In der kommenden Session wird das Parlament wiederum viele Geschäfte beraten, die für die Arbeitnehmenden von zentraler Bedeutung sind. Die Haltung von Travail.Suisse, dem unabhängigen Dachverband der Arbeitnehmenden, zu ausgewählten Geschäften ist im Folgenden kurz zusammengefasst.
Wirtschaftspolitik und Arbeitsmarktpolitik
Nationalrat – Pa. Iv. Aebischer. Die Nationalbank ist auch für einen hohen Beschäftigungsgrad verantwortlich (15.414). Diese parlamentarische Initiative verlangt, dass die Aufgaben der Nationalbank im Bundesgesetz über die Schweizerische Nationalbank ergänzt werden. Neu soll in Art. 5, Abs. 1 neben der Preisstabilität explizit auch ein hoher Beschäftigungsgrad vorgegeben sein. Der Entscheid der Nationalbank zur Aufhebung des Euro-Mindestkurses belastet den Schweizer Arbeitsmarkt nachhaltig negativ. Die Erwerbslosenquote ist innerhalb des letzten Jahres beträchtlich gestiegen, während in der Eurozone eine Abnahme der Erwerbslosenzahlen zu beobachten ist. Der überbewertete Franken ist mindestens teilweise mitverantwortlich für die negative Entwicklung am Arbeitsmarkt. Eine explizite Nennung eines hohen Beschäftigungsgrades als Aufgabe der SNB scheint daher sinnvoll. Travail.Suisse empfiehlt Annahme dieser parlamentarischen Initiative.
Nationalrat – Pa. Iv. Heim. Das Potenzial älterer Arbeitskräfte klug nutzen und klug stärken (15.489). Diese parlamentarische Initiative verlangt gesetzliche Grundlagen, um mit Anreizen und weiteren konkreten Massnahmen die Chancen älterer Arbeitskräfte für den Verbleib im Erwerbsleben zu stärken und auch um die Perspektiven für die Reintegration in den Arbeitsmarkt zu verbessern. In den letzten Jahren hat die Zahl der älteren Arbeitnehmenden sowohl bei der Arbeitslosenkasse als auch in der Sozialhilfe überproportional zugenommen. Gleichzeitig zeigt sich bei den älteren arbeitslosen Arbeitnehmenden eine überdurchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit. Die demografische Entwicklung lässt den Anteil älterer Arbeitnehmender auf dem Arbeitsmarkt weiter steigen. Verstärkte Weiterbildungsanstrengungen und eine Standortbestimmung in der Mitte des Berufslebens müssen zum Standard werden, um die Arbeitsmarktfähigkeit der älteren Arbeitnehmenden zu erhalten und das Potenzial optimal zu nutzen. Dazu können Sensibilisierungsmassnahmen durch die Sozialpartner, wie sie im Rahmen der Konferenz ältere Arbeitnehmende beschlossen wurden, ebenso beitragen wie Anreize und konkrete Massnahmen durch die Politik. Travail.Suisse empfiehlt daher diese parlamentarische Initiative zur Annahme.
Nationalrat – Motion Abate. Grenzüberschreitende Dienstleistungen. Meldepflicht für Fotografinnen und Fotografen ab dem ersten Tag (15.3919). Die Motion verlangt eine Änderung der Verordnung der in die Schweiz entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, so dass zukünftig Fotografinnen und Fotografen bereits ab dem ersten Arbeitstag gemeldet sein müssen. In der Entsendeverordnung ist der Grundsatz geregelt, dass entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erst ab Arbeiten, die länger als acht Arbeitstage dauern, gemeldet werden müssen. Da ohne Meldung auch keine Kontrollen der orts- und branchenüblichen Löhne gemacht werden können, ist für einige sensible Branchen eine Meldepflicht bereits ab dem ersten Tag vorgesehen. Als bisher letzte Branche wurde der Landschafts- und Gartenbau auf den 1.11.2014 der Meldepflicht ab dem ersten Tag unterstellt. Fotografinnen und Fotografen arbeiten oftmals nicht im öffentlichen Raum, sondern auf privatem Grund (z.B. Hochzeitsfotografen) und sind zudem häufig mit Kurzaufträgen konfrontiert, was ohne einer Meldung ab dem ersten Tag die Kontrolle verunmöglicht. Travail.Suisse empfiehlt deshalb Annahme dieser Motion. Im Zusammenhang mit der Umsetzung von Art. 121a der BV ist aber dringend eine weitere Anpassung der flankierenden Massnahmen notwendig, um den Schutz der Löhne und Arbeitsbedingungen aller Arbeitnehmenden in der Schweiz sicherzustellen und die Zustimmung der Bevölkerung zu den bilateralen Verträgen mit der EU zu erhalten.
