Nach den Wahlen und dem Rücktritt von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf ist klar: Die Interessen der Arbeitnehmenden werden es in den nächsten vier Jahren noch schwieriger haben. Die Sanierung der Altersvorsorge 2020 wird vom Nationalrat verschlechtert, da und dort wird schon dem Rentenalter 67 das Wort geredet. Die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative und die Sicherung der Bilateralen Verträge sollen ohne Verbesserung des Lohnschutzes vollzogen werden. Travail.Suisse wird in den nächsten vier Jahren gefordert sein.
Die Wahlplakate sind wieder aus dem öffentlichen Raum verschwunden. In den Zeitungen sind weniger Inserate zu sehen. Die Wahlen sind vorbei. Klar, in einigen Kantonen folgen noch die 2. Wahlgänge für die Ständeratswahlen. Wir kennen nun die Parteienstärken und die Wahlbeteiligung. Die Werbung der Parteien und der Kandidierenden und Berichterstattung der Medien haben nicht dazu geführt, dass die Wahlbeteiligung gestiegen ist. 48.4 Prozent der Wahlberechtigten haben ihre Wahlzettel in die Urne gelegt. Leicht weniger als 2011. Das ist zu bedauern.
Die Motivation zu Wählen steigt beim Anblick des Wahlcouverts nicht. Im Kanton Bern waren 26 Listen im Angebot. Mit den Wahlprospekten ergab das ein fast ein Zentimeter dickes Couvert. Ich erhielt einige Fragen zum Wählen. Offenbar bereitet das briefliche Wählen vielen Wählenden Schwierigkeiten. Dabei müsste bereits auf dem Couvert eine bessere Schritt-für-Schritt-Anleitung aufgedruckt werden und die diversen Dokumente müssten nummeriert werden. Gute Beispiele aus anderen Kantonen würden mich interessieren. Die Gemeinden im Kanton Bern haben es immerhin erstmals geschafft, im ganzen Kanton den gleichen Typ Wahlcouvert einzusetzen. Unbegreiflich ist, dass im Zeitalter des Online-Bankings die Stimme nicht auch via Internet online abgegeben werden kann. 2019 muss dies ermöglicht werden. Die Kantone sind da an der Arbeit.
Schauen wir die Wahlresultate an, stellen wir fest, dass jene Parteien Sitzgewinne verbuchen konnten, welche den Interessen der Arbeitnehmenden nicht primär positiv gegenüberstehen. SVP und FDP haben mit den rechten Kleinparteien eine absolute Mehrheit im Nationalrat. Mit der CVP muss jedoch weiterhin auch eine bürgerliche Mittepartei überzeugt werden, wenn überhaupt eine Mehrheit Mitte-links mit aufgeschlossenen FDP-Vertretern avisiert werden soll. Im Ständerat wird es nicht viel besser werden, obwohl die SP erstmals mit 12 Sitzen vertreten sein könnte, wenn sie alle Sitze in den 2. Wahlgängen verteidigt. Die Kluft zwischen den beiden Kammern wird in den nächsten vier Jahren grösser. Es wird mehr Einigungsverfahren und Kompromisse geben.
Für die grossen Themen wie die Europafrage, die Energiestrategie oder die Altersvorsorge 2020 wird es in den kommenden vier Jahren schwierig, für die Arbeitnehmenden akzeptable Lösungen zu finden. Was nicht nach dem Gusto der SVP ist, wird als „links“ betitelt. Für die Vertreter der anderen bürgerlichen Parteien ein Schimpfwort, das sie sich nicht anhängen lassen wollen. Folglich sind sie in Zukunft noch weniger bereit, Kompromisse mit Mitte-Links einzugehen. Die viel erwähnte Polarisierung ist mit den Gewinnen der SVP grösser geworden. Gegendruck ist wahrscheinlich in vielen Themen von ausserhalb des Parlaments nötig.
Was heisst das für Travail.Suisse? Wir werden offen und konstruktiv mit allen Gewählten zusammenarbeiten, wie man dies von uns kennt. Dies ist im Interesse der Arbeitnehmenden. Die Positionen hat der Kongress im Forderungspapier 2016-2020 festgehalten. Wir werden damit alle Parlamentsmitglieder bedienen und unsere Zusammenarbeit anbieten. Die ersten Kontakte haben wir bereits geknüpft. Wenn Gesetze den Interessen der Arbeitnehmenden diametral widersprechen, werden wir vermehrt Referenden ergreifen müssen. Travail.Suisse ist referendumsfähig, und entsprechend werden wir unser Gewicht in die Debatten einbringen.
Mit dem Rücktritt von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf besteht nun auch Klarheit über die Bundesratswahlen vom 9. Dezember 2015. Dass die Vereinigte Bundesversammlung wie bereits 2007 einen zweiten SVP-Bundesrat wählen wird, ist nun zu erwarten. Es bleibt spannend, wer von der SVP nominiert wird. Hüben wie drüben werden Erwartungen an die Kandidierenden gestellt.
Die rechte Mehrheit im Nationalrat führt also mit grösster Wahrscheinlichkeit zu einer rechten Mehrheit im Bundesrat. Dass die Wahlen vom 18. Oktober eine Richtungswahl war, hat sich also bewahrheitet. Bereits 2003 bis 2007 war der Bundesrat mit zwei FDP- und zwei SVP-Mitgliedern bestückt. Es waren schwierige vier Jahre. Es gilt auch im Bundesrat die Interessen der Arbeitnehmenden mit guten Argumenten zu vertreten.
In vier Jahren werden wir Bilanz ziehen. Und in vier Jahren hat das Schweizer Wahlvolk wieder die Möglichkeit zu wählen. Es wäre zu wünschen, wenn mehr als die Hälfte an die Urne gehen würde.