In der kommenden Session wird das Parlament wiederum viele Geschäfte beraten, die für die Arbeitnehmenden von zentraler Bedeutung sind. Die Haltung von Travail.Suisse, dem unabhängigen Dachverband der Arbeitnehmenden, zu ausgewählten Geschäften ist im Folgenden kurz zusammengefasst.
Wirtschaftspolitik und Arbeitsmarktpolitik
Nationalrat – Massnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit. Bundesgesetz (15.088). Schwarzarbeit hat schwerwiegende, negative Folgen auf den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft in der Schweiz. So geraten Arbeitnehmerschutz und Löhne unter Druck, bei starker Ausbreitung von Schwarzarbeit wird die Gefahr des Verlusts von Arbeitsplätzen virulent und es entsteht finanzieller Schaden am öffentlichen Haushalt generell und den Sozialversicherungen im Speziellen. Für Travail.Suisse ist daher klar, dass der Bekämpfung der Schwarzarbeit höchste Priorität beizumessen ist und dass insbesondere dafür zu sorgen ist, dass im ganzen Land mit gleicher Intensität gegen Schwarzarbeit vorgegangen wird. Die vorgeschlagene Revision des BGSA bringt insbesondere Synergieeffekte und somit letztlich eine leichte Verbesserung der Bekämpfung der Schwarzarbeit. Travail.Suisse empfiehlt, der Revision des BGSA in der Version des Bundesrates zuzustimmen und sowohl die Streichungsanträge der Mehrheit als auch der Minderheit der Kommission nicht zu berücksichtigen.
Nationalrat – Pa. Iv. Heim. Das Potenzial älterer Arbeitskräfte klug nutzen und klug stärken (15.489). Diese parlamentarische Initiative verlangt gesetzliche Grundlagen, um mit Anreizen und weiteren konkreten Massnahmen die Chancen älterer Arbeitskräfte für den Verbleib im Erwerbsleben zu stärken und auch um die Perspektiven für die Reintegration in den Arbeitsmarkt zu verbessern. In den letzten Jahren haben sowohl die älteren Arbeitnehmenden bei der Arbeitslosenkasse als auch in der Sozialhilfe überproportional zugenommen. Gleichzeitig zeigt sich bei den älteren, arbeitslosen Arbeitnehmenden eine überdurchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit. Die demografische Entwicklung lässt den Anteil der älteren Arbeitnehmenden auf dem Arbeitsmarkt weiter steigen. Verstärkte Weiterbildungsanstrengungen und eine Standortbestimmung in der Mitte des Berufslebens müssen zum Standard werden, um die Arbeitsmarktfähigkeit der älteren Arbeitnehmenden zu erhalten und das Potenzial optimal zu nutzen. Dazu können Sensibilisierungsmassnahmen durch die Sozialpartner, wie sie im Rahmen der Konferenz ältere Arbeitnehmende beschlossen worden sind, ebenso beitragen wie Anreize und konkrete Massnahmen durch die Politik. Travail.Suisse empfiehlt daher diese parlamentarische Initiative zur Annahme.
Ständerat – Entsendegesetz. Änderung (15.054). Mit der hier vorgeschlagenen Änderung des Entsendegesetzes soll im Wesentlichen eine Erhöhung der maximalen Verwaltungssanktion bei Verstössen gegen die minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen von 5‘000 auf 30‘000 Franken umgesetzt werden. Die bisherige Obergrenze ist deutlich zu tief, um eine abschreckende Wirkung auf ausländische Arbeitgeber, welche Arbeitskräfte in die Schweiz entsenden, auszuüben. Die geplante Erhöhung stärkt somit die Effektivität der flankierenden Massnahmen zum freien Personenverkehr. Der Nationalrat hat in der Frühlingssession ausserdem die Möglichkeit einer Verlängerung von Normalarbeitsverträgen integriert. Für Travail.Suisse macht diese Ergänzung Sinn, müsste doch sonst bei Auslaufen von zeitlich befristeten Normalarbeitsverträgen erst wieder die Unterbietung der orts- und branchenüblichen Löhne und Arbeitsbedingungen zugelassen werden, bevor ein erneuter NAV erlassen werden könnte. Dies erscheint offensichtlich als wenig sinnvoll und es kann kaum dem Willen des Gesetzgebers entsprochen haben, mit den NAV den Schutz des schweizerischen Arbeitsmarktes zu verbessern. Travail.Suisse empfiehlt die Änderung des Entsendegesetzes auf Basis des Beschlusses des Nationalrates zur Annahme.
