Die überhöhten Preise in der Schweiz und insbesondere der sogenannte Schweiz-Zuschlag auf Import-Produkten ist seit mehreren Jahren ein brisantes Thema. Die Fair-Preis-Initiative des Schweizerischen Konsumentenschutzes und anderen Wirtschaftsverbänden nimmt dieses Element der gescheiterten Kartellgesetzrevision auf und fordert die Verankerung der Einkaufs- und Beschaffungsfreiheit in der Bundesverfassung. Dadurch kann die Wettbewerbsfähigkeit der exportorientierten Branchen gestärkt und die Kaufkraft der Arbeitnehmenden um rund 15 Milliarden Franken pro Jahr gesteigert werden. Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, hat sich für eine ideelle Unterstützung dieser Initiative ausgesprochen.
Dass die Preise für Kosmetikartikel, Kleider, Zeitschriften, Elektronikartikel usw. in der Schweiz zum Teil deutlich über den Preisen in den umliegenden Ländern liegen, ist seit langem bekannt. Ebenso, dass es sich dabei nur zum Teil um eine Folge der vergleichsweise hohen Löhne und Infrastrukturkosten in der Schweiz handelt. Gezielt schöpfen die Produzenten mit sogenannten Schweiz-Zuschlägen die hohe Kaufkraft in der Schweiz ab. Die Initiative ist nun eine Reaktion auf (Nicht-)Entscheide des Parlaments. Im Februar 2012 legte der Bundesrat dem Parlament die Revision des Kartellgesetzes vor. Die Gesetzesvorlage des Bundesrats hatte zum Ziel, den Wettbewerb in der Schweiz zu stärken und damit die Preise zu senken. Die Hochpreisproblematik stand also am Ursprung der Kartellgesetzrevision, war dann aber in der Vorlage nur noch am Rande präsent. Gleichzeitig wurde die Revision insbesondere mit institutionellen Reformen und einem faktischen Teilkartellverbot im Bereich der Vertikalabreden „überfrachtet“. Die Folge war ein Scheitern dieser Kartellgesetzrevision in der parlamentarischen Beratung im September 2014. In der Folge wurde der Punkt der Hochpreisinsel Schweiz von Ständerat Hans Altherr aufgenommen und als parlamentarische Initiative (14.449 / Überhöhte Importpreise – Aufhebung des Beschaffungszwanges im Inland) eingereicht. Sowohl die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates als auch des Nationalrates haben dieser parlamentarischen Initiative zugestimmt, womit bis Sommer 2017 eine Vorlage ausgearbeitet werden muss. Weiter hat auch der Kanton Schaffhausen eine Standesinitiative (16.301 / Bekämpfung der Hochpreisinsel Schweiz) eingereicht, die allerdings bis jetzt im parlamentarischen Prozess noch nicht behandelt wurde.
Überhöhte Preise: Tiefere Kaufkraft für Arbeitnehmende – tiefere Wettbewerbsfähigkeit für Unternehmen
Die Eidgenössische Zollverwaltung weist im Jahresbericht zum Schweizer Aussenhandel 2015 aus, dass letztes Jahr Konsumgüter im Wert von rund 80 Mrd. Franken, Investitionsgüter im Wert von 40 Mrd. Franken und Rohstoffe und Halbfabrikate für 37 Mrd. Franken importiert wurden.
Bei den Konsumgütern können die importierten Nahrungsmittel für rund 8 Mrd. Franken abgezogen werden, da deren Überteuerung aufgrund politisch gewollten Zöllen zum Schutz der Schweizerischen Landwirtschaft besteht. Wird für die verbleibenden 72 Mrd. Franken Konsumgüterimporte eine Überteuerung von 20-25 Prozent geschätzt 1 ergibt sich eine ungerechtfertigte Abschöpfung der Kaufkraft in der Grössenordnung von rund 15 Mrd. Franken pro Jahr. Gleichzeitig leidet der Detailhandel unter dem stark zunehmenden Einkaufstourismus. Dieser macht mittlerweile rund 11 Mrd. Franken pro Jahr aus, gefährdet damit aktiv Arbeitsplätze in der Schweiz und führt insbesondere zu zunehmendem Druck auf die Arbeitsbedingungen in der Branche.
Auch im Bereich des Imports von Investitionsgütern und Halbfabrikaten liegt eine Überteuerung vor. Diese dürfte nicht ganz in der Grössenordnung der Konsumgüter liegen, allerdings unter dem Strich auch etliche Mrd. Franken pro Jahr ausmachen. Damit sind Unternehmen in der Schweiz, welche Produkte für den internationalen Markt produzieren neben dem überbewerteten Franken mit einem zusätzlichen Preisnachteil konfrontiert. Ein Verlust an Wettbewerbsfähigkeit und entsprechend negative Folgen auf das Wachstum und den Arbeitsmarkt sind die Folge.
Entscheidend ist, dass sich die Initiative faire Beschaffungspreise – also Importpreise – fordert und nicht etwa Verkaufspreise. Damit sind weder Margen, noch die Infrastrukturkosten und insbesondere auch nicht die vergleichsweise hohen Löhne in der Schweiz betroffen.
Ideelle Unterstützung der Fair-Preis-Initiative zum Nutzen der Arbeitnehmenden
Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, hat die ideelle Unterstützung der Fair-Preis-Initiative beschlossen. Der Vorstand von Travail.Suisse ist einstimmig der Meinung, dass die Initiative geeignet ist, um den Druck für eine Lösung des Problems Hochpreisinsel Schweiz auch nach der gescheiterten Kartellgesetzrevision aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig werden hauptsächlich zwei positive Effekte für die Arbeitnehmenden der Schweiz erwartet. Einerseits verbleibt eine stattliche Summe pro Jahr im Portemonnaie der Arbeitnehmenden anstatt als ungerechtfertigte Gewinne an internationale Grosskonzerne und Importeure abzufliessen. Diese zusätzliche Kaufkraft stützt den privaten Konsum mit entsprechend positiven Auswirkungen auf das Wachstum und den Arbeitsmarkt. Andererseits kann über faire Preise bei den Investitionsgütern und Halbfabrikaten die Wettbewerbsfähigkeit der exportorientierten Unternehmen verbessert werden, was sich positiv auf den Erhalt, resp. die Schaffung, von Arbeitsplätzen und der Löhne auswirkt.
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p(footnote). 1 Was einer Studie des SECO von 2003, als vor der starken Aufwertung des Schweizer Frankens entspricht und daher eine konservative Schätzung darstellt (vgl. Martin Eichler, Michael Grass, Christoph Koellreuter, Thomas Kübler: Preisunterschiede zwischen der Schweiz und der EU).