In der kommenden Session wird das Parlament wiederum viele Geschäfte beraten, die für die Arbeitnehmenden von zentraler Bedeutung sind. Die Haltung von Travail.Suisse, dem unabhängigen Dachverband der Arbeitnehmenden, zu ausgewählten Geschäften ist im Folgenden kurz zusammengefasst.
Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik
Nationalrat – Postulat Regazzi. Negative Auswirkungen der Personenfreizügigkeit in den Grenzkantonen mit Massnahmenpaket abmildern (13.3945)
Das Postulat verlangt, dass der Bundesrat die Situation in den Grenzkantonen in Bezug auf Grenzgängerinnen und Grenzgänger, Dumping und Scheinselbständigkeit beurteilt und ein Massnahmenpaket zur Abmilderung der negativen Auswirkungen vorlegt.
Mit den flankierenden Massnahmen besteht ein wirksames Dispositiv, um gegen Lohndumping vorzugehen. Es bedarf allerdings einer laufenden Überprüfung und Anpassung der Instrumente, um insbesondere der angespannten Situation in den Grenzregionen gerecht zu werden. Die beschlossenen Massnahmen gegen die Scheinselbständigkeit bedürfen deshalb dringend einer Evaluation ihrer Wirksamkeit. Ausserdem ist eine Optimierung und Erweiterung der FlaM notwendig. Der Bundesrat erwähnt in seiner (ablehnenden) Antwort die Arbeitsgruppe Ineichen-Fleisch, deren Vorschläge zur Optimierung mittlerweile vorliegen, aber vom Bundesrat sistiert wurden. Dabei könnten gerade Erleichterungen bei der Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen dazu beitragen, Lohndumping zu verhindern und die Zustimmung zur Personenfreizügigkeit und zu den bilateralen Verträgen mit der Europäischen Union in den Grenzregionen zu sichern. Massnahmen zur Abmilderung der negativen Auswirkungen sind daher zu begrüssen. Travail.Suisse empfiehlt die Annahme dieses Postulats.
Ständerat – Bundesgesetz über die Ladenöffnungszeiten (14.095)
Mit dem Bundesgesetz über die Ladenöffnungszeiten sollen die Ladenöffnungszeiten in der Schweiz auf Bundesebene geregelt werden. Das Gesetz sieht Mindestöffnungszeiten unter der Woche von 6 bis 20 Uhr und am Samstag von 6 bis 19 Uhr vor. Damit müssten die bisher kantonal festgelegten Ladenöffnungszeiten in 17 Kantonen verlängert werden. Das Gesetz dient der Umsetzung der Motion Lombardi, welche sich als Massnahme gegen den Einkaufstourismus verstanden wissen will.
Sämtliche existierenden Untersuchungen zeigen, dass das hohe Preisniveau in der Schweiz die Hauptursache für den Einkaufstourismus darstellt und nicht Unterschiede in den Ladenöffnungszeiten. Verlängerte Ladenöffnungszeiten stellen für die rund 320‘000 Beschäftigten im Detailhandel eine grosse Belastung dar und führen zu einer Zunahme von überlangen Arbeitstagen, zerstückelten Diensten und grösseren Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Allein in den letzten sechs Jahren gab es neun kantonale Abstimmungen zur Frage der Verlängerung der Ladenöffnungszeiten. In acht dieser neun Abstimmungen wurden verlängerte Ladenöffnungszeiten von der kantonalen Stimmbevölkerung abgelehnt.
Travail.Suisse lehnt ein Gesetz, welches die Probleme des Einkaufstourismus nicht lösen kann, demokratisch legitimierte Entscheide in den Kantonen umstürzt und die Arbeitsbedingungen eines Grossteils der Beschäftigten im Detailhandel verschlechtert, ab und empfiehlt das Bundesgesetz über die Ladenöffnungszeiten zur Ablehnung.
Sozialpolitik
Nationalrat – Mo Ständerat (WAK-SR 09.300) Steuerbarkeit von Unterstützungsleistungen und steuerliche Entlastung des Existenzminimums (14.4004)
Der Bundesrat soll beauftragt werden, die Bundesgesetzgebung dahingehend zu revidieren, dass einerseits das Existenzminimum steuerlich entlastet wird und andererseits Unterstützungsleistungen und die Einkünfte aus Ergänzungsleistungen (EL) der Einkommenssteuer unterstellt werden.