Ständerat – Bundesgesetz über die Arbeit in Unternehmen des öffentlichen Verkehrs (AZG). Teilrevision (15.037). Das Arbeitszeitgesetz (AZG) enthält Vorschriften über Arbeits- und Ruhezeit, Gesundheitsvorsorge und Unfallverhütung und ist ein zentraler Pfeiler für den Schutz der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmenden im öffentlichen Verkehr. In dieser wenig bestrittenen Teilrevision soll es den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen angepasst werden. Travail.Suisse empfiehlt die Teilrevision des Bundesgesetzes über die Arbeit in Unternehmen des öffentlichen Verkehrs zur Annahme.
Ständerat – Freizügigkeitsabkommen. Ausdehnung auf Kroatien (16.028). Mit der Genehmigung des Verhandlungsergebnisses zur Ausdehnung des Freizügigkeitsabkommens auf Kroatien durch das Parlament soll die Voraussetzung geschaffen werden, dass es bei einer einvernehmlichen Lösung mit der EU zur Umsetzung von Art. 121a, auch ratifiziert werden kann. Eine Ausdehnung des Freizügigkeitsabkommens auf Kroatien ist Voraussetzung dafür, dass eine Vollassoziierung der Schweiz am europäischen Forschungsprogramm Horizon 2020 möglich ist. Die Schweiz ist ein Topstandort der internationalen Forschung, was nicht unwesentlich zu unserem Wohlstand und zur Schaffung von Arbeitsplätzen beiträgt. Dabei ist die Forschung auf Sicherheit und Konstanz ebenso angewiesen wie auf internationalen Austausch. Ein Ausschluss aus Horizon 2020 wäre für den Forschungsplatz Schweiz daher ein harter Schlag. Travail.Suisse empfiehlt, die Ausdehnung des Freizügigkeitsabkommens auf Kroatien zu genehmigen.
Ständerat – Bundesgesetz über die Ladenöffnungszeiten (14.095). Mit dem Bundesgesetz über die Ladenöffnungszeiten sollen die Ladenöffnungszeiten in der Schweiz auf Bundesebene geregelt werden. Das Gesetz sieht Mindestöffnungszeiten unter der Woche von 6-20 Uhr vor und am Samstag von 6-19 Uhr. Damit müssten die bisher kantonal festgelegten Ladenöffnungszeiten in 17 Kantonen verlängert werden. Das Gesetz dient der Umsetzung der Motion Lombardi, welche sich als Massnahme gegen den Einkaufstourismus verstanden wissen will. Sämtliche existierenden Untersuchungen zeigen, dass das hohe Preisniveau in der Schweiz die Hauptursache für den Einkaufstourismus ist und nicht Unterschiede in den Ladenöffnungszeiten. Verlängerte Ladenöffnungszeiten stellen für die rund 320‘000 Beschäftigten im Detailhandel eine grosse Belastung dar und führen zu einer Zunahme von überlangen Arbeitstagen, zerstückelten Diensten und Schwierigkeiten bei der Vereinbarung von Beruf und Familie. Allein in den letzten sechs Jahren gab es neun kantonale Abstimmungen zur Frage der Verlängerung der Ladenöffnungszeiten. Dabei wurde die Verlängerung in acht Fällen von der kantonalen Stimmbevölkerung abgelehnt.
Travail.Suisse lehnt ein Gesetz, welches die Probleme des Einkaufstourismus nicht lösen kann, demokratisch legitimierte Entscheide in den Kantonen umstürzt und die Arbeitsbedingungen eines Grossteils der Beschäftigten im Detailhandel verschlechtert, ab und empfiehlt das Bundesgesetz über die Ladenöffnungszeiten zur Ablehnung.
