Der Bundesrat legt vor Jahresende die Kontingente für ausländische Arbeitskräfte für das folgende Jahr fest und konsultiert vorab die Kantone und die Sozialpartner. Travail.Suisse empfiehlt, die Höhe dieser Kontingente unverändert zu belassen, und fordert gleichzeitig vom Bundesrat die Umsetzung von Massnahmen zur besseren Nutzung des in der Schweiz bereits verfügbaren Arbeitskräftepotenzials.
Der Handlungsspielraum der Schweiz im Bereich der Zulassung von Ausländerinnen und Ausländern zum Arbeitsmarkt ist begrenzt. Wenn man die Einreisen in die Schweiz nach Einwanderungsgründen anschaut, ist festzustellen, dass die Ausländerinnen und Ausländer mit kontingentierter Erwerbstätigkeit mit etwa 6 Prozent einen geringen Anteil ausmachen, erst recht im Vergleich mit den 40 Prozent im Rahmen des freien Personenverkehrs (die restliche Zuwanderung ist mit etwas über 30 Prozent auf den Familiennachzug zurückzuführen).
Die Festlegung der Kontingente ermöglicht eine politische Diskussion über die Migration
Nichtsdestotrotz besteht im Rahmen der heute betriebenen dualen Zulassungspolitik praktisch nur im Bereich der Kontingente ein gewisser Handlungsspielraum zur Regulierung der Zuwanderung von ausländischen Arbeitskräften.
Obwohl dieser Handlungsspielraum zahlenmässig gering ist, kommt ihm reale politische Bedeutung zu, denn die Diskussion um die Kontingente bietet auch die Gelegenheit zu einer Debatte über die Migrationspolitik in Zusammenhang mit anderen politischen Bereichen. Das ist sehr wichtig, denn es zeichnet sich immer deutlicher ab, dass man sich nicht mehr mit der Migrationspolitik befassen kann, ohne deren Auswirkungen auf andere Bereiche wie die Bildungs-, Integrations- und sogar Entwicklungspolitik zu berücksichtigen.
Für 2012 hat der Bundesrat Arbeitskräften aus Drittstaaten 3500 B-Bewilligungen (für mehr als ein Jahr) und 5000 L-Bewilligungen (Kurzaufenthalt von bis zu einem Jahr) erteilt. Die bisherige Nutzung dieser Einheiten zeigt, dass die festgelegten Kontingente ausreichen, um den Bedarf der Wirtschaft zu decken.
Travail.Suisse spricht sich dafür aus, die Kontingente 2013 auf demselben Niveau wie 2012 zu halten. Die Wirtschaftslage bleibt nämlich weltweit sehr unsicher, und die Eurokrise ist noch nicht vorbei. Im Inland wird der freie Personenverkehr immer weniger gut akzeptiert, und Volksinitiativen wie jene der SVP gegen «Masseneinwanderung» und von Ecopop (Stopp der Überbevölkerung – zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen) sind ernst zu nehmen. Die Zuwanderungsdebatte beschränkt sich nicht mehr nur auf die Missbräuche und den Arbeitsmarkt, sondern nimmt grössere Ausmasse an. Diskutiert werden auch die Auswirkungen des freien Personenverkehrs auf Raumplanung, Wohnungsmarkt, Verkehrsinfrastruktur usw.
Druck hin zu einer besseren Nutzung des Arbeitskräftepotenzials in der Schweiz
Travail.Suisse legt auch Wert darauf, dass die Diskussion über die Kontingente sich nicht nur auf die unmittelbaren Bedürfnisse der Wirtschaft ausrichtet, sondern auch einer zukunftsgerichteten Migrationspolitik dient, die noch andere Aspekte berücksichtigt. So muss die Schweiz vor dem Hintergrund der demografischen Alterung und eines verschärften weltweiten Wettbewerbs der Industriestaaten um qualifizierte Zuwanderinnen und Zuwanderer eine Migrationspolitik betreiben, die auf andere politische Bereiche abgestimmt ist und mit der eine zu starke Abhängigkeit von der Zuwanderung vermieden werden kann. Travail.Suisse erinnert deshalb im Rahmen der Vernehmlassung daran, wie wichtig eine bessere Ausschöpfung des in der Schweiz verfügbaren Arbeitskräftepotenzials, einschliesslich der Ausländerinnen und Ausländer, ist. Es liegt somit in unserem Interesse, dass wir uns gegenüber einer Deckung des Wirtschaftsbedarfes durch Kontingente relativ restriktiv zeigen, damit Massnahmen zur Förderung der Aus-, Weiter- und Nachholbildung in der Schweiz getroffen werden und die Mittel für die Integration deutlich erhöht werden.
