Für den Ausstieg aus der Atomenergie hat der Bundesrat die Energiestrategie 2050 erarbeitet. Travail.Suisse begrüsst die Stossrichtung der Strategie, die auf Energieeffizienz und den Ausbau der erneuerbaren Energien setzt. Die angestrebten Ziele müssen jedoch schneller umgesetzt werden. Dies würde die Innovation fördern und mehr Arbeitsplätze schaffen.
Die Energiestrategie 2050 ist im Interesse der Arbeitnehmenden. Denn die Umsetzung wird namhafte Ausgaben und Investitionen zur energetischen Gebäudesanierung und zum Ausbau der erneuerbaren Energien erfordern. Die dezentralere Produktion der erneuerbaren Energien bedingt zudem einen Umbau und eine Modernisierung der Netze zur Stromübertragung und -verteilung.
Energetische Gebäudesanierung birgt grösstes Potenzial an Arbeitsplätzen
Die 1,64 Millionen Gebäude in der Schweiz verschlingen 46 Prozent des gesamten Energieverbrauchs. Deshalb besteht in diesem Bereich auch das grösste Potenzial für Energieeinsparungen. Es existiert bereits ein gesamtschweizerisches Programm für eine energetische Gebäudesanierung, für das Travail.Suisse ein intensives Lobbying betrieben hat. Dieses Programm wird durch einen Teil der Einnahmen aus der CO2-Abgabe in Höhe von 300 Millionen Franken pro Jahr finanziert. Die Energiestrategie 2050 sieht eine Verdoppelung des Betrags auf 600 Millionen Franken vor. Diese Verdoppelung ist zu unterstützen, denn durch Gebäudesanierungen sinkt nicht nur der CO2-Ausstoss erheblich, sondern es wird auch Energie gespart.
In der Vernehmlassung sind zwei Finanzierungsvarianten vorgesehen: entweder zusätzliche Mittel aus der CO2-Abgabe oder eine stärkere Beteiligung der Kantone. Vorzuziehen ist die Variante mit der CO2-Abgabe, da diese Finanzierungsart sicherer ist. Gleichzeitig bietet sie mehr Anreize, da höhere Preise für fossile Brennstoffe die Eigentümer stärker dazu motivieren, in eine Gebäudesanierung oder in die Produktion erneuerbarer Energien zu investieren.
Auch bei der Schaffung von Arbeitsplätzen hat das Gebäudeprogramm erwiesenermassen das grösste Potenzial. Gemäss Daten aus dem Programm EnergieSchweiz löst jeder Franken, der für Isolationen der Gebäudehülle bereitgestellt wird, fast 10 Franken an Investitionen aus. Bei den erneuerbaren Energien beträgt dieser Faktor 5 (zum Beispiel Ersetzen eines Öl-Heizkessels durch eine Wärmepumpe).
Bisher stellte das Gebäudeprogramm zwei Drittel der Mittel für die Sanierung von Gebäudehüllen und ein Drittel für erneuerbare Energien zur Verfügung. Bei Programmgeldern von 600 Millionen Franken ergäbe dies Investitionen von 3,2 Milliarden für Gebäudehüllen (400 Millionen x 8) und von 1 Milliarde für erneuerbare Energien (200 Millionen x 5). Insgesamt entspricht dies 4,2 Milliarden Franken.
Wenn für einen Arbeitsplatz CHF 100’000 veranschlagt werden, ist damit zu rechnen, dass das Gebäudeprogramm in den nächsten Jahren direkt 42’000 Arbeitsplätze schafft. Bei den Isolationsarbeiten handelt es sich vorwiegend um Stellen mit mittleren Qualifikationsanforderungen. Somit bieten sich interessante Möglichkeiten auch zur Wiedereingliederung weniger qualifizierter Personen in den Arbeitsmarkt. Für Tätigkeiten im Bereich der erneuerbaren Energien sind hingegen spezifischere Qualifikationen in den Bereichen Handwerk, Industrie und Dienstleistungen erforderlich.
In den meisten Fällen geht es nicht darum, neue Berufe zu schaffen, sondern das Aus- und Weiterbildungsangebot so voranzutreiben, dass alle bereits betroffenen Berufe (Heizungs- und Sanitärinstallation, Zimmerei usw.) die neuen Techniken beherrschen, die in Zusammenhang mit den erneuerbaren Energien gefragt sind.