Travail.Suisse empfiehlt wie die vorberatende Kommission die Motion zur Ablehnung. Sie tönt gut, löst aber keine der heutigen Probleme, sondern verschärft sie vielmehr: Zwar wäre die Steuerbefreiung des Existenzminimums sinnvoll. Auf Stufe Bund ist das Existenzminimum jedoch bereits heute de facto steuerbefreit. Bei der Definition der Kantons- und Gemeindesteuern sind dem Bund wegen der Finanzautonomie der Kantone sehr enge Grenzen gesetzt. Er darf keine Steuersätze oder Steuerfreibeträge festlegen, welche die Kantone einzuhalten haben. Auch steht es den Kantonen frei, das Existenzminimum nach ihrem Gutdünken zu definieren. Zu erwarten ist damit im Vergleich zu heute keine Verbesserung bezüglich Steuerbefreiung des Existenzminimums. Auf der anderen Seite werden durch eine Besteuerung der Sozialhilfeleistungen positive Erwerbsanreize reduziert: Einkommensfreibeträge, welche mit Erwerbseinkommen erwirtschaftet werden, müssten künftig für Steuerzahlungen verwendet werden. Damit das soziale Existenzminimum garantiert werden kann, müssten zudem die geschuldeten Steuern als anerkannte Ausgaben bei der Sozialhilfe und bei den EL eingerechnet werden. Da aber in den Kantonen und bei den EL zur Zeit wenig für eine Erhöhung der Ansätze spricht, wäre de facto eine Reduktion des verfügbaren Einkommens und damit eine Zuspitzung der Armutssituation die Folge. Aus den gleichen Gründen lehnt Travail.Suisse auch die Standesinitiative 09.300 „Besteuerung von Sozialhilfeleistungen“ ab.
Nationalrat und Ständerat – Bundesgesetz über die Unfallversicherung. Änderung (08.047)
Bei der Unfallversicherung handelt es sich um eine bewährte und finanziell gesunde Sozialversicherung. Nachdem die UVG-Revision 2011 auf Empfehlung der Sozialpartner an den Bundesrat zurückgewiesen wurde, wurden die Sozialpartner in die Neuauflage der Revision umfassend einbezogen. Das nun vorliegende Revisionspaket stützt sich weitgehend auf den von den Dachverbänden der Sozialpartner (u.a. Travail.Suisse) ausgearbeiteten Kompromissvorschlag. Travail.Suisse unterstützt diesen Kompromissvorschlag nach wie vor und empfiehlt dem Nationalrat, den Vorschlägen des Bundesrats zu folgen.
Travail.Suisse empfiehlt wie die Ständeratskommission in der Differenzbereinigung die zusätzliche Wartefrist, welche Arbeitgeber und Versicherer in der Berufsunfallversicherung vereinbaren können sollen, wieder zu streichen. Unterschiedliche Wartefristen erhöhen den Verwaltungsaufwand und erschweren die frühzeitige Unterstützung der Verunfallten.
Ständerat – Altersvorsorge 2020. Reform (14.088)
Travail.Suisse anerkennt den Willen der Sozialkommission des Ständerates, die Reform der Altersvorsorge politisch mehrheitsfähig zu machen. Das Rezept aus einem Mix von Verbesserungen und Verschlechterungen war bei früheren Reformen erfolgreich und kann auch bei dieser Reform Erfolg versprechen. Allerdings müssen die Arbeitnehmenden nach den Vorschlägen der SGK-S gar viele bittere Pillen schlucken. Verbesserungen sind deshalb aus Sicht von Travail.Suisse nötig.
Konkret fordert Travail.Suisse, dass als Kompensation für die Erhöhung des Frauenrentenalters der soziale Ausgleich bei der flexiblen Pensionierung beibehalten wird. Travail.Suisse unterstützt den entsprechenden Minderheitsantrag. Zudem muss der heutige Koordinationsabzug, welcher Teilzeitarbeit benachteiligt, stärker gesenkt werden, als dies die Sozialkommission vorsieht. Auch das hilft vor allem den Frauen. Weiter braucht es dringend gesetzliche Vorkehrungen, um der Lohndiskriminierung Einhalt zu gebieten sowie gesetzliche Massnahmen, welche sicherstellen, dass die Wirtschaft die Frauen länger beschäftigt.
