Mit wenigen Ausnahmen öffneten sich 2011 die Lohnscheren bei den untersuchten Versicherungen einmal mehr. Spitzenreiter dieser Unverschämtheit ist der Verwaltungsratspräsident von Zurich mit einer Öffnung der Lohnschere um 37 Prozent. Aber er ist nicht alleine mit seinem hohen Lohnanstieg.
Seit acht Jahren untersucht Travail.Suisse, die unabhängige Dachorganisation von 170’000 Arbeitnehmenden, im Rahmen der Managerlohnstudie die Lohnscheren von Zurich, Swiss Life, Helvetia und Baloise. Einmal mehr zeigen die Zahlen: Die oberste Etage legt zu, während der Tiefstlohn in keiner der Versicherungen angehoben wurde.
Swiss Life als negatives Musterbeispiel
Bei Swiss Life stiegen 2011 alle hohen Löhne deutlich an, während der Tiefstlohn konstant blieb. Verwaltungsratspräsident Dörig verdiente 2011 neu 1.666 Mio. Franken und damit 10 Prozent mehr als im Vorjahr. Die durchschnittliche Vergütung eines Verwaltungsratsmitglieds stieg gar um 16 Prozent an. Bei der Konzernleitung sieht es ähnlich aus: CEO Bruno Pfister erhielt 13 Prozent mehr als im Vorjahr und damit 76mal den Tiefstlohn. Die durchschnittliche Vergütung eines Konzernleitungsmitglieds stieg um 7 Prozent auf 2.2 Mio. Franken und eine Lohnschere von 1 zu 41 an.
Im Zehnjahresvergleich ist die Lohnschere zwischen der durchschnittlichen Vergütung pro Konzernleitungsmitglied und dem Tiefstlohn von 1 zu 23 auf 1 zu 41, also um untragbare 80 Prozent aufgegangen. Beim Durchschnittslohn eines Verwaltungsrats hat sich das Verhältnis in dieser Zeit von 1 zu 3.1 auf 1 zu 6.4 und damit um 110 Prozent verschlechtert.
Zurich: Umsatz und Gewinn sanken, CEO und Verwaltungsratpräsident verdienten mehr
Die Lohnschere bei der Zurich öffnete sich 2011 um 8 Prozent auf 1 zu 150. Oder anders formuliert: Das was Herr Senn 2011 zusätzlich verdiente, entspricht dem, was ein Arbeiter mit Tiefstlohn in seinem Unternehmen innerhalb von 12 Jahren verdient. Welch unverschämte Tatsache bei einem Gewinnrückgang um 8 Prozent und einem Drittel weniger Umsatz! Auch der Verwaltungsrat erhielt deutlich mehr: Hier öffnete sich die Lohnschere um 18 Prozent auf über 1 zu 7. Ein weiterer Beweis dafür, dass die Symmetrie der Bonussysteme meist nicht funktioniert. Es werden Boni ausbezahlt unabhängig davon, ob die Leistungen gut oder schlecht waren. An der GV haben denn auch 13.4 Prozent der Aktionäre den Vergütungsbericht abgelehnt.
Zurich gibt die Vergütungen für den Verwaltungsrat neu in Schweizer Franken und nicht mehr in US Dollar an. Diese Umstellung wurde natürlich für eine deutliche Erhöhung der Ansätze genutzt. Zurich begründet dies damit, dass die Entlöhnung nicht mehr dem aktuellen Marktniveau entsprach. Es darf bezweifelt werden, ob die vorherige durchschnittliche Entlöhnung von über 25’000 Franken pro Monat für einen Verwaltungsrat zu knapp bemessen war. Nach der Erhöhung waren es jedenfalls durchschnittlich 30’000 Franken pro Monat. Vor allem der Verwaltungspräsident profitierte. Er erhielt 2011 eine Million Franken und damit unglaubliche 37 Prozent mehr. Der Verwaltungspräsident ist Mitglied des Entschädigungsausschusses, welcher die Empfehlungen für die Vergütung erarbeitet. Es ist natürlich schon ein fragwürdiges System, wenn Herr Gentz sein eigenes Gehalt auf diese Weise um 270’000 Franken erhöhen kann.
Die Löhne der Konzernleitungsmitglieder der Zurich sind leicht gesunken, was aber vor allem auf den tiefen Wechselkurs zurückzuführen ist. Die Löhne sind noch immer in Dollar angegeben und werden für die Analyse in Franken umgerechnet. Diese Umrechnung bereitet Probleme, da Zurich keinen Wechselkurs angibt. In solchen Fällen hat Travail.Suisse die Angaben mit dem Jahresdurchschnittswechselkurs der Schweizerischen Nationalbank umgerechnet. Mit dem letztjährigen Wechselkurs wären die Gehälter gestiegen.
Helvetia: Kontinuierlich nach oben
Bei Helvetia stieg die Vergütung seit dem CEO-Wechsel im Jahr 2007 kontinuierlich an. 2008 lag die CEO-Lohnschere bei 1 zu 17, 2009 bei 1 zu 21, 2010 bei 1 zu 23 und 2011 bei 1 zu 25. Weshalb sollte der CEO jedes Jahr zwei Jahressaläre eines Mitarbeiters zum Tiefstlohn mehr erhalten? Die Konzernleitung erhielt durchschnittlich knapp 2 Prozent mehr und kommt damit auf ein Verhältnis von 1 zu 19.
Auch bei Helvetia war beim Verwaltungsratspräsidenten der grösste Shift nach oben zu verzeichnen. Erich Walser erhielt 2011 knapp 30 Prozent mehr und die Lohnschere stieg auf 1 zu 14.
Schlechtes Ergebnis bei Baloise – weniger Bonuszahlungen
Einzig bei der Baloise zeigt sich ein anderes Bild. Das schlechte Jahresergebnis, unter anderem wegen Abschreibungen auf griechischen Staatsanleihen, spiegelt sich in den Vergütungen für die Konzernleitung wider. Die Lohnschere schloss sich um 8 Prozent auf 1 zu 32. Auch CEO Strobel verdiente 11 Prozent weniger. Der Rückgang ist auf die tiefere Anzahl Aktien und einen tieferen Aktienwert zurückzuführen. Bei 15 Prozent weniger Umsatz und 86 Prozent weniger Gewinn ist aber definitiv auch nichts anderes zu erwarten.
Die Erhöhung der Löhne im Verwaltungsrat ist auf den personellen Wechsel im Präsidentenamt zurückzuführen. Da der neue Präsident nicht mehr exekutiv ist, wird er in die durchschnittliche Entlöhnung eingerechnet, was den Durchschnitt in die Höhe treibt.
Baloise wird dadurch aber nicht zum Musterschüler. Die langfristige Perspektive zeigt eine Öffnung der Lohnschere von 126 Prozent: 2002 lag die Lohnschere zwischen den durchschnittlichen Vergütung eines Konzernleitungsmitglied und dem Tiefstlohn bei 1 zu 14. 2011 lag sie bei 1 zu 32.