Sozialpolitik
Nationalrat – 14.426 Pa.Iv. Fraktion V. Voraussetzung für IV-Rentenbezug für Ausländer (14.426), Pa.Iv. Fraktion V. Karenzfrist für Ergänzungsleistungen (14.427), Pa.Iv. Fraktion V. Voraussetzung für den AHV-Rentenbezug erhöhen (SGK) (14.427). Die drei Initiativen wollen die Hürden für den Zugang ausländischer Staatsangehöriger zur Invalidenversicherung, zu den Ergänzungsleistungen und zur AHV erhöhen. Travail.Suisse empfiehlt – wie die Sozialkommissionen des National- und Ständerats – die Vorstösse abzulehnen. Strengere Eintrittsschwellen für ausländische Staatsangehörige sind mit den geltenden Abkommen mit der EU und der EFTA nicht vereinbar. Die Grundsätze der Gleichbehandlung von Personen aus der EU/EFTA und aus der Schweiz würden verletzt. Wegen den bestehenden Abkommen werden Versicherungszeiten im Ausland als Voraussetzung für den Rentenbezug in jedem Fall einbezogen. Die drei parlamentarischen Initiativen sind auch deswegen wirkungslos. So müssten bezüglich der Voraussetzungen für einen AHV-Rentenbezug (14.429) z.B. weiterhin ausländische Versicherungszeiten angerechnet werden. Damit wären nur ganz wenige Personen betroffen. Die AHV-Rente berechnet sich ohnehin für alle Personen mit einem Anrecht auf Rente nach den Beitragsjahren in der Schweiz. Ein Jahr Beitragszeit ergibt gerade mal eine monatliche Altersrente zwischen 27 und 53 Franken. Der Vorstoss bringt nichts und ist mit einer starken Erhöhung des bürokratischen Aufwands verbunden.
Nationalrat – Pa.Iv. Ruiz. Erhöhung der Familienzulagen (15.405). Der Vorstoss schlägt vor, die Mindestansätze für Kinder- und Ausbildungszulagen pro Kind um je 50 Franken zu erhöhen. Heute betragen die Mindestansätze 200 Franken für Kinderzulagen und 250 Franken für Ausbildungszulagen. Travail.Suisse empfiehlt, die parlamentarische Initiative anzunehmen. Familienzulagen haben sich als zielgerichtetes Instrument bewährt. Allerdings werden die heutigen Mindestansätze den tatsächlichen Kinderkosten in keiner Art und Weise gerecht. Die neuesten Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen, dass die direkten Kinderkosten seit dem Beschluss über die gesamtschweizerische Mindesthöhe der Familienzulagen von 2006 deutlich angestiegen sind: Für den Zeitraum von 2000-2005 betrugen sie bei einem Paar mit einem Kind 819 Franken. Für den Zeitraum 2009 bis 2011 stiegen sie bereits auf 942 Franken (plus 123 Franken). Bei einem Paar mit 2 Kindern betrugen die direkten Kinderkosten 2000 bis 2005 1310 Franken. Im Zeitraum 2009 bis 2011 sind sie auf 1507 Franken gestiegen (plus 197 Franken). Es erstaunt deshalb nicht, dass rund die Hälfte der Kantone bereits heute Leistungen über dem gesamtschweizerischen Minimum festlegen. Es ist angebracht, die Mindestansätze für Familienzulagen moderat zu erhöhen und gleichzeitig die unterschiedlichen kantonalen Praktiken zu harmonisieren.
