Vor zehn Jahren hat in Bern der Gründungskongress von Travail.Suisse stattgefunden. In diesen zehn Jahren haben Travail.Suisse und die Mitgliedsverbände viel gearbeitet und einiges erreicht. Viele Themen wurden lanciert und vorangetrieben, Travail.Suisse hat sich als feste Grösse in der Schweizer Politik etabliert. Darum ist dieses kleine Jubiläum Grund genug, unser Credo der Vielfalt als Stärke mit Stolz und Überzeugung in die Zukunft zu tragen.
In Anwesenheit des damaligen Volkswirtschaftsministers Pascal Couchepin und vielen Gästen aus Politik und Wirtschaft wurde am 14. Dezember 2002 Travail.Suisse aus der Taufe gehoben. Hugo Fasel, Gründungspräsident von Travail.Suisse, sprach von einem „historischen Tag“, von einem „mutigen Schritt“, der die „Basis für eine starke Zukunft der Arbeitnehmerorganisationen“ legt. Die Arbeit und die Erfolge der letzten zehn Jahre haben diese Aussagen bestätigt
Etablierte Grösse in der Schweizer Politik
Travail.Suisse erhebt seit der Gründung den Anspruch, die Zukunft der Schweiz mit zu gestalten und die Interessen der Arbeitnehmenden mit Macht und Einfluss in den politischen Prozess einzubringen. Diesen Anspruch hat Travail.Suisse in den vergangenen zehn Jahren eingelöst. Travail.Suisse verfügt über ein tragfähiges Netzwerk im Bundeshaus und ist in der Lage, die politischen Entscheidungsprozesse zu beeinflussen. Zudem haben wir mehrfach bewiesen, dass Travail.Suisse erfolgreich Initiativen lancieren, Referenden ergreifen sowie Kampagnen führen kann.
Erfolgreiche Politik bedarf aber nicht nur des Zugriffs auf das „Instrumentarium der Macht“. Ebenso wichtig sind die Inhalte. Um im politischen Alltagsgeschäft glaubwürdig auftreten zu können, muss eine Organisation über gefestigte Positionen und grundsätzliche Orientierungspunkte verfügen. Genau das hat Travail.Suisse mit der Erarbeitung, Diskussion und Verabschiedung der Kongressdokumente in den Jahren 2007 und 2011 geliefert. Wir haben unsere Eckpunkte der Politik aus Sicht der Arbeitnehmenden festgelegt und die inhaltlichen Grundlagen unserer politischen Einflussnahme gesichert.
Profilierung und Erfolge mit eigenen Themen
Über die Erarbeitung von politischen Programmen hinaus hat Travail.Suisse mit eigenen Initiativen und Kampagnen, mit Positionspapieren und Medienarbeit und mit der Lancierung von Vorstössen im Parlament immer wieder Schwerpunkte gesetzt und erfolgreich die Führungsrolle im politischen Prozess eingenommen. Dazu einige Beispiele:
- Familienpolitik und Vereinbarkeit: Als Geburtstagsgeschenk hat Travail.Suisse die Initiative „Für faire Kinderzulagen!“ mit auf den Weg bekommen. Diese Initiative hat uns mit der Erarbeitung des Familienzulagengesetzes 2004/05, einer gewonnenen Volksabstimmung im Jahr 2006 sowie der definitiven Verwirklichung des Grundsatzes „ein Kind, eine Zulage“ per 1. Januar 2013 die ganzen zehn Jahre begleitet und uns die grössten Erfolge beschert.
- Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Neben den Kinderzulagen hat sich Travail.Suisse in der Familienpolitik vor allem mit dem Einsatz für die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familienarbeit einen Namen gemacht. Dazu gehören regelmässige Untersuchungen und parlamentarische Vorstösse zur Verbreitung von Vaterschafts- und Elternurlaub sowie mehrere Projekte zu den Themen Schwangerschaft und Erwerbstätigkeit (infoMutterschaft), Verbleib im Beruf nach der Geburt (mamagenda) und Wiedereinstieg ins Berufsleben nach der Familienphase (ExpérienceReprof).
- Bildungspolitik: Der Vorschlag eines Weiterbildungsobligatoriums hat die Bildungspolitik nachhaltig beeinflusst. Er wurde so ernst genommen, dass die entsprechende parlamentarische Initiative von der zuständigen Kommission erst behandelt – und abgelehnt – wurde, als das Weiterbildungsgesetz aufgegleist war. Keine Selbstverständlichkeit! Mit mehreren Studien und Projekten zu den Kosten der Ausbildungslosigkeit und zum Potenzial der Validierung von Bildungsleistungen haben wir es geschafft, die Nachholbildung auf die politische Agenda zu setzen, so dass sie sowohl im Ergebnis der Lehrestellenkonferenz 2012 als auch im soeben beschlossenen Programm des Bundesrates zur Bekämpfung der Armut eine prominente Rolle spielt.
