Dem Projekt Energiestrategie 2050 des Bundesrats, das derzeit in der Kommission des Nationalrats diskutiert wird, drohen einschneidende Korrekturen. Verantwortlich ist die Situation bei der Wasserkraft, aber auch, dass das bürgerliche politische Lager die Subventionierung der erneuerbaren Energien infrage stellt. Travail.Suisse ist einverstanden mit der Idee, die Wasserkraft zu unterstützen, warnt aber davor, die Förderung erneuerbarer Energien verfrüht aufzuheben und durch rein marktwirtschaftliche Instrumente zu ersetzen. Ein solches Szenario wäre nicht nur den Klimazielen abträglich, sondern auch der Wirtschaft und der Beschäftigung.
Bis gegen Ende letzten Jahres schien die Energiestrategie 2050 des Bundesrats im Parlament ohne wesentliche Abstriche mehrheitsfähig. Nun drohen jedoch einschneidende Anpassungen an der Energiestrategie 2050, bedingt durch die Situation bei der Wasserkraft und durch Kritik an der Förderung der erneuerbaren Energien von weiten Teilen der Bürgerlichen. Zur Erinnerung: Die Energiestrategie 2050 wurde mit dem Ziel entwickelt, schrittweise aus der Atomenergie auszusteigen und eine langfristige Energieversorgung der Schweiz aufzubauen, die in erster Linie auf erneuerbaren einheimischen Energien beruht.
Mehr als die Hälfte des Stroms wird in der Schweiz durch Wasserkraftwerke produziert, die als erneuerbare Energiequelle für unser Land von zentraler Bedeutung sind. Dass die Rentabilität der Wasserkraft zum Problem geworden ist, hat mehrere Gründe: niedrige Preise für die Erzeugung von CO2 sowie für Erdgas und Kohle, Überkapazitäten auf dem Markt und die massive Subventionierung der erneuerbaren Energien insbesondere in Deutschland. In den vergangenen fünf Jahren sind die Strompreise auf dem europäischen Markt eingebrochen und für die nächsten Jahre ist nicht mit einer substanziellen Erholung zu rechnen. Ein Preisanstieg ist gemäss Szenarien allerdings ab 2020 zu erwarten. Zurzeit kostet eine Kilowattstunde Strom rund 5 Rappen, während die Produktionskosten für Wasserkraft bei 7 bis 10 Rappen liegen. Investitionen in Wasserkraftwerke werden deshalb auf Eis gelegt.
Unterstützung für die Wasserkraft: Ja, aber nicht auf Kosten der neuen Erneuerbaren
Travail.Suisse ist offen für die Idee, aufgrund des aktuellen Marktumfelds die Wasserkraft vorübergehend zu unterstützen. So lässt sich verhindern, dass die Branche diese nicht mehr rentable Energieform vernachlässigt und die Versorgungssicherheit des Landes beeinträchtigt wird. Eine Unterstützung der Wasserkraft darf jedoch auf keinen Fall auf Kosten der Fördergelder für erneuerbare Energien aus Sonne, Biomasse oder Wind gehen. Projekte müssten dann aufgegeben werden, die Innovationskraft würde leiden und es würden weniger Arbeitsplätze in Gewerbe und Industrie geschaffen. Betroffen wären vor allem kleine und mittelgrosse Betriebe in der ganzen Schweiz. Massnahmen zur Unterstützung der Wasserkraft dürfen auch keine Mitnahmeeffekte bewirken, und es müsste von Fall zu Fall beurteilt werden, bei welchen Anlagen eine vorübergehende Unterstützung sinnvoll wäre.
Denkbar wäre, die Subventionierung der erneuerbaren Energien zu überprüfen und der Differenz zwischen Markt- und Produktionspreisen besser Rechnung zu tragen. Dies würde es ermöglichen, die Höhe der Subventionierungen schneller anzupassen und die Preise für Strom aus den verschiedenen Energiearten stärker zu berücksichtigen. Travail.Suisse stellt sich somit nicht grundsätzlich gegen eine Überprüfung der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) und des künftigen Subventionierungssystems.