Nationalrat – Pa.Iv. Gilli. Reform der Prämienverbilligung (15.417). Die parlamentarische Initiative verlangt, dass die einzelnen Kantonsbeiträge an die individuelle Prämienverbilligung (IPV) bei den Krankenkassenprämien mindestens dem Bundesbeitrag für den einzelnen Kanton entsprechen. Travail.Suisse empfiehlt den Vorstoss zur Annahme. Heute verteilen einige Kantone den Beitrag, den sie vom Bund für die IPV erhalten, nicht vollständig an die Bevölkerung weiter. So ist der Kantonsanteil an der Prämienverbilligung in den letzten Jahren von 50 Prozent auf 44 Prozent gesunken. Einzelne Kantone stehlen sich aus der Verantwortung, wenn der Bund seinen Beitrag im Gleichschritt mit der Kostenentwicklung erhöht, die Kantone aber nicht mitziehen müssen. Wird diese Entwicklung nicht unterbunden, ist die Wirksamkeit der IPV als soziales Korrektiv zu den Kopfprämien nicht mehr gegeben.
Ständerat – Motion Hegglin. Einführung eines AHV-Referenz-Alters und dessen Anbindung an die durchschnittliche Lebenserwartung (16.3225). Die Motion verlangt einen Automatismus, welcher das AHV-Rentenalter an die durchschnittliche Lebenserwartung binden soll. Es werden im Vorstoss Vorschläge gemacht, welche das Rentenalter um vier und mehr Jahre erhöhen würden. Travail.Suisse stellt sich entschieden gegen einen solchen Automatismus. Sämtliche Versuche, die Definition des Rentenalters der Politik und damit auch der Stimmbevölkerung zu entziehen, sind bisher zu Recht gescheitert. Die Frage des Rentenalters ist eine höchst politische und soll durch die politische Auseinandersetzung und die Bedürfnisse der Bevölkerung geprägt werden. Die Koppelung des Rentenalters rein an die Lebenserwartung lässt zudem die Situation auf dem Arbeitsmarkt komplett ausser Acht. Heute haben ältere Arbeitnehmende bereits ab 55 Jahren Mühe, sich auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten. Mit einer massiven Erhöhung des Rentenalters werden diese Probleme stark verschärft. Es ist zudem legitim, einen Teil der Produktivitätsgewinne der letzten Jahrzehnte für eine längere Rentenverweildauer einzusetzen. Es ist nun am Parlament, im Rahmen der Altersreform 2020 einen für alle Seiten tragbaren Kompromiss zu schmieden. Der Ständerat kann sich dort wieder einbringen. Der Weg über Einzelvorstösse hingegen trägt dazu bei, das System der Altersvorsorge an die Wand zu fahren.
Gleichstellungspolitik
National- und Ständerat – Legislaturplanung 2015–2019. Im April 2016 hat der Nationalrat die laufende Revision des Gesetzes über die Gleichstellung von Frau und Mann aus der Legislaturplanung gestrichen. Diese Revision war notwendig geworden, weil wiederholt festgestellt wurde, dass die Lohndiskriminierung, unter der hauptsächlich die Frauen leiden, unverändert andauert – und das zwanzig Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes und trotz des Projektes «Lohngleichheitsdialog» zwischen den Sozialpartnern, das den Unternehmen vorschlug, auf freiwilliger Basis eine Überprüfung der Löhne durchzuführen.
Den Vorschlag des Bundesrates, der sich bis März 2016 in der Vernehmlassung befand, hält Travail.Suisse für ungenügend. Trotzdem ist die in diesem Vorschlag enthaltene Verpflichtung zu erwähnen, dass Unternehmen mit über 50 Angestellten (d. h. nur 2 Prozent aller Unternehmen in der Schweiz) dieses Phänomen beleuchten müssen. Für die Durchführung der Analyse gewährt der Text des Bundesrates aber den Unternehmen zu viele Möglichkeiten. Die bereits in Angriff genommene Gesetzesrevision ist weiterzuverfolgen. Aus diesem Grund findet Travail.Suisse es unabdingbar, dass dieses Thema in der Legislaturplanung enthalten bleibt, und ermuntert die kleine Kammer, diese unglückliche Entscheidung des Nationalrates rückgängig zu machen.
Nationalrat – Motion WBK-NR. Honorierung von Unternehmen, die eine Familienpolitik unterstützen (15.4083). Diese von der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur eingereichte Motion verfolgt zweifellos eine gute Absicht. Die Unternehmen sollen ein offizielles Label erhalten können, falls sie sich besonders bemühen, die Vereinbarung von Beruf und Privatleben ihrer Angestellten zu fördern.
