Obwohl sich die wirtschaftliche Lage in der Schweiz ausgesprochen solid präsentiert, zeigt die Lohnrunde 2015 ein durchzogenes Bild. Die Ergebnisse variieren von Nullrunden bis zu Lohnerhöhungen von 1.8%. Für die meisten Arbeitnehmenden wird es für das nächste Jahr Lohnerhöhungen von weniger als einem Prozent geben. Ergebnisse deutlich über einem Prozent haben Seltenheitswert. Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, beurteilt diese Lohnrunde als ungenügend. In auffallend vielen Bereichen konnte keine Einigung erzielt werden und die Sozialpartnerschaft präsentiert sich in einer schwierigen Lage.
Gabriel Fischer, Leiter Wirtschaftspolitik, Travail.Suisse
Der Dachverband Travail.Suisse und die ihm angeschlossenen Verbände Syna, transfair und Hotel&Gastro Union haben im August 2014 die Lohnrunde 2015 eingeläutet. Bereits im Sommer präsentierte sich die wirtschaftliche Lage als solid und die Aussichten als positiv. Auch wenn die Unsicherheit im weiteren Verlauf des Jahres wieder zugenommen hat, sind die Wachstumsprognosen der Schweizer Wirtschaft immer noch durchwegs positiv – die Löhne können mit dieser Entwicklung aber nicht Schritt halten. Im Jahr 2015 gibt es für die Arbeitnehmenden Lohnerhöhung zwischen null und 1.8%, wobei die Löhne durchschnittlich weniger als ein Prozent steigen werden und Erhöhungen deutlich über einem Prozent nur in wenigen Fällen erreicht werden.
Schweizer Wirtschaft sehr solid – Aussichten kontinuierlich positiver
Die Schweizer Wirtschaft hat sich in den letzten Jahren in einem schwierigen Umfeld sehr gut gehalten. Während der Euroraum seit der Finanz- und Schuldenkrise von einer anhaltenden Rezession geprägt ist, hat die Schweiz bereits Mitte 2010 wieder das Vorkrisenniveau erreicht und befindet sich seither auf einem soliden Wachstumskurs. Dabei erweist sich der Binnenmarkt als sehr dynamisch; die Lage für die Exportwirtschaft ist durchwachsener, aber dennoch robust. Trotz den nach wie vor bestehenden Unsicherheiten im Euroraum präsentiert das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO erfreuliche Wachstumsprognosen für die Schweiz: 2014 soll das BIP um 1.8% und 2015 gar um 2.4% wachsen. Und auch der Euroraum scheint die lange andauernde rezessive Phase überstanden zu haben: Für 2015 wird ein Wirtschaftswachstum von 1.2 % prognostiziert. Die Teuerung hingegen liegt auch für 2014 nahe bei null. Für 2015 scheint sich aber die Rückkehr einer bescheidenen Teuerung auf tiefem Niveau abzuzeichnen, das SECO prognostiziert sie für 2015 auf 0,4%.
Zähe Verhandlungen – Resultate ungenügend
Die Verhandlungen zur Lohnrunde 2015 verliefen äusserst zäh. Obwohl sich die wirtschaftlichen Aussichten in den meisten Branchen positiv präsentieren, können die Arbeitnehmenden kaum mit guten Abschlüssen davon profitieren – viele Unternehmen treten noch immer deutlich auf die Lohnbremse. Auch die nach wie vor sehr tiefe Teuerung zeigte sich als hinderlich in den Lohnverhandlungen, führt aber andererseits dazu, dass die erreichten Lohnerhöhungen immer auch Reallohnerhöhungen entsprechen. Insgesamt vermögen die Resultate nicht zu genügen. In auffallend vielen Bereichen konnte ausserdem überhaupt keine sozialpartnerschaftliche Einigung in der Lohnrunde erzielt werden. Die positiven Abschlüsse sind sehr rar. Hier die wichtigsten Punkte der Lohnrunde 2015:
1. Ungenügende Resultate Im Grossen und Ganzen werden die Löhne auf das nächste Jahr nur bescheiden wachsen. Die Lohnerhöhungen bewegen sich zwischen Nullrunden und 1.8%, wobei nur wenige Lohnabschlüsse über einem Prozent liegen. Für Travail.Suisse sind diese Resultate nicht befriedigend; insbesondere in der Industrie ist die Lohnentwicklung ungenügend und im Gewerbe zeigt sich die Sozialpartnerschaft in einer schwierigen Lage (vgl. unten). Aber auch im öffentlichen Verkehr stagniert die Lohnentwicklung und in der Bundesverwaltung fällt das Lohnwachstum mit 0.2% sehr mager aus.
2. Sozialpartnerschaft mit Schwierigkeiten
Travail.Suisse nimmt mit Sorge zur Kenntnis, dass die Sozialpartnerschaft insbesondere im Gewerbe in einer schwierigen Lage steckt. Im Bauhauptgewerbe ist die Sozialpartnerschaft nach dem Abbruch der Verhandlungen durch die Arbeitgeber regelrecht blockiert. Aber auch in diversen weiteren Branchen und Betrieben wurden die Lohnverhandlungen ohne Ergebnis beendet. Travail.Suisse ruft die Arbeitgeber auf, insbesondere in den Lohnverhandlungen wieder vermehrt Hand zu einer gelebten Sozialpartnerschaft zu bieten.
3. Individuelle Lohnerhöhungen sind willkürlich
Weiterhin kritisch wird die Verteilung der Lohnerhöhungen eingeschätzt. In den letzten drei Jahren hat die Verbreitung der rein individuellen Verteilung stark zugenommen. Für Travail.Suisse ist klar, dass dies keine gleichmässige Lohnentwicklung in den Unternehmen erlaubt, von der alle Arbeitnehmenden profitieren können. Bei individuellen Lohnerhöhungen besteht immer die Gefahr von Willkür und Bevorzugung, besonders wenn in den Betrieben keine transparenten Lohnsysteme existieren. Spätestens wenn die Teuerung im nächsten Jahr anzieht, sind zwingend auch wieder generelle Lohnerhöhungen zu gewähren. Nur generelle Lohnerhöhungen erhalten die Kaufkraft sämtlicher Arbeitnehmenden und lassen sie vom Wirtschaftswachstum profitieren.
4. Einmal mehr keine Bewegung bei den Frauenlöhnen Auch in diesem Jahr waren die Arbeitgeber nicht bereit bei der Gleichstellung der Frauenlöhne einen besonderen Effort zu leisten. Für Travail.Suisse ist klar, dass die Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern auf freiwilligem Weg nicht erreicht werden kann und unterstützt eine politische Lösungsfindung. Die Vorschläge des Bundesrates müssen allerdings noch mit griffigen Massnahmen im Bereich der Kontrollen und Sanktionen ergänzt werden, um das Ziel der Lohngleichheit wirklich zu erreichen.
5. Einige wenige Lichtblicke Zu den Lichtblicken gehört der auf 1.1.2015 neu in Kraft tretende Gesamtarbeitsvertrag für die Bäcker-, Konditoren- und Confiseurbranche. Dieser bringt neben einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen auch eine Anhebung der Mindestlöhne um bis zu 5.9%. Generell zeigt sich auch in der übrigen Dienstleistungsbranche eine überdurchschnittliche Entwicklung der Mindestlöhne (allerdings bei Mindestlöhnen auf sehr tiefem Niveau). Die Swisscom zeigt mit einer Lohnerhöhung von 1.8%, dass auch in Zeiten ohne Teuerung anständige Lohnerhöhungen möglich sind.