Ständerat – OR. Verlängerung von Normalarbeitsverträgen mit Mindestlöhnen (16.029). In Branchen ohne Gesamtarbeitsvertrag können bei wiederholter missbräuchlicher Lohnunterbietung befristet Normalarbeitsverträge mit zwingenden Mindestlöhnen erlassen werden. Im Gesetz sind bis jetzt keine Voraussetzungen definiert, unter welchen ein bestehender NAV verlängert werden kann. Um zu verhindern, dass ein bestehender NAV wegfallen muss und erst nach erneuter wiederholter missbräuchlicher Lohnunterbietung erneut erlassen werden kann, schlägt der Bundesrat eine Anpassung des Gesetzes und damit eine Definition der Voraussetzungen zu einer Verlängerung eines NAV vor. Der Nationalrat hat bei der Änderung des Entsendegesetzes (15.054) eine zielführendere Möglichkeit zur Verlängerung der NAV integriert. Travail.Suisse empfiehlt, dem Vorschlag des Nationalrates aus dem Geschäft 15.054 zu folgen und deshalb auf die hier vorgeschlagenen Änderungen nicht einzutreten.
Ständerat – Motion Barthassat. Koordinierter Plan zum Schutz aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Lohndumping (11.3908). Die Motion verlangt vom Bundesrat, einen koordinierten Plan zur Bekämpfung von Lohndumping auszuarbeiten. Dieser Plan soll für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Schutz gewährleisten, der der Personenfreizügigkeit Rechnung trägt. Er soll namentlich folgende Massnahmen enthalten: Förderung des Abschlusses von Gesamtarbeitsverträgen (GAV) in allen Wirtschaftszweigen, schnellere Ausweitung der bestehenden GAV auf die ihnen noch nicht unterstellten Personen – allenfalls über eine Änderung des Bundesgesetzes über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen -, Ausarbeitung von Empfehlungen zur Revision von bestehenden GAV zuhanden der betroffenen Vertragspartner. Gesamtarbeitsverträge sind ein wirksames Instrument zum Schutz der Arbeitnehmenden vor Lohndumping. Ein koordinierter Plan ist aus Sicht von Travail.Suisse zielführend, um den Vorbehalten in der Bevölkerung gegenüber der Personenfreizügigkeit entgegenzutreten. Travail.Suisse empfiehlt daher diese Motion zu Annahme.
Sozialpolitik
Nationalrat – Altersvorsorge 2020. Reform (14.088). Die Reform der Altersvorsorge 2020 will die erste und zweite Säule in einem Gesamtpaket reformieren und soll die Altersvorsorge trotz der demografischen Zusatzbelastung zukunftstauglich machen. Der Bundesrat sah dabei keine Rentenkürzungen vor. Trotzdem müssten die Arbeitnehmenden gemäss dem Konzept des Bundesrats verschiedene Opfer bringen: Erhöhung des Frauenrentenalters, zusätzliche Mehrwertsteuerprozente, Senkung des Mindestumwandlungssatzes in der beruflichen Vorsorge. Dank verschiedenen Ausgleichsmassnahmen könnte die Rentenhöhe aber grundsätzlich gehalten werden. Zudem würde nach dem Konzept des Bundesrats Teilzeitarbeit besser versichert.
Der Ständerat hat daraufhin wesentliche Veränderungen vorgenommen: Als Kompensation für die Senkung des Mindestumwandlungssatzes sah er eine leichte Erhöhung der AHV-Neurenten vor, machte dafür die Abschaffung des Koordinationsabzugs in der beruflichen Vorsorge wieder rückgängig. Zudem beschränkte er die Mehrwertsteuererhöhung zugunsten der AHV auf ein Prozent. Weil er die Übergangsfrist für Kompensationsmassnahmen kürzte, ergaben sich für Versicherte unter 50 Jahren gewisse Rentenverluste. Die zu schluckende Kröte für die Arbeitnehmenden wurde insgesamt ein wenig grösser. Trotzdem war das Bemühen und Ringen um einen Kompromiss spürbar.
