Die „Zukunftsstudie 2029“ der Suva bestätigt: Der zunehmende Zeit- und Leistungsdruck am Arbeitsplatz ist ein ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko. Mit der Initiative „6 Wochen Ferien für alle“ gibt Travail.Suisse Gegensteuer. Mehr Ferien leisten einen wichtigen Beitrag für die Gesundheit und die langfristige Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmenden.
Vor rund einem Jahr veröffentlichte der Unfallversicherer Suva die „Zukunftsstudie 2029“. Elf internationale Expertinnen und Experten gingen der Frage nach, wie sich die Arbeitsbedingungen in den kommenden zwanzig Jahren entwickeln und wie sich diese Veränderungen auf die Gesundheit der Arbeitnehmenden auswirken werden. Gemäss der Studie gewinnt die Kopfarbeit gegenüber der körperlichen Arbeit weiter an Bedeutung („De-Industrialisierung“) und die Anforderungen an die sogenannten wissensbasierten Berufe werden zunehmen, weil Erwerbstätige auf allen Stufen stetig mehr (unternehmerische) Verantwortung übernehmen müssen.
Wachsende Komplexität und eine beschleunigte Welt erhöhen stressbedingte Krankheiten
Die Studie der Suva bestätigt auch, dass die technologische Entwicklung unser Leben weiterhin stark beeinflussen wird: Tempo und Multitasking am Arbeitsplatz nehmen weiter zu, Informationen müssen immer schneller entgegengenommen und verarbeitet, Entscheidungen in immer kürzerer Zeit gefällt werden. Wer sich dem Zeit- und Leistungsdruck nicht anpassen kann, hat es schwer, sich auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich zu behaupten. Überforderung und Stress werden von den meisten ohne Widerrede in Kauf genommen – mit der Folge, dass immer mehr Menschen an Depressionen oder Burnouts leiden. Dies wirkt sich auf die gesamte Gesellschaft aus. Studienleiter Georges T. Roos meinte gegenüber swissinfo : „Ich glaube, eines der grössten Arbeitsplatz-Risiken der Zukunft ist Stress. Weil sich praktisch alles beschleunigt, sind die Menschen mehr und mehr gestresst. Bald werden psychische Gründe für ausgefallene Arbeitsstunden verantwortlich sein – nicht die Grippe“. Gemäss Suva wird davon ausgegangen, dass bis ins Jahr 2030 psychische und neurologische Krankheiten um fünfzig Prozent zunehmen werden – die Anzahl arbeitsbedingter, psychischer Erkrankungen wird folglich jene der physischen übersteigen.
Die Grenzen zwischen Arbeits- und Freizeit werden zunehmend verwischt
Der zunehmende Leistungsdruck und das Verdichten der Arbeitsprozesse führen gemäss Suva auch dazu, dass sich Arbeits- und Freizeit immer weniger voneinander unterscheiden lassen. Einerseits, weil immer mehr zu Hause oder an übrigen Orten, nicht primär als Arbeitsumfelder konzipierten Orten, gearbeitet wird. Andererseits, weil von Arbeitnehmenden zunehmend verlangt wird, verfügbar oder erreichbar zu sein – die genau terminierte Arbeit nimmt ab, die Flexibilität der Arbeitszeit zu. Die sich auflösende Grenze zwischen Beruf und Freizeit fördert Gesundheitsrisiken, weil den Arbeitnehmenden immer weniger Zeit für die dringend benötigte Erholung bleibt. Burnouts und andere Überlastungskrankheiten nehmen zu.
Zukunftsstudie 2029: Besorgniserregende Signale, die bereits heute da sind
Insgesamt benennt die Suva-Studie 21 potenzielle Gefahren (Signale) einer sich wandelnden Arbeitswelt und Gesellschaft. Davon sind für Travail.Suisse sieben Signale besonders relevant und besorgniserregend: Sie identifizieren Entwicklungen, die sich nicht erst in Zukunft, sondern schon seit Jahren negativ auf unser Berufsleben und den Alltag negativ auswirken (vgl. Artikel in der Beilage).
Höchste Zeit für Gegenmassnahmen: Mehr Ferien für alle – damit Burnout nicht zur Normalität wird
Travail.Suisse sieht sich durch die Befunde der Suva-Zukunftsstudie in der Notwendigkeit von griffigen und tragbaren Gegenmassnahmen wie der Initiative „6 Wochen Ferien für alle“ bestätigt. Bereits in den letzten zwanzig Jahren erlebte die Schweiz eine intensive Erneuerung der wirtschaftlichen Strukturen: Die Hektik im Job ist rapide gestiegen, die Arbeitsprozesse wurden verdichtet, der Arbeitsrhythmus ständig erhöht. Unternehmen haben dadurch massiv an Produktivität und internationaler Wettbewerbsfähigkeit gewonnen. Für die Arbeitnehmenden hingegen war der Strukturwandel vor allem mit einer starken Zunahme der Arbeitsbelastung verbunden. Dass mehr Hektik, steigende Arbeitsbelastung, wachsender Leistungsdruck und Stress am Arbeitsplatz ein ernstzunehmendes Problem darstellen, wurde jüngst auch in der „Stressstudie 2010“ des Seco untermauert. Gemäss Seco leidet ein Drittel der Arbeitnehmenden unter chronischem Stress am Arbeitsplatz (häufig/sehr häufig). Das sind markante 7 Prozent mehr als noch vor 10 Jahren. Diese Entwicklung hat unmittelbare Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Gesundheit, aber auch auf die Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmenden. Kosten in Milliardenhöhe und steigende Invaliditätsraten zeugen bereits heute von den Entwicklungen, die die Zukunftsstudie prognostiziert.
Für Travail.Suisse und die angeschlossenen Gewerkschaften und Arbeitnehmerverbände ist durch die rasante technologische und wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte das Verhältnis zwischen Arbeitsbelastung und Erholung aus dem Gleichgewicht geraten. Zur Sicherstellung der Lebensqualität und der langfristigen Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmenden in der Schweiz müssen wir heute in Gesundheit, Erholung und Freizeit investieren.
Handeln wir jetzt – mit einem JA am 11. März 2012 zur Initiative „6 Wochen Ferien für alle“!