Bezüglich Kompensationsmassnahmen zur Senkung des Mindestumwandlungssatzes ist Travail.Suisse erfreut, dass eine Lösung teilweise über die AHV vorgeschlagen wird. Dies allein wird allerdings nicht reichen, um Rentenverluste zu verhindern. Deshalb braucht es auch die Zuschüsse aus dem Sicherheitsfonds BVG als weitere Kompensationsmassnahme. Im Vergleich zum Vorschlag des Bundesrates ist die Lösung einfacher, aber auch weniger verlässlich. Es muss deshalb noch eingehend geprüft werden, ob damit wirklich keine Rentenkürzungen eintreten. Bezüglich Diskriminierung älterer Arbeitnehmender, bei welcher häufig die höheren Altersgutschriften als Begründung vorgebracht werden, hat es die Kommission verpasst, Verbesserungen vorzusehen. Hier bevorzugt Travail.Suisse die Variante des Bundesrates, welche die Altersgutschriften ab 45 plafoniert.
Travail.Suisse unterstützt zudem eine Stabilisierung der AHV-Finanzen durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Nachdem am Anfang von zwei zusätzlichen Mehrwertsteuerprozenten die Rede war, hat die SGK-S die Erhöhung auf ein Mehrwertsteuerprozent reduziert. Es ist fraglich, ob sich damit die demografischen Mehrkosten finanzieren lassen. Travail.Suisse unterstützt deshalb den Minderheitsantrag, zumindest auf der Linie des Bundesrates zu bleiben (1.5 Prozent). Begrüsst wird von Travail.Suisse, dass auf einen automatischen Interventionsmechanismus verzichtet wird und dass das alte und neue Mehrwertsteuerprozent voll der AHV zu gut kommen.
Die Senkung des Mindestumwandlungssatzes ist für die Versicherten nicht nachvollziehbar, wenn auf der Gegenseite die gewinnorientierten Lebensversicherungsgesellschaften geschont werden sollen. Sie sollen nach Vorschlag der SGK-S mit der Sozialversicherung berufliche Vorsorge wegen der Mindestquotenregelung („Legal Quote“) weiterhin überhöhte Gewinne auf dem Buckel der Arbeitnehmenden machen dürfen. Wenn sich hier die Versicherungslobby auf der ganzen Linie durchsetzt, wird dies die Reform als Ganzes gefährden. Denn die Bevölkerung ist nicht bereit, Opfer zu bringen, wenn die Versicherungsindustrie auf ihrem Buckel weiterhin Hunderte von Millionen Franken Gewinn machen kann. Travail.Suisse unterstützt deshalb die Minderheitsanträge im Ständerat, welche die Gewinne der Lebensversicherer einschränken wollen.
Gleichstellungspolitik
Nationalrat – Standesinitiative NE. Mutterschaftsurlaub bei Adoption (14.309)
Der Kanton Neuenburg möchte einen Adoptionsurlaub für Mütter nach dem Vorbild des geltenden 14-wöchigen Mutterschaftsurlaubs einführen, der durch die Erwerbsersatzordnung finanziert wird. Die beiden Kommissionen haben entschieden, der Standesinitiative nicht Folge zu geben, ebenso der Ständerat.
Travail.Suisse versteht die Einwände: Dieser Urlaub käme nur den Adoptivmüttern zugute. Bei einer Adoption sind jedoch beide Elternteile betroffen, und beide müssten über die für eine gute Aufnahme ihres Adoptivkinds erforderliche Zeit verfügen. Deshalb unterstützt Travail.Suisse die parlamentarische Initiative “Einführung einer Adoptionsentschädigung” (13.478) von Marco Romano (CVP/TI). Diese sieht bei der Adoption eines unter 4-jährigen Kindes einen Urlaub von 12 Wochen vor, den die Eltern frei untereinander aufteilen können. Diese Initiative wurde von den zwei zuständigen Kommissionen mit grosser Mehrheit angenommen. Die SGK-N erarbeitet nun einen Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Initiative.