Travail.Suisse ist der Meinung, dass Unternehmen Labels auch nutzen, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Es handelt sich um ein privates Hilfsmittel, das mit öffentlichen Geldern nicht direkt finanziert werden kann. Falls aber die Entwicklung eines Labels einem politischen Ziel von allgemeinem Interesse dient, hat der Bund die Möglichkeit, dieses zu fördern. Dies passiert im Bereich der Vereinbarkeit bereits über die Finanzierung von Projekten wie dem Prädikat «Familie UND Beruf» der Fachstelle UND sowie beim Family Score Award von Pro Familia Schweiz und in Sachen Lohngleichheit mit dem Label «Equal Salary». Wenn man handeln will, müsste auf dieser Ebene das Budget aufgestockt werden. Aus diesem Grund schliesst sich Travail.Suisse dem Bundesrat an und empfiehlt die Ablehnung dieser Motion.
Ständerat – 10.3934 Motion Simoneschi-Cortesi. Lohngleichheit von Frauen und Männern. Kontrollmechanismus (10.3934). Die 2010 von der damaligen transfair-Präsidentin eingereichte Motion verlangt etwas ganz Einfaches: Der Bundesrat muss im Gleichstellungsgesetz einen Mechanismus zur Kontrolle der Löhne und zur Feststellung von Ungleichbehandlungen und Diskriminierungen einführen nach dem Modell der Kontrollmechanismen, die in anderen Gesetzen im Bereich der Arbeit bestehen (Arbeitsgesetz, Bundesgesetz gegen die Schwarzarbeit, Bundesgesetz über die in die Schweiz entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer usw.). Der Text wurde vom Nationalrat 2012 verabschiedet. Wegen des laufenden Projekts «Lohngleichheitsdialog» der Sozialpartner hat der Ständerat seine Prüfung 2013 ausgesetzt. Diese Aussetzung wurde von der grossen Kammer bestätigt. Da eine Lohnanalyse durch die Unternehmen auf freiwilliger Basis gescheitert ist, steht nun die Motion wieder auf der Tagesordnung.
Für Travail.Suisse ist klar, dass eine Revision des Gleichstellungsgesetzes unerlässlich ist, um es wirklich effizient und wirksam zu machen. Der Entwurf des Bundesrates ist zwar ungenügend, da er keine Sanktion vorsieht, doch immerhin verpflichtet er Unternehmen mit über 50 Angestellten (d. h. nur 2 Prozent aller Unternehmen in der Schweiz), die Augen zu öffnen und sich bewusst zu machen, dass es Lohnungleichheiten gibt. Eine Analyse der Auswirkungen der neuen Gesetzgebung hat gezeigt, dass die Hälfte der Unternehmen, die ihre Löhne gemäss der vorgeschlagenen Methode überprüft haben, in der Folge Korrekturmassnahmen eingeleitet haben, obwohl sie dazu nicht verpflichtet gewesen wären.
Bildungspolitik
Nationalrat – Förderung von Bildung, Forschung und Innovation in den Jahren 2017-2020 (16.025). Im Rahmen der Bildungspolitik wurde in den letzten Jahren an zwei zentralen Themen gearbeitet. Einerseits an der Stärkung der Höheren Berufsbildung. Studierende in Vorbereitungskursen zu Berufsprüfungen und Höheren Fachprüfungen sollen finanziell ähnlich behandelt werden wie Studierende an Hochschulen. Die BFI-Botschaft 2017-2020 hat dieses Versprechen einzulösen. Travail.Suisse unterstützt daher die Anträge, die helfen, die Stärkung der Höheren Berufsbildung zu ermöglichen, ohne zugleich die berufliche Grundbildung zu schwächen. Andererseits unterstützt Travail.Suisse auch die leichte finanzielle Erhöhung bei der Weiterbildung. Das Inkrafttreten des Weiterbildungsgesetzes auf den 01.01.2017 darf nicht zu einer finanziellen Schwächung der Weiterbildung führen, wie das der bundesrätliche Vorschlag vorsieht.
