Das Stipendien-Konkordat sieht vor, dass die Alterslimite von 35 Jahren in den kantonalen Stipendiengesetzen nicht unterschritten werden darf. Das revidierte Ausbildungsbeitragsgesetz hält an dieser Alterslimite fest. Damit werden Personen, die ihren Bildungsweg mit Unterbrüchen und auf Umwegen zurücklegen, häufig ausgeschlossen. Dies widerspricht der Forderung nach lebenslangem Lernen. Denn ohne finanzielle Unterstützung werden einkommensschwache Personen über 35 Jahre kaum einen Bildungsabschluss absolvieren. Das Festhalten an einer Alterslimite ist mutlos, denn bereits heute sehen zehn Kantone von Alterslimiten ab.
Die Revision des geltenden Ausbildungsbeitragsgesetzes befindet sich zurzeit in Vernehmlassung. Die Gesetzesrevision ist der indirekte Gegenvorschlag des Bundesrates zur Stipendieninitiative der Schweizer Studierendenschaften VSS. Die Revision übernimmt die formellen Bestimmungen des Stipendien-Konkordates, soweit sie den Tertiärbereich betreffen. Das Stipendien-Konkordat wurde 2009 von der Interkantonalen Stipendienkonferenz verabschiedet und tritt am 1. März 2013 in Kraft. Das Stipendien-Konkordat strebt eine Harmonisierung der kantonalen Gesetze an und legt Mindeststandards fest. Auf einen Punkt der Gesetzesrevision soll im Folgenden genauer eingegangen werden: die Alterslimite von 35 Jahren.
Alterslimiten streichen
Das Stipendien-Konkordat regelt die Alterslimite im Artikel 12 Absatz 2 wie folgt: „Für den Bezug von Stipendien können die Kantone eine Alterslimite festlegen. Die Alterslimite darf 35 Jahre bei Beginn der Ausbildung nicht unterschreiten.“ Diese Regelung findet sich nun wieder in der Revision des Ausbildungsbeitragsgesetzes.
In den einzelnen Kantonen indes finden sich Regelungen, die deutlich über diese Alterslimite hinausgehen. Zehn Kantone kennen gar keine Alterslimiten mehr. Kantone, die dem Stipendien-Konkordat noch nicht beigetreten sind, haben fünf Jahre Zeit, ihre Gesetzgebung anzupassen 1 . Nun bietet sich die Gelegenheit, im Zuge der Anpassung des kantonalen Rechts die Aufhebung der Alterslimite zu erreichen. Auch im revidierten Ausbildungsbeitragsgesetz – und damit auf eidgenössischer Ebene – sollte die Alterslimite fallen.
Lebenslanges Lernen — aber nur mit linearem Bildungsweg
Die Notwendigkeit des lebenslangen Lernens, um sich beruflich à jour zu halten und neues Wissen zu erwerben, ist heute unbestritten. Der Forderung nach lebenslangem Lernen stehen jedoch Gesetze gegenüber, die dies bei einkommensschwachen Personen verhindern. Die Gesetze gehen immer noch von Bildungskarrieren aus, die ohne Unterbrüche und Umwege durchschritten werden.
Höherqualifizierung zwar erwünscht — aber Unterstützung nicht vorgesehen
Die Fachkräfte-Initiative des Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF sieht in nicht oder gering erwerbstätigen Müttern mit Sek II Abschluss ein Arbeitskräftepotenzial. Das WBF stellt — neben strukturellen Massnahmen — Handlungsbedarf bei der Höherqualifizierung fest.
Wiedereinsteigende, die wieder ins Berufsleben zurückkehren wollen, weisen häufig keinen linearen Bildungsweg auf. Auch erwerbstätige Mütter unterbrechen häufig ihre Bildungskarriere, weil ihnen neben der familiären und beruflichen Belastung die Zeit und Energie für eine Weiterbildung fehlt. Nicht und gering erwerbstätige Mütter sind daher meist über 40 Jahre alt, wenn sie den Besuch einer Weiterbildung oder eines Bildungsgangs auf Tertiärstufe ins Auge fassen 2 . Sie haben kein Anrecht auf Ausbildungsbeiträge, obwohl sie häufig nur über ein beschränktes Haushalteinkommen verfügen.
Berufsabschluss nachholen lohnt sich
Lebenslanges Lernen heisst auch, dass die Nachholbildung gefördert wird. Eine Studie der Berner Fachhochschule für Soziale Arbeit zeigt, dass rund 50’000 erwerbstätige Personen ohne Berufsabschluss die Voraussetzungen erfüllen, um eine Nachholbildung zu absolvieren 3 . Gegenwärtig macht nur ein Bruchteil dieser Personen eine Nachholbildung. Obwohl sich ein Berufsabschluss für diese auch mit über 40 Jahren noch lohnen würde. Dies zeigt die Kosten-Nutzen-Analyse der oben erwähnten Studie. Der Anteil der Personen, die einen Bildungsabschluss nachholen, wird sich aber nur schwer steigern lassen, solange der Bezug von Stipendien ab einem mittleren Alter nicht mehr möglich ist.
Lebenslanges Lernen heisst nicht nur, sich nach einem Berufs- und Tertiärabschluss regelmässig weiterzubilden. Lebenslanges Lernen heisst auch, dass Menschen in der Lebensmitte noch einen Berufsabschluss nachholen und dass deren Anstrengungen, sich höher zu qualifizieren, unterstützt werden.