einstellt, wird sie auch in zehn oder zwanzig Jahren noch gute und qualitativ hochstehende Arbeitsplätze in der Schweiz anbieten können. Für Travail.Suisse ist es deshalb völlig unverständlich, dass gewisse bürgerliche und wirtschaftsnahe Kreise versuchen, das CO2-Gesetz abzuschiessen. Hier stehen finanzielle Interessen ganz offensichtlich über dem ökonomischen Sachverstand.
Im Weiteren geht auch die von beiden Räten bereits beschlossene Anhebung der Mittel für die Förderung erneuerbarer Energien in die letzte Runde. Dieses Geschäft ist von grosser Bedeutung, weil dadurch bereits innert kürzester Zeit Investitionen in Milliardenhöhe ausgelöst und damit auch Arbeitsplätze geschaffen werden können.
AHV-Revision: Inakzeptable Übergangslösung anstatt soziale Flexibilisierung
Die Sozialkommission des Ständerates hat an ihrer letzten Sitzung beschlossen, den Vorbezug der AHV-Rente gemäss einem neuen, von Bundesrat Burkhalter ins Spiel gebrachten Modell für Personen mit kleinen und mittleren Einkommen abzufedern. Leider hat aber die Kommission die soziale Abfederung auf zehn Jahre befristet und will zudem nicht genügend Geld dafür zur Verfügung stellen. Damit bleibt der Beschluss weit entfernt von einer echten Flexibilisierung für alle Arbeitnehmenden und kann höchstens als bescheidene Übergangslösung für die von der Rentenaltererhöhung betroffenen Frauen betrachtet werden.
Für Travail.Suisse ist jedoch klar, dass eine 11. AHV-Revision ohne echten sozialen Ausgleich, aber mit Sozialabbau unweigerlich das Referendum nach sich ziehen wird. Und eine Erhöhung des AHV-Alters der Frauen ohne eine echte Flexibilisierung hätte bei einer allfälligen Volksabstimmung keine Chance. Das hat die Volksabstimmung von 2004 klar gezeigt.
IV-Revision: Arbeitgeber müssen zu Integrationsbeitrag verpflichtet werden
Voraussichtlich wird der Ständerat in der Sommersession auch bereits den ersten Teil der 6. IV-Revision beraten (6a). Nachdem mit der 5. IV-Revision der Zugang zur IV erschwert worden ist, sollen jetzt auch Personen, die bereits eine IV-Rente beziehen, mit neuen Massnahmen zurück in den Arbeitsprozess gebracht werden.
Travail.Suisse ist zwar grundsätzlich einverstanden damit, dass die Bemühungen zur Eingliederung von IV-Bezüger/innen verstärkt werden. Erwerbsarbeit ist viel mehr als Broterwerb und hat in unserer Gesellschaft einen sinn- und identitätsstiftenden Charak-ter. Weil die Reintegration aus der IV aber mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, kommt es stark auf die Rahmenbedingungen an.
So kann die Eingliederung nur gelingen, wenn genügend Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Travail.Suisse fordert deshalb unter anderem, dass die Arbeitgeber zu einem Integrationsbeitrag verpflichtet werden. Diesen können sie in Form von Arbeitsplätzen für Menschen mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit oder in Form eines zweckgebundenen finanziellen Beitrags zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Sozialfirmen leisten. Nur mit einem verpflichtenden Integrationsbeitrag der Arbeitgeber kann verhindert werden, dass heutige IV-Bezüger/innen durch die 6. IV-Revision zwar ihre IV-Rente verlieren, aber trotzdem keinen Arbeitsplatz finden und somit in der Sozialhilfe landen.
Bis jetzt ist die Vorlage des Bundesrates auf jeden Fall unausgewogen und bedarf der Verbesserungen durch das Parlament.