Die Akademie der Wissenschaften Schweiz provoziert. Das ist ihr Recht. Sie fordert eine „deutliche Vereinfachung und Vereinheitlichung der Strukturen im gesamten schweizerischen Bildungssystem“. Dazu eine massive Erhöhung der Maturitätsquote (70% eines Jahrganges) in der Schweiz. Dadurch sollen die Universitäten zu ihren Talenten kommen. Das duale Berufsbildungssystem hingegen wird in Frage gestellt. Damit bekommen die Vorschläge aus Sicht von Travail.Suisse, dem unabhängigen Dachverband der Arbeitnehmenden, etwas Irrationales. Denn gerade über die Berufsbildung gewinnt die Schweiz heute ihren Grossteil der höher ausgebildeten Personen.
Die universitären Hochschulen haben im Jahre 2008 rund 20’000 Abschlüsse abgegeben. Man mag darüber streiten, ob das genug ist. Die Fachhochschulen und die Höhere Berufsbildung haben miteinander 2008 aber rund 40’000 Abschlüsse abgegeben. Diese Abschlüsse sind aus der Berufsbildung herausgewachsen. Diese Abschlüsse sind auf dem Arbeitsmarkt gesucht. Sind die Universitäten fähig, diese Personen in ihr System aufzunehmen? Haben dann die Abschlüsse die gleiche Arbeitsmarkttauglichkeit? Wo ordnen sich die Personen mit Maturität, die den Zugang zu den Universitäten nicht erhalten, im Arbeitsmarkt ein?
Travail.Suisse kommt nicht umhin zu sagen, dass es der Akademie der Wissenschaften gut anstehen würde, sich in die Berufsbildung Schweiz zu vertiefen. Auch wenn man provoziert, braucht es Sachkenntnisse, sonst bekommt das Ganze einen Anstrich von Dummheit. Wer sich vertieft mit der Berufsbildung auseinandersetzt, kommt nämlich zum Ergebnis, dass es wirkliche bildungspolitische Probleme gibt. Diese hängen damit zusammen, dass sich die akademische Welt noch zu stark von der Berufsbildungswelt abschottet und so die Durchlässigkeit zwischen diesen Welten zu wenig klappt.