In der Sozialkommission des Nationalrats fand nun ein Paket eine Mehrheit, das für Travail.Suisse inakzeptabel ist. Das Versprechen, auf Rentenkürzungen zu verzichten, wird definitiv nicht mehr gehalten. Es sind Rentenkürzungen bis zu 2400.- jährlich vorgesehen. Dazu kommt ein Interventionsmechanismus mit einer automatischen Rentenaltererhöhung auf 67 Jahre. Zudem würde die Mehrwertsteuererhöhung für die AHV auf 0.6 Prozent beschränkt, so dass nicht von einer nachhaltigen Finanzierung gesprochen werden kann. Trotz Beitragserhöhungen in der beruflichen Vorsorge sollen die Arbeitnehmenden länger arbeiten müssen und Rentenkürzungen in Kauf nehmen. Gleichzeitig wurden sämtliche vorgesehenen Gewinnbeschränkungen bei den profitorientierten Lebensversicherungsgesellschaften entfernt, sowie Kinderrenten und Witwenrenten in der AHV gekürzt. Travail.Suisse ist dezidiert der Ansicht, dass eine solche Vorlage vor der Bevölkerung bei einem allfälligen Referendum chancenlos sein wird. Der Dachverband warnt vor einem erneuten Scherbenhaufen.
Konkret empfiehlt Travail.Suisse dem Nationalrat die folgenden Beschlüsse zu fassen:
Referenzalter 65: Dieses ist nur zu akzeptieren, wenn es an eine substanzielle Erhöhung der Mehrwertsteuer gekoppelt ist und für Frauen Verbesserungen im Bereich der Teilzeitarbeit und der Lohndiskriminierung erzielt werden sowie das flexible Rentenalter an einen sozialen Ausgleich gekoppelt wird („Erleichterter Vorbezug für Personen mit tiefen Einkommen“).
Bundesbeitrag an die AHV: Dieser soll unverändert bei 19.55 Prozent belassen werden. Eine Reduktion des Bundesbeitrags bei gleichzeitiger Erhöhung der Mehrwertsteuer ist unsozial und nicht zu vermitteln.
Zusatzfinanzierung AHV über Mehrwertsteuer: Damit die AHV nachhaltig finanziert werden kann ist eine substanzielle Erhöhung unerlässlich. Angemessen sind die 1.5 Prozentpunkte des Bundesrates. Der Vorschlag des Ständerates, die Mehrwertsteuer um 1 Prozentpunkt zu erhöhen, ist das Mindeste, was noch unterstützt werden kann.
Stabilisierungsregel: Travail.Suisse lehnt eine Stabilisierungsregel mit automatischen Rentenkürzungen oder automatischen Rentenaltererhöhungen ab. Der Dachverband der Arbeitnehmenden empfiehlt, dem Ständerat zu folgen. Der gesetzliche Stand des Ausgleichsfonds kann auf 70, allenfalls 80 Prozent einer Jahresausgabe festgelegt werden. Droht der Ausgleichsfonds unter diesen Wert zu fallen, soll der politische Auftrag zu einer neuerlichen Reform ausgelöst werden.
Senkung Mindestumwandlungssatz BVG und Ausgleichsmassnahmen
Die Senkung des Mindestumwandlungssatzes in der beruflichen Vorsorge muss voll kompensiert werden. Die Vermeidung von Rentenkürzungen ist für die Akzeptanz der Reform zentral. Travail.Suisse empfiehlt folgende Ausgleichsmassnahmen:
• Es ist ein AHV-Zuschlag auszurichten.
• Der Koordinationsabzug ist zu senken. Um Teilzeitarbeitende und Tieflohnbezüger besser zu versichern, ist der Koordinationsabzug proportional zum Einkommen auszugestalten (Koordinationsabzug = ein Viertel des massgebenden Lohnes). Der vorgeschlagene Koordinationsabzug nach Beschäftigungsgrad benachteiligt schlecht Verdienende.
• Eine Vorverlegung des Sparprozesses ist eine symbolische Massnahme und abzulehnen. Es bringt nichts, Lehrlingslöhne zu versichern.
• Die Altersgutschriften müssen angepasst und ab 45 Jahren konstant gehalten werden.
• Die Übergangsgeneration muss zentral finanziert werden. Dies kann über den Sicherheitsfonds BVG geschehen. Eine dezentrale Lösung ist unsolidarisch und für die betroffenen Pensionskassen nicht finanzierbar.