Ständerat – Postulat Maury Pasquier. Mutterschaftsurlaub. Arbeitsunterbrüche vor dem Geburtstermin (15.3793)
Es ist wenig bekannt darüber, wie viele schwangere Frauen vor der Geburt ihre Erwerbstätigkeit frühzeitig unterbrechen, und vor allem über die Gründe dafür. Ständerätin Liliane Maury Pasquier beauftragt den Bundesrat, diese Frage zu prüfen und einen Bericht vorzulegen, allenfalls mit Empfehlungen für notwendige Massnahmen wie einen vorgeburtlichen Mutterschaftsurlaub.
Travail.Suisse unterstützt die Annahme dieses Postulats. Mitglieder der Verbände von Travail.Suisse berichten häufig über Situationen, wo Arbeitgeber den besonderen Bedürfnissen von Schwangeren am Arbeitsplatz nicht Rechnung tragen, obwohl sie gesetzlich dazu verpflichtet wären. Die Arbeitnehmerinnen sind deshalb häufig gezwungen, ein Arztzeugnis zu verlangen, auch wenn ihr Gesundheitszustand nicht direkt in Gefahr ist. Ein Bericht zu dieser Frage würde Anhaltspunkte zur aktuellen Praxis oder zum Fehlen von Daten und Informationen in diesem Bereich liefern.
Bildungspolitik
Ständerat – Postulat WBK-S. Förderung des Berufsabschlusses von Erwachsenen (15.3796)
Travail.Suisse unterstützt dieses Postulat voll und ganz. Es ist das absolute Minimum, was im Bereich des Berufsabschlusses für Erwachsene gegenwärtig unternommen werden muss. Vor allem ist aktuell eine nationale Sensibilisierungskampagne zu planen und durchzuführen. Es muss für Personen ohne beruflichen Erstabschluss klar werden, dass ein grosses Interesse daran besteht, dass sie einen Sek-II-Abschluss nachholen. Allerdings braucht es auch Finanzen, um die Lebenshaltungskosten der Erwachsenen in der Ausbildung zu decken.
Ständerat – Postulat Fetz. Fachkräftemangel. Nationale Datenbank für Unternehmen zur Interpretation und Vergleichbarkeit ausländischer Diplome (15.3632)
Es besteht in der Schweiz ein realer Bedarf nach mehr Wissen über ausländische Abschlüsse. Der Bund regelt vor allem die Anerkennung von ausländischen Diplomen. Das ist wichtig und wertvoll. Aber die grosse Mehrheit der Migrantinnen und Migranten verfügt über einen Abschluss, der nicht anerkannt zu werden braucht (kein reglementierter Beruf), der aber von einem potenziellen Arbeitgeber trotzdem richtig eingeschätzt werden muss, damit die Betroffenen eine ehrliche Chance zu einer Anstellung haben. Travail.Suisse unterstützt daher das Postulat Fetz und erwartet vom Bund eine Regelung für dieses Problem. Es sind auch Lösungen durchzudenken, in denen vorhandene Datenbanken der EU oder von EU-Staaten mitberücksichtigt werden.
Energie- und Umweltpolitik
Nationalrat – Für eine nachhaltige und ressourceneffiziente Wirtschaft. Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag (14.019)
Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK) des Nationalrats hat die Vorlage im Mai mit dem Argument des starken Frankens abgelehnt und einen Nichteintretensentscheid empfohlen, und nur dank des Stichentscheids von Kommissionspräsident Stéphane Rossini ist der Nationalrat in der Sommersession auf die Vorlage eingetreten. Es ist bedauerlich, dass kurzfristige konjunkturelle Argumente stärker gewichtet werden als die mittelfristige Notwendigkeit, die Wirtschaft nachhaltiger auszurichten. Wenn die Unternehmen ihren Ressourcenverbrauch stärker reduzieren, können sie Einsparungen erzielen und sich auf dem internationalen Markt besser positionieren, indem sie ihre Nachhaltigkeit als Verkaufsargument nutzen. Die Vorlage wurde bereits vom Ständerat auf das Minimum reduziert (freiwillige Rezyklierung gewisser Rohstoffe, keine Meldepflicht der Unternehmen usw.). Travail.Suisse unterstützt bei dieser Vorlage auch die Schaffung einer Plattform für grüne Wirtschaft mit Einbezug der Sozialpartner, da diese, weil sie im Zentrum der Produktion stehen, ihren Beitrag zu einer besseren Ressourcenbewirtschaftung in den verschiedenen Branchen und Unternehmen leisten können und müssen.
