Der Forschungsplatz Schweiz ist unter Druck. Die ungelöste Europafrage, gegenwärtig belastet durch die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative (MEI), produziert Kollateralschäden in der Forschung. Ende Jahr fällt die Schweiz als assoziiertes Mitglied auch noch aus dem ersten Pfeiler des Programms Horizon 2020 heraus, wenn keine Lösungen im Kroatiendossier und bei der Personenfreizügigkeit vorliegen. Für Travail.Suisse, die unabhängige Dachorganisation der Arbeitnehmenden, ist das eine gefährliche Entwicklung, die nicht kleingeredet werden darf.
Die Schweiz gehört in der Forschung zur Topliga. Ihre Position steht allerdings in der Gefahr, unterspült zu werden. Auf drei reale Risiken ist hier hinzuweisen:
1. Forschung ist auf internationalen Austausch angewiesen. Für die Schweiz war es sehr wichtig, dass sie ab 2004 als assoziertes Mitglied in die EU-Forschungsprogramme aufgenommen worden ist. Damit verfügten die Schweizer Forscher (und auch Unternehmen) über die gleichen Rechte und Pflichten im Rahmen der EU-Forschungsprogramme und waren engstens mit den Forschungsentwicklungen verwoben. Die Schweiz hat diese Chance optimal genutzt. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass sie mehr Forschungsgelder aus den EU-Forschungsprogrammen herausholen konnte, als sie selber eingezahlt hatte. Seit der Annahme der MEI hat aber der internationale Austausch über die EU-Forschungsprogramme einen herben Dämpfer erfahren. In den Pfeilern zwei und drei ist die Schweiz nur noch als Drittstaat geduldet. Und ab 2017 fällt die Schweiz auch im Pfeiler eins in den Drittstaatmodus, wenn es nicht gelingt, die Personenfreizügigkeit in einer von der EU und der Schweiz akzeptierten Form fortzuführen und auf Kroatien auszuweiten. Damit würde die Schweiz aber wichtige Zugänge zur Forschungswelt verlieren.
2. Unsicherheit ist Gift für die Forschung. Forschung ist ein langjähriges Unternehmen. Sie ist auf Konstanz und Sicherheit angewiesen. Die gegenwärtigen bilateralen Probleme, welche durch die MEI ausgelöst wurden, schwächen das System. Sowohl Hochschulen als auch Unternehmen sind unsicher, wie es weitergeht, und sind deshalb in ihren Entscheidungen behindert und in ihrer Motivation geschwächt. Zudem ist das Gewinnen von talentierten Forschenden schwieriger geworden. Ein Land mit Drittstaatmodus verspricht keinen optimalen Zugang zu Forschungsprojekten. Da nimmt man lieber eine andere Stelle in einem anderen Land an, welches diesen Zugang auf längere Frist ermöglicht.
3. Ein Pluspunkt weniger für eine Ansiedlung eines Unternehmens. Warum kommt jemand mit einem Unternehmen in die Schweiz und schafft hier Arbeitsplätze? Einer der Gründe ist sicher die Tatsache, dass die Schweiz punkto Forschung zur Topliga gehört. Wie lange gilt das allerdings noch? Wenn sich die Abschottung durchsetzt und die Schweiz in den EU-Forschungsprogrammen nur noch als Drittstaat teilnehmen kann, verliert die Forschung mittel- und längerfristig ihren Glanz. Ihre Position wird langsam und fortschreitend unterspült. Damit aber auch eine jener Säulen, welche den wirtschaftlichen Erfolg tragen.
Die MEI führt heute schon zu Kollateralschäden bei der Forschung. Es ist zu hoffen, dass sie sich nicht noch verstärken, sondern korrigiert werden können. In diesem Sinne ist für Travail.Suisse klar, dass eine einvernehmliche Lösung mit der EU angestrebt werden muss. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Möglichkeit einer einseitigen Schutzklausel ist nicht zielführend und mit Blick auf die wirtschafts- und forschungspolitischen Folgen gefährlich.