Institutionelle Massnahmen: Erhöhung der Legal Quote
Seit langem fordert Travail.Suisse, dass die überhöhten Gewinne und überteuerten Risikoprämien im BVG-Geschäft der Lebensversicherer begrenzt werden. Das Minimum ist der Vorschlag des Bundesrates, die Legal Quote auf 92 Prozent zu erhöhen und entschiedener gegen missbräuchlich hohe Risikoprämien vorzugehen. Die Vorschläge der SGK-N bedeuten dagegen konkret, dass alle Versicherten den Gürtel enger schnallen müssen, nur die profitorientierten Versicherer nicht. In einer allfälligen Volksabstimmung wird dieser Widerspruch bei der Bevölkerung nicht gut ankommen.
Ständerat – Prämien für die obligatorische Krankenversicherung. Höchstens 10 Prozent des Haushaltsbudgets! (16.3494): Die Krankenkassenprämien stellen heute auch für viele Familien mit mittleren Einkommen einen unverhältnismässig hohen Budgetposten dar. Die Motion verlangt, die Ausgaben für die Krankenkassenprämien auf 10 Prozent des Haushaltsbudgets zu beschränken. Travail.Suisse empfiehlt die Annahme der Motion. Bei der Einführung des KVG wurde das Ziel einer Maximalbelastung von 8 Prozent des Haushaltsbudgets gesetzt. Dies wurde bei weitem nicht erreicht. Da die Kantone die Prämienverbilligungen nicht immer zuverlässig ausschütten, ist ein nationaler Grenzwert in Ergänzung dazu gerechtfertigt.
Ständerat – Ergänzungsleistungen und Prämienverbilligungen entkoppeln (14.3366). Die Motion verlangt, dass die Prämienverbilligung von den Ergänzungsleistungen entkoppelt wird und die Kantone auch für Ergänzungsleistungs-Bezüger die Richtprämie für die Prämienverbilligung festsetzen können. Da das Anliegen in der bevorstehenden EL-Reform geprüft wird, empfiehlt Travail.Suisse die Ablehnung der Motion.
Ständerat – Kt. Iv. SG. Abschaffung der Ehestrafe bei den AHV-Renten (11.313). Die Initianten wollen das AHV-Gesetz dahingehend ändern, dass Ehepaare insbesondere bei den AHV-Altersrenten nicht benachteiligt werden. Travail.Suisse empfiehlt, den Vorstoss abzulehnen, da der Bundesrat mehrmals aufgezeigt hat, dass die Eheprivilegien in der AHV überwiegen. Zudem wird die Frage im Rahmen der Reform der Altersvorsorge aufgenommen.
Bildungspolitik
Ständerat – Förderung von Bildung, Forschung und Innovation in den Jahren 2017-2020 (16.025). Die nationalrätlichen Finanzierungsbeschlüsse in Bezug auf die BFI-Botschaft genügen nicht. Sie nehmen die bildungspolitischen Herausforderungen, vor denen Bund und Kantone, berufliche Grundbildung, Höhere Berufsbildung, Hochschulen und Weiterbildung stehen, zu wenig ernst. Travail.Suisse setzt sich daher für den Vorschlag, den die WBK-S ausgearbeitet hat, ein. Zwar genügt auch er nicht für die finanziellen Investitionsbedürfnisse des BFI-Bereichs. Aber mindestens ist mit diesem Vorschlag der WBK-S der Sparbeitrag des BFI-Bereiches im Rahmen des Stabilisierungsprogrammes 2017-2019 nicht mehr überproportional hoch.
Migrationspolitik
Nationalrat – Parlamentarische Initiative Marra. Die Schweiz muss ihre Kinder anerkennen (08.432). In der letzten Parlamentssession wurde die Parlamentarische Initiative für eine erleichterte Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern der dritten Generation auf der Grundlage einer Änderung von Artikel 38 Absatz 3 der Bundesverfassung (BV) debattiert. Travail.Suisse empfiehlt die Initiative zur Annahme. Sie sieht vor, dass künftig der Bund für die Einbürgerung ausländischer Staatsangehöriger der dritten Generation zuständig ist. Diese Gelegenheit, den bürokratischen Aufwand für gut integrierte Ausländerinnen und Ausländer zu reduzieren, sollte unbedingt genutzt werden. Diese Initiative würde es unter anderem ermöglichen, das Recht der Bürger auf eine Beteiligung am politischen und gesellschaftlichen Leben zu stärken.