- Belastung und Erholung: Mit der Initiative „6 Wochen Ferien für alle“ hat Travail.Suisse bereits 2007 jenes Thema aufgegriffen, das den Schweizerinnen und Schweizern gemäss einer jüngsten Umfrage heute am meisten Sorgen macht: die Belastung bzw. Überlastung bei der Arbeit. Auch wenn die Abstimmung nach einer guten Kampagne mit grosser Breitenwirkung verloren gegangen ist, ist das Thema Arbeitsbelastung und Erholung dank der Initiative politisiert und wird in den nächsten Jahren zu weiteren politischen Aktivitäten Anlass geben.
- Arbeitsmarkt und Managerlöhne: Zur Schaffung von qualitativ hochstehenden, sicheren und sinnstiftenden Arbeitsplätzen hat Travail.Suisse bereits 2008 mit einem Positionspapier und einer Medienkonferenz eine massive Förderung der Cleantech-Industrie gefordert und sich in der Folge auch dem Initiativkomitee der 2010 lancierten Cleantech-Initiative angeschlossen. Zudem haben wir mit unserer jährlichen Studie zu den Managerlöhnen zur öffentlichen Beachtung der schamlosen Bereicherung in den Teppichetagen beigetragen. Die politischen Folgen sind nicht ausgeblieben, das Parlament hat Verbesserungen zur Transparenz und Regulierung der Managerlöhne beschlossen und die Juso eine Initiative zur Begrenzung der Lohnschere lanciert.
- Altersvorsorge: Mit einer jährlichen Analyse hat Travail.Suisse den Missstand der überrissenen Milliardengewinne der Lebensversicherungen öffentlich thematisiert und damit 2010 auch zum Erfolg bei der Abstimmung gegen die Senkung des Umwandlungssatze beigetragen. Dank unserer Arbeit hat dieses Thema nun in der neuen Vorlage zur Reform der Altersvorsorge gebührend Eingang gefunden.
- Arbeitskräftemangel als Hauptproblem der Demografie: Mit den „Zehn Thesen zur Demografie“, die der Kongress 2011 verabschiedet hat, hat Travail.Suisse den Arbeitskräftemangel als Hauptproblem der Demografie medial und politisch positioniert und auch den politischen Handlungsbedarf klar benannt: Anstatt Panikmache in der Altersvorsorge zu betreiben muss die Politik Sorge tragen zu den Arbeitnehmenden und deren langfristiger Leistungsfähigkeit. Dazu gehören insbesondere Massnahmen zum Gesundheitsschutz, die Stärkung der Bildung für alle Arbeitnehmenden sowie die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Neben diesen Schwerpunkten hat Travail.Suisse auch mit Positionspapieren und Medienkonferenzen zur Migrationspolitik, zum Service public oder zur Sozialen Sicherheit immer wieder erfolgreich eigene Themen gesetzt. Insgesamt sind bei Travail.Suisse seit 2002 ungefähr 50 Positionspapiere verfasst, über 600 Artikel im Mediendienst zu aktuellen politischen Geschäften publiziert sowie weit über 1’000 Communiqués zu aktuellen politischen Entscheidungen und Ereignissen an die Medien versandt worden.
Unser Credo: Vielfalt als Stärke
Die Verbände von Travail.Suisse eint nicht eine gemeinsame Ideologie und, nach kurzen zehn Jahren, auch keine lange gemeinsame Geschichte. Die Verbände von Travail.Suisse eint jedoch ein gemeinsames Credo. Nämlich die Überzeugung, dass Vielfalt unsere Einheit nicht bedroht, sondern dass Vielfalt unsere Stärke ist.
Travail.Suisse hat diese Vielfalt gelebt mit eigenen Themen und Schwerpunkten. Mit „Lebensqualität zuerst“ am Kongress 2007 und mit „Mehr gute Arbeit“ am Kongress 2011. Mit Kinderzulagen und Vereinbarkeit, mit Managerlöhnen und Arbeitsplätzen dank Cleantech, mit Weiterbildungsobligatorium und Nachholbildung, mit verschwundenen Milliarden in der beruflichen Vorsorge und dem demografischen Arbeitskräftemangel und so weiter und so fort.
In diesem Sinn, als Pflege von eigenen Themen und Schwerpunkten, ist Travail.Suisse auch eine Absage an die Einheitsgewerkschaft. Travail.Suisse will die Vielfalt hoch halten und damit auch eine Alternative zum Schweizerischen Gewerkschaftsbund sein. Eine Alternative, die eigene Schwerpunkte und Themen pflegt, ohne der sinnvollen Zusammenarbeit eine Absage zu erteilen.
Mit dieser Überzeugung sind wir angetreten, um als unabhängige und attraktive Kraft die Arbeitnehmerorganisationen zu stärken. Mit dieser Überzeugung haben wir die letzten zehn Jahre erfolgreich gearbeitet und diese Überzeugung wird uns auch befähigen, die nächsten zehn Jahre – mindestens – erfolgreich weiter zu arbeiten.