Nationalrat – Motion UREK-N. CO2-Kompensation im Ausland. Änderung des CO2-Gesetzes (15.3382)
Travail.Suisse empfiehlt dem Nationalrat diese Motion zur Ablehnung, da sie die Spielregeln in der aktuellen Klimapolitik ändern würde und einen Rückgang der Investitionen zur Folge hätte, die in der Schweiz zur Reduktion der CO2-Emissionen getätigt werden. Zudem würde die Innovationskraft leiden, und es würden weniger Arbeitsplätze in der Cleantech-Branche geschaffen. Die Schweiz würde sich damit noch weiter von ihrem langfristigen CO2-Ziel entfernen, das bei rund eineinhalb Tonnen pro Person liegt. Eine kurzsichtige opportunistische Klimapolitik, die sich von den sofort erwarteten Gewinnen einer einfachen Lösung blenden lässt, wird die Schweiz im Endeffekt wesentlich teurer zu stehen kommen als eine nachhaltige Politik.
Ständerat – Energiestrategie 2050, erster Teil. Für den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie. Volksinitiative (13.074)
Im Dezember 2014 verabschiedete der Nationalrat die Energiestrategie 2050. Travail.Suisse hat eine positive Bilanz gezogen. Die Mittel zur energetischen Gebäudesanierung werden von 300 auf 600 Millionen Franken pro Jahr verdoppelt, was dazu beitragen wird, Zehntausende von Arbeitsplätzen in der ganzen Schweiz zu schaffen und zu sichern. Die substanzielle Anhebung der kostendeckenden Einspeisevergütung (bis zu 2,3 Rappen pro Kilowattstunde) wird es ermöglichen, die erneuerbaren Energien deutlich auszubauen und den Atomstrom schrittweise damit zu ersetzen. Der Nationalrat hat auch Massnahmen zur Unterstützung der Wasserkraft vorgesehen, was im aktuellen Umfeld berechtigt ist. Schliesslich wurde für den schrittweisen Atomausstieg ein annehmbarer Kompromiss gefunden. Im Februar 2015 ist die UREK-S auf die Vorlage eingetreten. Travail.Suisse ist der Ansicht, dass ein Wettbewerb zwischen Wasserkraft und neuen erneuerbaren Energie möglichst vermieden werden sollte, vor allem für die Solarenergie. Der von der UREK verabschiedete Entwurf geht in die richtige Richtung, ausser in zwei Punkten: Erstens ist zu bedauern, dass sie im Gegensatz zum Nationalrat die Betriebszeit der Atomkraftwerke nicht begrenzen und kein langfristiges Betriebskonzept einführen will. Zweitens ist es schade, dass eine Mehrheit der UREK dem Nationalrat nicht folgt, was die Effizienzziele für die Netzbetreiber betrifft. Der Ständerat kann diesen Punkt korrigieren, indem er die Minderheit seiner Kommission unterstützt oder die Lösung des Nationalrats übernimmt.
Migrations- und Asylpolitik
Ständerat – Pa. Iv. Marra Die Schweiz muss ihre Kinder anerkennen (08.432)
Auf der Grundlage der parlamentarischen Initiative Marra von 2008 sieht der Entwurf vor, dass die Staatsbürgerschaft auf blossen Antrag der betroffenen Person bzw. ihrer Eltern gewährt wird. Mit einer schweizweiten Harmonisierung der Voraussetzungen für eine Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern der dritten Generation lassen sich die bestehenden rechtlichen Ungleichheiten beseitigen. Im Gegensatz zur Vorlage, die 2004 in einer Volksabstimmung mit 51,6 Prozent abgelehnt wurde, ist nun vorgesehen, dass die Einbürgerung nicht automatisch erfolgt und an genaue Kriterien geknüpft ist.