Nationalrat – Parlamentarische Initiative Müller. Rückstufung eines niedergelassenen integrationsunwilligen Ausländers zum Jahresaufenthalter (08.406). Diese parlamentarische Initiative will neue Bestimmungen einführen, die es erleichtern würden, Niederlassungsbedingungen zu widerrufen. Gemäss Initiativtext würde Ausländerinnen und Ausländer mit Niederlassungsbewilligung, die «nicht bereit sind, sich in der Schweiz zu integrieren», die Bewilligung entzogen und durch eine Jahresaufenthaltsbewilligung ersetzt. Travail.Suisse kritisiert diese Bestimmung vehement, da sie den Behörden beim Entscheid über einen Widerruf zu viel Spielraum lassen und den Status von Migrantinnen und Migranten ohne explizite Gründe schwächen würde. Gemäss geltendem Ausländergesetz muss es die Integration auch «ermöglichen, am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben der Gesellschaft teilzuhaben». Eine solche parlamentarische Initiative würde die Integration von Personen, die seit vielen Jahren in der Schweiz sind, substanziell schwächen, zudem können Niederlassungsbewilligungen bereits heute widerrufen werden, falls schwerwiegende Gründe vorliegen.
Energie- und Klimapolitik
Nationalrat – Energiestrategie 2050, erstes Massnahmenpaket. Für den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie (Atomausstiegsinitiative). Volksinitiative (13.074). Die Energiestrategie 2050 befindet sich in der letzten Phase der Differenzbereinigung zwischen den beiden Räten. Travail.Suisse begrüsst es, dass sich die beiden Räte über die grundlegenden Punkte der Strategie geeinigt haben: Die Subventionen für Gebäudesanierungen werden von 300 auf 450 Millionen Franken jährlich angehoben, der Zuschlag für die kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) von 1,5 auf 2,3 Rp./kWh. Diese Massnahmen werden der Innovation Impulse verleihen und dazu beitragen, landesweit Zehntausende von Stellen zu sichern und zu schaffen, insbesondere in KMU. In einem der wichtigsten noch hängigen Punkte, der Unterstützung der Grosswasserkraft, schliesst sich die Kommission des Nationalrats der Version des Ständerats an. Travail.Suisse vertritt ganz klar den Standpunkt, dass diese Unterstützung nur vorübergehend gewährt werden sollte und erinnert daran, dass die Grossproduzenten von Wasserkraft hohe Gewinne erzielten, als es möglich war, Spitzenenergie teuer zu verkaufen. In Zukunft – wenn die Preise wieder steigen – müssen diese Unternehmen umsichtiger wirtschaften und vermeiden, dass sie erneute staatliche Hilfe benötigen, wenn sich die Marktbedingungen verschlechtern.
Ständerat – Für eine sichere und wirtschaftliche Stromversorgung (Stromeffizienz-Initiative) Volksinitiative (14.026). Die vom Nationalrat abgelehnte Initiative wurde sozusagen von der Energiestrategie 2050 überholt, die ebenfalls eine Verringerung des Stromverbrauchs vorsieht und den Vorteil hat, dass sie sich nicht auf die Elektrizität beschränkt, sondern den gesamten Energieverbrauch einbezieht. Je nachdem, welche Version der Energiestrategie 2050 verabschiedet wird, könnte die Initiative zurückgezogen werden. Zu erwähnen ist, dass die Energiestrategie 2050 kein Bonus-Malus-System mehr beinhaltet, das für die Versorger Anreize zum Stromsparen bietet. Falls gegen die Energiestrategie 2050 das Referendum ergriffen werden sollte, könnte Travail.Suisse die Stromeffizienz-Initiative unterstützen, wenn sie nicht zurückgezogen wird.