Damit die öffentlichen Finanzen und die Konsumenten nicht zu stark belastet werden, wäre eine direkte Subventionierung der Wasserkraft jedoch so tief wie möglich anzusetzen. Ausserdem braucht es eine indirekte Unterstützung in Form einer Abgabe auf importiertem Strom aus fossilen Quellen, namentlich aus Kohle, die sehr umweltbelastend ist. Falls dies schwierig in die Praxis umzusetzen oder keine politische Mehrheit dafür zu gewinnen ist, müsste sich die Schweiz möglichst stark für eine Verteuerung der Tonne CO2 einsetzen. Der aktuelle Preis von 5 Euro bietet keinerlei Anreize dazu, auf den Einsatz von Kohle oder Erdgas zur Produktion von Strom zu verzichten.
Die Energiestrategie sieht in einer 2. Etappe Änderungen im Abgabesystem vor. Demnach soll das subventionsbasierte Fördersystem ab 2020 schrittweise aufgegeben und durch Lenkungsabgaben ersetzt werden. In einer Vorkonsultation hat sich Travail.Suisse für eine Variante ausgesprochen, die einen sanften Systemwechsel gewährleistet und Etappen vorsieht, die so gestaffelt und berechenbar sind, dass der Wirtschaft Zeit bleibt, sich darauf einzustellen.
Nein zu einer Schwächung des Programms zur energetischen Gebäudesanierung
Besonders die FDP stellt die KEV in Frage – mit dem Argument, sie schaffe falsche Anreize und Marktverzerrungen. In der Schweiz sind jedoch die Mittel zur Förderung der erneuerbaren Energien durch die KEV bescheiden und die Unternehmen werden nicht wie in Deutschland massiv durch die Konsumenten subventioniert, die viel mehr für ihren Strom bezahlen. Die erneuerbaren Energien und insbesondere die Photovoltaik brauchen nach wie vor Unterstützung, um am Markt konkurrenzfähig zu sein. Die Strategie der FDP hätte zu Folge, dass die Entwicklung der erneuerbaren Energien blockiert und der Industriestandort Schweiz geschwächt würde. Die FDP will auch die finanziellen Mittel kürzen, die im Rahmen der CO2-Abgabe zur Finanzierung des Programms zur energetischen Gebäudesanierung erhoben werden. Eine solche Ausrichtung steht in Widerspruch zu den CO2-Reduktionszielen und würde landesweit den Gewerbebetrieben schaden, die in der Gebäuderenovation tätig sind. Denn dadurch würden in der Gebäuderenovation und der Montage erneuerbarer Energiequellen weniger Stellen geschaffen.
Travail.Suisse wird die weitere Behandlung der Energiestrategie 2050 im Parlament aus Sicht der Interessen der Arbeitnehmenden aufmerksam verfolgen. Sie wird gegen jeglichen Versuch kämpfen, das Programm zur energetischen Gebäudesanierung und das KEV-System zu schwächen, ist aber damit einverstanden, dass die KEV so geändert werden kann, dass sie der aktuellen Situation im Bereich der Wasserkraft besser Rechnung trägt. Die aktuellen Probleme im Bereich der Wasserkraft dürften jedoch nicht allein durch Massnahmen in der Schweiz gelöst werden. Teilweise wird sich die Lage auch durch Anpassungen im Ausland entschärfen, namentlich in Form einer weniger grosszügigen Subventionierung der erneuerbaren Energien in Deutschland und neuer Massnahmen, die auf EU-Stufe zu treffen sind. Diese müssten Fehlanreize verhindern, die zur Folge haben, dass in der Energieversorgung weiterhin auf fossile Energieträger gesetzt wird.