Am 11. März 2015 hat der Nationalrat die Vorlage mit 122 gegen 58 Stimmen angenommen. Im April 2015 sprach sich die Kommission des Ständerats für die Vorlage aus, allerdings mit einer restriktiveren Formulierung. Leider ist sie mit 7 zu 5 Stimmen auf ihren Entscheid zurückgekommen, mit dem Argument, dass das bestehende erleichterte Einbürgerungsverfahren für Ausländerinnen und Ausländer der 3. Generation ausreiche. Sie empfiehlt ihrem Rat einen Nichteintretensentscheid. Travail.Suisse ruft den Ständerat dazu auf, die Vorlage zu verabschieden. Die Einbürgerung auf Antrag für die dritte Ausländergeneration wird die Demokratie stärken, da die betroffenen Personen, die in der Schweiz sehr gut integriert sind, direkt und gleichberechtigt am politischen Leben des Landes werden teilnehmen können. Da der Entwurf eine Verfassungsänderung erfordert, wird bei der Bevölkerung Überzeugungsarbeit zu leisten sein, damit sie der Vorlage zustimmt.
Nationalrat – Asylrecht. Neustrukturierung des Asylbereichs (14.053)
Die Reform befindet sich auf der Zielgeraden, da der Ständerat ihr zugestimmt hat und die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrats eine Annahme mit nur wenigen kleineren Änderungen empfiehlt. Travail.Suisse unterstützt die Neustrukturierung, deren zentraler Teil darin besteht, die Asylverfahren zu beschleunigen und dafür die Rechte der Asylsuchenden zu stärken (kostenlose Beratung und Rechtsvertretung in den Bundeszentren). Die Reform ist auch notwendig, um das Asylrecht für Personen, die in ihrem Heimatland verfolgt werden, besser zu gewährleisten.
Nationalrat – Motion SVP-Fraktion. Für ein sofortiges Moratorium im Asylbereich (15.3645)
Travail.Suisse empfiehlt diese Motion ganz klar zur Ablehnung, da sie die humanitäre Tradition der Schweiz mit Füssen treten und unser Land vollkommen von den Nachbarländern isolieren würde. Verglichen mit anderen europäischen Ländern ist die Zahl der Asylgesuche in der Schweiz moderat gestiegen. Trotzdem legt die Motion den Finger auf eine wunde Stelle, nämlich dass die Migration von Menschen aus Ländern, in denen Krieg herrscht oder eine Diktatur besteht, unter inakzeptablen, unerträglichen Bedingungen stattfindet. Lösungen sind im Rahmen einer engeren Zusammenarbeit und einer verstärkten Solidarität zwischen Ziel-, Transit- und Herkunftsländern zu suchen.
Service public
Ständerat – Bestand des Bundespersonals auf dem Stand von 2015 einfrieren. Motion Finanzkommission (15.3494)
Mit der Beschränkung des Bundespersonals auf den im Budget 2015 vorgesehenen Bestand (35’000 Vollzeitäquivalente) ist die Motion zu unflexibel. Travail.Suisse empfiehlt die Motion deshalb zur Ablehnung. Gerade wenn sich die Konjunkturlage etwas eintrübt, muss die öffentliche Hand die Rolle eines Konjunkturmotors übernehmen, insbesondere indem sie auf eine allzu starre Personalpolitik verzichtet. Gegen eine zurückhaltende Einstellungspolitik, welche die Budgetvorgaben berücksichtigt, haben wir hingegen nichts einzuwenden.
Nationalrat – Grundversorgung. Allgemeine Verfassungsbestimmung (13.036)
Aus dem Verfassungsartikel werden sich keine neuen Ansprüche ableiten lassen, er setzt jedoch ein politisches Signal, indem er zum Ausdruck bringt, dass die Grundversorgung eine entscheidende Rolle spielt, damit die gesamte Bevölkerung in allen Regionen Zugang zu den Leistungen des Service public hat. Nachdem der Nationalrat einen Verfassungsartikel zur Grundversorgung auf Druck der Rechten abgelehnt hat, bestätigte der Ständerat im Juni 2015 seinen Willen, einen Artikel zur Grundversorgung in die Verfassung aufzunehmen. Somit geht das Geschäft ein letztes Mal zurück an den Nationalrat. Nach Ansicht von Travail.Suisse könnte diese Verfassungsbestimmung auch als indirekter Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Pro Service public» dienen.