Steuer- und Finanzpolitik
Ständerat – Stabilisierungsprogramm 2017-2019 (16.045). Travail.Suisse lehnt das Stabilisierungsprogramm ab, das jährliche Einsparungen von 800 Millionen bis 1 Milliarde Franken vorsieht. Dank der sehr geringen Verschuldung kann der Bund auf dieses Programm verzichten und stattdessen mehr Mittel für Ausgaben und Investitionen bereitstellen, die wesentlich zum langfristigen Wohlstand der Schweiz beitragen, wie Forschung und Bildung, Ausbau der Infrastruktur zur Vereinbarkeit von Beruf und familiären Verpflichtungen mit Blick auf die demografische Entwicklung oder auch für die Energiewende. Die Schuldenbremse, die als Rechtfertigung für diese Sparmassnahmen dient, ist flexibler anzuwenden. Die Verschuldung soll stabilisiert werden, nicht aber kontinuierlich verringert, wie dies in den letzten Jahren der Fall war. Travail.Suisse kritisiert auch die Haltung der rechten Parlamentarier, die gewisse Einnahmenausfälle infolge der Unternehmenssteuerreform III nicht kompensieren wollen, gleichzeitig aber Sparprogramme verlangen. Travail.Suisse bedauert, dass die FK-S nicht nur das Stabilisierungsprogramm gutheisst, sondern darüber hinaus weitere Einsparungen von rund 100 Millionen Franken anstrebt.
Ständerat – Pa. Iv. Klarstellung der langjährigen Praxis beim Meldeverfahren bei der Verrechnungssteuer (13.479). Travail.Suisse empfiehlt die Ablehnung rückwirkender Erleichterungen im Zusammenhang mit dem Meldeverfahren für die Verrechnungssteuer von Grossunternehmen, das rund 70’000 Unternehmen von rund 400’000 Verrechnungssteuersubjekten nutzen. Bundesrat und Ständerat teilen diese Ansicht, der Nationalrat hingegen will die finanziellen Sanktionen für Konzerne, welche die Frist von 30 Tagen zur Meldung nicht einhalten, weiterhin verringern (diese hätten lediglich noch eine Ordnungsbusse zu entrichten und nicht wie bisher die Verrechnungssteuer, die Verzugszinsen und eine Busse). Der Entscheid des Nationalrats würde beim Bund Einnahmenausfälle von rund 600 Millionen Franken verursachen. Die WAK-S hat ein unabhängiges Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, und es ist zu hoffen, dass dieses in Richtung einer Beibehaltung der aktuellen Gesetzgebung geht.
Internationale Politik
Ständerat – Internationale Zusammenarbeit 2017-2020. Weiterführung (16.022). Der vom Bundesrat vorgeschlagene Kredit über 11,11 Milliarden Franken schaffte die Hürde im Nationalrat, obwohl die Rechte versuchte, Kürzungen durchzubringen. Allerdings wendet die Schweiz mit 0,48 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) für die öffentliche Entwicklungshilfe noch immer etwas weniger auf als die vor fünf Jahren vom Parlament beschlossenen 0,5 Prozent. Travail.Suisse lädt den Ständerat ein, trotz Stabilisierungsprogramm an den 0,5 Prozent festzuhalten. Mittelfristig setzt sich Travail.Suisse dafür ein, schrittweise das von der UNO für die internationale Gemeinschaft festgesetzte Ziel von 0,7 Prozent des BNE für die öffentliche Entwicklungshilfe zu erreichen. In die internationale Zusammenarbeit zu investieren bedeutet, in eine sicherere, stabilere und wohlhabendere Welt zu investieren, was langfristig auch der stark exportorientierten Schweiz zugutekommen wird.
Service public
Ständerat und Nationalrat – Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF). Schliessung der Finanzierungslücke und Strategisches Entwicklungsprogramm Nationalstrassen (15.023). Travail.Suisse begrüsst grundsätzliche den NAF, bedauert aber die allzu strassenfreundliche Ausgestaltung der Vorlage, nachdem die «Milchkuh-Initiative» vor dem Volk klar scheiterte. Der Nationalrat hat sich nämlich dem Ständerat angeschlossen und den Anteil für den Strassenverkehr von 50 auf 60 Prozent angehoben. Der Mineralölsteuerzuschlag wird lediglich um 4 Rappen pro Liter erhöht, während der Entwurf des Bundesrats 15 Rappen vorsah. Die Treibstoffsteuern sind seit Jahrzehnten nicht mehr der Teuerung angepasst worden. Beispielsweise ist der Mineralölsteuerzuschlag seit 1974 unverändert geblieben. Aufgrund der Teuerung sind die 30 Rappen heute nur noch halb so viel wert wie 1974. Immerhin war es möglich, alle Verkehrsmittel in den NAF einzubeziehen, während die SVP mit dem Fonds ausschliesslich den Strassenverkehr finanzieren wollte.
