Der Nationalrat wird am 13. März 2013 über die Revision des Bürgerrechts debattieren. Er muss die Verschärfungen der zuständigen Kommission korrigieren, die insbesondere für Jugendliche den Erwerb der Schweizer Staatsangehörigkeit erschweren. Angesichts der demografischen Entwicklung und des sich abzeichnenden Arbeitskräftemangels widerspricht eine Verschärfung jeglicher Vernunft!
Vor vier Jahren ging der Entwurf zur Revision des Bürgerrechtsgesetzes in die Vernehmlassung. Aufgrund eines Nichteintretensentscheids und politischer Uneinigkeiten berät der Nationalrat jedoch erst jetzt darüber.
Der Entwurf des Bundesrats sieht positive Massnahmen vor. Dazu gehört die Harmonisierung der kantonalen und der kommunalen Aufenthaltsdauer (diese Massnahme ist angesichts der Mobilität unserer Gesellschaft sehr zu begrüssen). Positiv zu werten ist auch die Verringerung der Wohnsitzdauer von 12 auf 8 Jahre, mit der sich die Schweiz den Anforderungen annähert, die in den meisten anderen europäischen Ländern gelten. Doch der Entwurf beinhaltet auch eine einschneidende negative Massnahme: Zum Erwerb des Schweizer Bürgerrechts braucht es eine Niederlassungsbewilligung. Dies benachteiligt insbesondere ausländische Personen aus Drittstaaten, für die im Allgemeinen strengere Bedingungen zur Erlangung der C-Bewilligung gelten als für Staatsangehörige aus EU-Ländern. Mehr als 95 Prozent der im ordentlichen Verfahren ohne Niederlassungsbewilligung eingebürgerten Personen stammen aus Drittstaaten. Das Kriterium einer Niederlassungsbewilligung hat somit zur Folge, dass der Effekt der kürzeren Wohnsitzdauer mehr als neutralisiert wird.
Allgemein sollten die strengeren Integrationsanforderungen differenziert werden, da die sprachlichen Fähigkeiten und die berufliche Integration auch vom Bildungsniveau und vom Geschlecht der Betroffenen abhängen.
Entwurf des Bundesrats wird einen Rückgang der Einbürgerungen bewirken
Eine im Auftrag der Eidgenössischen Kommission für Migrationsfragen (EKM) durchgeführte Studie 1 kommt zum Schluss, dass pro Jahr 5000 ordentliche Einbürgerungen weniger zu erwarten sind, wenn eine C-Bewilligung Voraussetzung ist. Dieser Wert ergibt sich daraus, dass zwischen 1992 und 2010 in der Schweiz 12 Prozent der ordentlichen Einbürgerungen und 18 Prozent der erleichterten Einbürgerungen Personen mit B- oder F-Bewilligung betrafen und dieser Anteil in den letzten fünf Jahren deutlich zugenommen hat. Wenn bereits nach 8 (statt nach 12) Jahren ein Einbürgerungsgesuch gestellt werden kann, ist mit rund 1500 zusätzlichen Einbürgerungen pro Jahr zu rechnen. Daraus resultiert ein negativer Saldo von 3500.
Der Entwurf des Bundesrats ist somit in dieser Hinsicht nicht ausgewogen und wird Einbürgerungen erschweren.
Nun zieht aber auch noch die zuständige Kommission des Nationalrats die Schraube an, kurz bevor der Entwurf im Nationalrat am 13. März 2013 behandelt wird. Gegenüber dem Entwurf des Bundesrats fordert die Kommission folgende Verschärfungen:
- Eine Wohnsitzdauer von 10 statt 8 Jahren.
- Die Zeit zwischen dem 10. und dem 20. Altersjahr zählt nicht mehr doppelt.
- Die Zeit, die Betroffene als vorläufig Aufgenommene in der Schweiz verbracht haben, wird nicht mehr angerechnet.
Diese zusätzlichen Hürden für eine Einbürgerung sind sehr zu bedauern. Gewisse Personen aus Drittstaaten werden so noch mehr Schwierigkeiten haben, die Kriterien für die Wohnsitzdauer zu erfüllen, insbesondere wenn sie lange vorläufig aufgenommen waren.
Negatives Signal an junge Ausländerinnen und Ausländer
Ein negatives Signal wird jedoch vor allem an Jugendliche gesendet, indem künftig die Jahre zwischen dem 10. und 20. Lebensjahr für die Wohnsitzdauer nicht mehr doppelt zählen sollen. Dies widerspricht der Praxis einer erleichterten Einbürgerung für die 2. Generation in zahlreichen Kantonen. Junge Ausländerinnen und Ausländer, die ihre gesamte Schulzeit in der Schweiz absolviert haben und das Schweizer Bürgerrecht erwerben möchten, werden sich dadurch zurückgewiesen und marginalisiert fühlen. Die Folge davon ist ein Rückzug und ein Gefühl der Bitterkeit gegenüber der Schweiz. Dies steht im Gegensatz zur Notwendigkeit, die Fähigkeiten und Talente dieser Jugendlichen gesellschaftlich und wirtschaftlich zu nutzen.
Angesichts der alternden Bevölkerung unseres Landes und des sich abzeichnenden Arbeitskräftemangels entbehrt eine Verschärfung der Einbürgerungsanforderungen jeglicher Logik. Die Schweiz büsst damit für gewisse ausländische Jugendliche an Attraktivität ein. Aus gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Sicht ist es hingegen in unserem Interesse, Rahmenbedingungen zu schaffen, die ihre Integration und Einbürgerung fördern.
3. Generation wieder aufs Tapet bringen
In diesem Kontext erwartet Travail.Suisse auch, dass nun die Frage der Einbürgerung auf Antrag für die 3. Generation wieder aufs Tapet kommt. Wenn das Parlament im Rahmen der vorliegenden Revision der parlamentarischen Initiative Marra nicht Folge gibt, die eine Einbürgerung für Kinder und Jugendliche der 3. Generation auf Antrag fordert, erwartet Travail.Suisse vom Bundesrat einen Entwurf zu diesem Punkt. In seiner Botschaft vom 4. März 2011 über die Totalrevision des Bürgerrechtsgesetzes hat der Bundesrat entschieden, die Frage der Einbürgerung für ausländische Kinder und Jugendliche der 3. Generation unabhängig von der Totalrevision des Bürgerrechtsgesetzes zu behandeln. Er signalisierte damit, dass die parlamentarische Initiative Marra rasch zu behandeln ist.
Nun ist zu hoffen, dass der Nationalrat die unangebrachten Änderungen der Kommission korrigiert und dass er den Mut hat, die Einbürgerung der 3. Generation auf Antrag wieder zur Sprache zu bringen. Diese in der Schweiz geborenen Jugendlichen mit ausländischen Eltern, die in der Schweiz aufgewachsen sind, sprechen genauso gut französisch oder Dialekt wie gleichaltrige Schweizer Jugendliche, und sie fühlen sich auch in erster Linie als Schweizerinnen und Schweizer. Viele fragen sich sogar, weshalb sie Schweizer werden sollen, wo sie es doch bereits sind! Deshalb sollten wir ihnen die Möglichkeit einer Einbürgerung auf Antrag geben, die an gewisse Bedingungen wie die Beachtung der schweizerischen Rechtsordnung geknüpft ist. Das ist im Interesse unserer Gesellschaft und auch unserer Wirtschaft.