Die ersten bezahlten Ferientage gehen auf die 1930er-Jahre zurück, die geltenden 4 Wochen Ferien wurden 1984 im Obligationenrecht verankert. Auf 5 Wochen Ferien haben nur unter 20-Jährige und Lehrlinge einen gesetzlichen Anspruch. Die Initiative „6 Wochen Ferien für alle“ verlangt 6 Wochen Ferien für alle, unabhängig von Alter, Branche und Ausbildung.
Derzeit haben die Beschäftigten in der Schweiz durchschnittlich 5 Wochen Ferien. Es bestehen jedoch grosse Unterschiede, häufig mehr oder weniger zufällig, je nach GAV oder individuellem Arbeitsvertrag. Gerade Personen, die auf genügend Erholungszeit angewiesen wären, müssen häufig mit nur 4 Wochen Ferien auskommen. Für alle Arbeitnehmenden besteht auch die Gefahr, dass bei einem Arbeitgeberwechsel die Ferien gekürzt werden. Lediglich 41 Prozent der Beschäf-tigten sind einem GAV unterstellt, und auch dies ist keine Garantie für 6 Wochen Ferien.
In den letzten 25 Jahren hat sich die Arbeitswelt grundlegend verändert. Die Wirtschaft reagierte auf die Herausforderungen der Globalisierung mit tiefgreifenden Strukturanpassungen. Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit haben massiv zugenommen – einschneidende Restrukturierungen und eine verstärkte Flexibilisierung waren der Preis dafür.
Innerhalb von 25 Jahren ist die Produktivität der Arbeitnehmenden um 21,5 Prozent in die Höhe geschnellt. Die Reallöhne wurden in dieser Zeit dagegen lediglich um 4,3 Prozent angehoben. Wer konnte also die Früchte der spektakulären Produktivitätssteigerung ernten? Ein Teil davon hat dafür gesorgt, dass die Konkurrenzfähigkeit und Arbeitsplätze in der Schweiz erhalten blieben. Ein wesentlicher Teil diente jedoch dazu, die Aktienkurse, die Unternehmensgewinne und die Manager-Boni aufzublähen. Es ist an der Zeit, dass auch die Arbeitnehmenden von den Produktivitäts-gewinnen profitieren, die sie geschaffen haben!
Die Auswirkungen der veränderten Arbeitsbedingungen sind für die Arbeitnehmenden gravierend: Zunahme der Temporärarbeit, befristete Arbeitsverträge, Arbeit auf Abruf, Umschulungen, Anpas-sung an neue Technologien, Multitasking und hoher Arbeitsdruck aufgrund immer kürzerer Fristen.
Dies hat im Alltag schwerwiegende Folgen für die Gesundheit. Vom wachsenden Stress zeugen häufige Kopfschmerzen, Verdauungsprobleme, Schlafstörungen, Herzerkrankungen oder Burnout. Zwischen 2001 und 2007 ist der Anteil der Erwerbstätigen, die unter Stress leiden, von 40 Prozent auf 60 Prozent gestiegen. Ein Bericht des SECO von 2007 zum Thema «Arbeit und Gesundheit» zeigt, dass diese Problematik unsere Gesellschaft 10 Milliarden Franken pro Jahr kostet – ohne Berücksichtigung der verminderten Lebensqualität und der Folgen des permanenten Stresses für die familiären Beziehungen.
Wenn wir diese Spirale durchbrechen, indem wir die Erholungszeit in Form von zusätzlichen, besser auf das Jahr verteilten Ferien verlängern, könnten wir eine Möglichkeit zur Einsparung von Gesund-heitskosten nutzen, die ein beachtliches Potenzial hat!
Auch folgende Fakten sprechen für einen solchen Ansatz:
- Ab 55 Jahren beziehen 20 Prozent der Männer IV, und bei 40 Prozent der Beschäftigten, die unfreiwillig frühzeitig in Pension gehen, sind gesundheitliche Gründe verantwortlich.
- 1/3 der Personen mit Vollzeitpensum arbeitet mehr als 45 Wochenstunden. 2007 wurden in der Schweizer Wirtschaft 187 Millionen Überstunden geleistet, was fast 100’000 Arbeitsplätzen entspricht – oder 1 Stunde Überzeit pro Person und Woche bzw. sechs Tagen pro Jahr!
- In der Schweiz arbeiten wir durchschnittlich 44 Stunden pro Woche, was europäischer Rekord ist. Umgekehrt bilden wir mit 20 Tagen pro Jahr das Schlusslicht beim gesetzlichen Ferienanspruch.
Die hohe Arbeitsbelastung verunmöglicht ein gesundes Gleichgewicht zwischen Beruf und Privatleben
Sechs Wochen Ferien tragen zu einem besseren Gleichgewicht zwischen Privatleben, Erholung und Arbeit bei. In der Folge werden die gesundheitlichen Probleme abnehmen, und Personen ab 55 Jahren werden weniger häufig IV-Renten benötigen oder zu einer Frühpensionierung gezwungen sein, was der ganzen Schweiz und der gesamten Wirtschaft zugute kommt.
Mit der Bevölkerungsentwicklung werden sich die negativen Folgen der hohen Arbeitsbelastung in Zukunft noch verschärfen: Bis 2020 wächst die Altersgruppe der über 50-Jährigen um 20 Prozent. Die hohe Belastung im Erwerbsleben erfordert ein neues Gleichgewicht, besonders für die älteren Arbeitnehmenden. Mehr Ferien sind die wirksamste Massnahme, da nur in dieser Zeit eine voll-ständige, gesundheitlich notwendige Erholung möglich ist, die dafür sorgt, dass die Arbeitnehmenden langfristig leistungsfähig bleiben.
Das Erwerbsleben ist nicht ein Sprint, sondern ein Marathon. Es ist wichtig, langfristig durchzuhal-ten. Die Initiative «6 Wochen Ferien für alle» ist eine zeitgemässe, effiziente Antwort auf die Herausforderungen, denen wir uns mit den veränderten Arbeitsbedingungen als Folge der Globalisierung gegenübersehen.