In seinem Bericht über die Personenfreizügigkeit und die Zuwanderung in die Schweiz vom 4. Juli 2012 erkennt der Bundesrat die bestehenden Zusammenhänge zwischen der Migrationspolitik und anderen politischen Bereichen, insbesondere der Bildungs- und der Integrationspolitik. Auch die bessere Nutzung des einheimischen Arbeitskräftepotenzials wird angesprochen. Travail.Suisse befürwortet diese Stossrichtung. Nun geht es darum, konkrete Schritte nach vorn zu machen, indem die im Rahmen der EVD-Fachkräfteinitiative vorgesehenen Massnahmen umgesetzt werden. Insbesondere muss dafür gesorgt werden, dass informell erworbene Fähigkeiten bei der Erlangung von offiziellen Titeln berücksichtigt werden. Zudem ist die Nachholbildung zu berücksichtigen, die bisher vernachlässigt wurde, aber ein grosses Potenzial birgt, denn in der Schweiz verfügen 600’000 Menschen im Alter von 25 bis 64 Jahren über keine Ausbildung.
Was die Integration betrifft, sieht der Revisionsentwurf des Ausländergesetzes etwa 20 Millionen Franken zusätzlich vor. Das ist ein erster Schritt, aber nun muss noch das Parlament die Revision gutheissen. Zudem müssen auch die Kantone ihre Beiträge heraufsetzen, sonst wird die auf Bundesebene vorgesehene Erhöhung nicht freigegeben.
Aufhebung des Cabaret-Tänzerinnen-Statuts: Ja unter bestimmten Bedingungen
Gleichzeitig mit der Festlegung der Kontingente hat der Bundesrat eine Vorlage zur Aufhebung des Cabaret-Tänzerinnen-Statuts in die Vernehmlassung geschickt. Travail.Suisse hat dieses Statut in der Vergangenheit mehrfach kritisiert, denn die Erteilung von nicht kontingentierten Bewilligungen an diese Tänzerinnen verstösst gegen die duale Zulassungspolitik und ist schockierend. In den letzten Jahren haben denn auch mehrere Kantone auf die Erteilung von Bewilligungen für Cabaret-Tänzerinnen aus Drittstaaten verzichtet.
Der Bundesrat begründet die Aufhebung dieses Statuts damit, dass es viele Missbräuche bezüglich der Löhne und Arbeitsbedingungen gibt und dass die Durchführung von effizienten Kontrollen unmöglich ist. Aus dieser Sicht verbessert die Aufhebung des Cabaret-Tänzerinnen-Statuts den Schutz der Arbeitsbedingungen dieser Tänzerinnen nicht, sondern verschlechtert ihn eher, da die Tänzerinnen aus Drittstaaten einfach durch solche aus EU-Ländern oder illegal eingereiste ersetzt werden. Da man im Rahmen der Personenfreizügigkeit Kontrollen erst nachträglich bei Verdacht auf Missbrauch durchführen kann, verschlechtern sich die Lohn- und Arbeitsbedingungen der Tänzerinnen noch mehr. Deshalb heisst Travail.Suisse in ihrer Antwort auf die Vernehmlassung die Aufhebung des Statuts für Cabaret-Tänzerinnen aus Drittstaaten nur gut, wenn die Kontrollen für Cabaret-Tänzerinnen deutlich verstärkt werden und ein Mustervertrag aufgesetzt wird, der obligatorische minimale Arbeits- und Lohnbedingungen festlegt, die keine Ausnahme zulassen.