Ständerat – Finanzierung der schweizerischen Bahninfrastruktur für die Jahre 2017-2020 (16.040). Nach Rücksprache mit dem Mitgliedsverband Transfair hatte Travail.Suisse den Vorschlag des Bundesrats zur Finanzierung der Bahninfrastruktur klar unterstützt. Gegenüber der Vorperiode wurde der Zahlungsrahmen um 2378 Millionen Franken und damit beträchtlich aufgestockt, was angesichts des wachsenden Bedarfs im Zusammenhang mit einer nachhaltigeren Mobilität aber notwendig ist. Erfreulich ist auch, dass sich dies dank der Finanzierung durch den neuen Bahninfrastrukturfonds (BIF) nicht negativ auf die Bundesfinanzen auswirken wird. Das Projekt scheint auf gutem Weg, da die UREK-S ihrem Rat vorschlägt, die Vorlage des Bundesrates unverändert zu verabschieden.
Nationalrat – Motion Noser. Der Bund soll nicht mehr Mehrheitseigner der Swisscom sein müssen (16.3228). Travail.Suisse lehnt diesen Vorschlag klar ab, da er zur Privatisierung der Swisscom führen würde. Wir sehen kein wesentliches Problem darin, dass der Bund im Telekommunikationsmarkt gleichzeitig als Eigentümer und Regulierer auftritt. Diese beiden Rollen müssen einfach genau geklärt und festgelegt werden. Zweifelhaft ist auch, ob eine Privatisierung in einem sehr dynamischen Marktumfeld die Reaktionsfähigkeit der Swisscom erhöhen würde. Aufgrund des sehr grossen unternehmerischen Spielraums der Swisscom ist diese Reaktionsfähigkeit bereits heute gewährleistet.Wird der Bund hingegen Minderheitsaktionär der Swisscom, schwächt dies den Service public, da Renditeüberlegungen überwiegen werden.Die Swisscom könnten dann von einem ausländischen Betreiber aufgekauft werden, was die Innovation und den Erhalt der Arbeitsplätze in der Schweiz gefährden würde.Die Privatisierung der Swisscom wäre auch ein harter Schlag für den Service public im Allgemeinen, da das Unternehmen mit seinem Grundangebot zum landesweit einheitlichen Preis einen wichtigen Beitrag zum nationalen Zusammenhalt leistet.Schliesslich ist bei einer Mehrheitsbeteiligung des Bundes die Gefahr riskanter Auslandengagements geringer.
Ständerat – Po. Hêche. Für eine verstärkte Teilnahme der bundesnahen Unternehmen an der Entwicklung der Berggebiete und ländlichen Räume (16.3460). Angesichts der grossen Bedeutung der Bundesbetriebe für den Service public insbesondere in den Randregionen befürwortet Travail.Suisse dieses Postulat. Es sieht vor, die strategischen Ziele für diese Unternehmen durch Bestimmungen zur Entwicklung der Berggebiete und ländlichen Räumen zu ergänzen. Es ist schade, dass der Bundesrat das Postulat mit dem Argument zur Ablehnung empfiehlt, dass bereits mehrere andere regionalpolitische Instrumente vorhanden seien. Mit dem Postulat würde die Rolle der in der Grundversorgung tätigen Bundesbetriebe regional zu einem Zeitpunkt gestärkt, in dem mit anderen politischen Interventionen versucht wird, den öffentlichen Auftrag von Unternehmen des Bundes zu schwächen.
Nationalrat – Iv.Kt.GE. Transparenz bei den Verhandlungen für ein Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (15.325). Die APK-S hat die Initiative mit der Begründung abgelehnt, sie sei inhaltlich teilweise ungenau. Der Initiative kommt aber sicher das Verdienst zu, die (trotz gegenteiliger Bemühungen der Schweiz) mangelnde Transparenz der Verhandlungen zu thematisieren, ebenso wie die Gefahr, dass durch dieses Dienstleistungsabkommen der Service public, die Demokratie und die notwendige Regulierung durch die öffentliche Hand unter Druck geraten. Travail.Suisse verfolgt die Entwicklung dieser Verhandlungen aufmerksam und hat auf ihrer Website eine Stellungnahme zu diesem Abkommen veröffentlicht, die je nach Verlauf der Verhandlungen aktualisiert wird.