Ein weiterer Vorteil bei der Schaffung von Arbeitsplätzen durch das Gebäudeprogramm besteht darin, dass es landesweit durchgeführt wird und zahlreiche KMU Aufträge erhalten werden.
Ziele müssen schneller erreicht werden
Wenn die Schweiz unverzüglich geeignete energiepolitischen Rahmenbedingungen schafft, ist das Ziel realistisch, bis 2030 die Hälfte des Energiebedarfs des Landes durch erneuerbare Energien zu decken, wie dies die von Travail.Suisse und den Mitgliedsverbänden unterstützte «Cleantech»-Volksinitiative verlangt, die derzeit im Parlament behandelt wird. Aus diesem Grund müssen die mit der Energiestrategie angepeilten Ziele schneller umgesetzt werden, beispielsweise bis 2035. Dies würde der Innovation und der Entwicklung sauberer Technologien zusätzlichen Schub verleihen. Die Schweiz, die in diesem Sektor nicht mehr zur Weltspitze gehört, könnte Ihren Rückstand aufholen und die Chancen besser nutzen, die sich im weltweit aufstrebenden Cleantech-Markt ergeben. Für die Schweizer Wirtschaft bieten die sauberen Technologien die Chance einer wirtschaftlichen Neuausrichtung mit einem noch bedeutenderen Stellenausbau.
Ungerechtfertigte Benachteiligung der Sonnenenergie
Zur Kompensation der 40 Prozent Energie, die heute aus Atomkraftwerken stammen, legt die Energiestrategie den Schwerpunkt auf Einsparungen durch wesentlich strengere Vorschriften beim Verbrauch. Doch dies reicht bei Weitem nicht. Auch die erneuerbaren Energien müssen mit Nachdruck gefördert werden. Die Energiestrategie sieht deshalb vor, dass die erneuerbaren Energien bis 2050 rund 25 TWh erzeugen, was ungefähr der heutigen Atomstromproduktion entspricht. Das grösste Potenzial bietet unter den neuen Quellen für erneuerbaren Strom die Solarenergie. Die Strategie sieht für 2050 eine Produktion von 10,4 TWh vor. Unverständlich ist jedoch, dass bei der Erhöhung der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) von derzeit 0,9 Rp./kWH auf 1,9 Rp. die Solarenergie im Gegensatz zu den anderen erneuerbaren Energien weiterhin sehr stark kontingentiert wird. Dieser Plafond muss angehoben oder ein wesentlich höheres Kontingent festgelegt werden. Laut Energiestrategie sollen beim Solarstrom bis 2035 lediglich 30 Prozent des Zielwerts erreicht werden. Dies ist unbedingt zu korrigieren.
Ökologische Steuerreform: nur unter bestimmten Bedingungen
Ab 2020 soll das System der KEV aufgehoben und durch eine Energiesteuer ersetzt werden. Grundsätzlich ist ein solches System denkbar, es muss aber darauf geachtet werden, an wen die Einnahmen aus dieser Steuer rückvergütet werden. Abzulehnen ist eine Rückerstattung über ein revidiertes Steuersystem, da die Einnahmen aus der Energiesteuer im Laufe der Zeit aufgrund bedeutender Energieeinsparungen sinken werden. Eine ökologische Steuerreform birgt auch das Risiko, dass sich die Steuerbelastung von oben nach unten verlagert (zum Beispiel durch eine Rückerstattung über die direkte Bundessteuer), oder dass gewisse Bevölkerungsgruppen leer ausgehen, beispielsweise die Nichterwerbstätigen und die Pensionierten bei einer Reduktion der Sozialabgaben. Wir bevorzugen deshalb eine direkte Rückerstattung an die Bevölkerung und die Wirtschaft ohne Änderungen am bestehenden Steuersystem. Auch in diesem Fall gilt es zu vermeiden, dass Randregionen zu kurz kommen und vermögendere Haushalte bevorzugt werden – auf Kosten der Haushalte mit tiefen und mittleren Einkommen sowie der Familien mit Kindern.