Nationalrat und Ständerat – Volksinitiative. Pro Service public (14.038)
Der Ständerat hat diese Initiative einstimmig verworfen. Auch die Kommission des Nationalrats empfiehlt sie zur Ablehnung. Travail.Suisse erwartet, dass der Nationalrat sie ebenfalls ablehnt. Die von den Initianten vorgesehenen Instrumente für eine vermeintliche qualitative Verbesserung des Service public mit gleichzeitigen Preissenkungen sind unrealistisch. Weder die Abkehr vom Gewinnstreben noch tiefere Löhne im höheren Management von staatlichen Unternehmen, bei denen der Bund Mehrheitsaktionär bleibt, werden die Qualität verbessern. Die Initiative würde, indem sie es den betroffenen Unternehmen verbietet, mit den Grundleistungen Gewinn zu erwirtschaften, letzten Endes bewirken, dass die Steuerzahler zur Kasse gebeten werden, damit das Leistungsniveau gehalten werden kann. Ausserdem müsste der Bund auf einen Teil der Gewinne von Unternehmen wie Swisscom oder Post verzichten, was ebenfalls einen Leistungsabbau im Service public oder eine Anhebung der Steuern und Gebühren nach sich ziehen würde.
Steuer- und Finanzpolitik
Nationalrat – Strategische Überprüfung der Bundesaufgaben. Motion (15.3013)
Travail.Suisse empfiehlt die Motion zur Ablehnung, denn es handelt sich, anders als der Titel es vermuten liesse, weniger um eine strategische Aufgabenüberprüfung als um ein Sparprogramm. Der finanzielle Spielraum der Schweiz mit einer geringen Verschuldungsquote sollte nicht zum Sparen genutzt werden, sondern für Investitionen, die namentlich aufgrund der Bevölkerungsentwicklung für die Zukunft unabdingbar sind.
Nationalrat – Bericht über das Ausmass der Steuerhinterziehung und Steuervermeidung in der Schweiz. Postulat Wermuth (14.4239)
Travail.Suisse empfiehlt das Postulat zur Annahme. Es ist erfreulich, dass der Bundesrat bereit ist, im Sinne einer Gesamtschau die Stärken und Schwächen der verschiedenen Ansätze zur Messung der Steuerhinterziehung zu diskutieren und diese sowie die Massnahmen zur Eindämmung der Steuerhinterziehung in einem Bericht zu evaluieren. Es geht dabei um beträchtliche Summen: Gemäss dem Verfasser des Postulats beläuft sich das gesamte Ausmass der Steuerhinterziehung und Steuervermeidung in der Schweiz auf einen Betrag von 23,5 bis 28,9 Milliarden Franken jährlich (2011), was rund 15 Prozent der gesamten Einnahmen der öffentlichen Haushalte entspricht. Wenn die Staatsfinanzen schon durch Steuereinbussen infolge der Unternehmenssteuerreform III ausgeblutet werden – was der Fall sein wird, falls keine grundlegenden Korrekturen an der Vorlage erfolgen – wäre es sehr wichtig, aufgrund des verlangten Berichts Massnahmen zu treffen, die dafür sorgen, dass ein Teil der bisher hinterzogenen Steuern bezahlt wird.
Internationales
Nationalrat – Postulat WBK-N. Bericht des Bundesrates über das Engagement des Bundes gegen Kinderarbeit (15.3010)
Wie der Bundesrat empfiehlt Travail.Suisse dieses Postulat zur Annahme. Dieser Bericht wird das wichtige Engagement der Schweiz in dieser Frage besser zur Geltung bringen und intern und extern ein positives Bild der Schweiz zeichnen, was die Einhaltung der grundlegenden Arbeitsrechte betrifft.