Energie- und Klimapolitik
Ständerat – Energiestrategie 2050, erstes Massnahmenpaket. Für den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie (Atomausstiegsinitiative). Volksinitiative (13.074). Die Energiestrategie 2050 befindet sich in der letzten Phase der Differenzbereinigung zwischen den beiden Räten. Travail.Suisse begrüsst die Tatsache, dass sich die beiden Kammern in Bezug auf die grundlegenden Punkte geeinigt haben: So werden die Subventionen für Gebäudesanierungen von 300 Millionen auf 450 Millionen Franken pro Jahr sowie der Zuschlag für die kostendeckende Einspeisevergütung von 1,5 auf 2,3 Rp./kWh erhöht. Mit diesen Massnahmen können die Innovation gefördert und Zehntausende Stellen landesweit gesichert oder geschaffen werden, insbesondere in KMU. Im Rahmen der Differenzbereinigung konnte sich die die Fassung des Nationalrates, die anfangs ehrgeiziger war, nicht gegen die Vorschläge des Ständerates durchsetzen. So verzichtet die Kommission des Nationalrates darauf, das langfristige Betriebskonzept für die Kernkraftwerke beizubehalten und die Betriebsdauer derselben nicht mehr zu beschränken. Verschwunden ist auch die Verpflichtung, dass die Netzbetreiber Massnahmen ergreifen müssen, um Strom zu sparen. Die Subventionen für erneuerbare Energien wurden ebenso rasch unter den Tisch gekehrt. Trotz allem bleibt das Herzstück der Energiestrategie 2050 erhalten – beim Rechtsrutsch des Parlaments hätte man befürchten können, dass auch dieses in Frage gestellt worden wäre.
Ständerat – Für eine sichere und wirtschaftliche Stromversorgung (Stromeffizienz-Initiative). Volksinitiative (14.026). Diese grundsätzlich lobenswerte Initiative ist mit der Energiestrategie 2050 obsolet geworden, denn letztere enthält strengere Ziele hinsichtlich der Senkung des Stromverbrauchs. Ein weiterer Schwachpunkt der Initiative ist, dass sie sich ausschliesslich auf den Strom beschränkt, während die Energiestrategie 2050 den gesamten Energieverbrauch abdeckt. Je nachdem wie sich die Endfassung der Energiestrategie 2050 präsentiert, könnte die Initiative zurückgezogen oder aber unterstützt werden. Es sei in dieser Hinsicht daran erinnert, dass die Energiestrategie 2050 kein Bonus-Malus-System umfasst, das zum Stromsparen anregt.
Migrationspolitik
Ständerat – Motion Munz. Ausbildung für Flüchtlinge zur nachhaltigen Arbeitsmarktintegration (15.3653). Diese Motion verlangt, dass anerkannte und vorläufig aufgenommene Flüchtlinge über den Weg einer anerkannten Ausbildung nachhaltig in den Arbeitsmarkt integriert werden. Dazu sind Ausbildungsgänge in Grundkompetenzen sowie Fachbereichen anzubieten. Travail.Suisse empfiehlt Annahme dieser Motion. Alle Massnahmen, die eine Förderung des Pilotprogramms des Bundesrates ermöglichen, um die Integration von anerkannten und vorläufig aufgenommenen Flüchtlingen zu verbessern, sind zu ergreifen. Die langfristige Integration dieser Personengruppe stellt eine wichtige Herausforderung für die nächsten Jahre dar.
Ständerat – parlamentarische Initiative Marra. Die Schweiz muss ihre Kinder anerkennen (08.432). Diese parlamentarische Initiative will die erleichterte Einbürgerung von Ausländern der dritten Generation erreichen und wurde sowohl vom Nationalrat als auch vom Ständerat genehmigt. Die Staatspolitische Kommission des Ständerates spricht sich für eine Änderung von Art. 38 Abs. 3 der Bundesverfassung (BV) aus, die vom Nationalrat vorgeschlagen wurde. Bei einer Verabschiedung der Änderung von Art. 38 Abs. 3 BV wäre neu der Bund für die Einbürgerung der Ausländer der dritten Generation zuständig. Die momentan kantonal unterschiedlich geregelte Praxis würde schweizweit vereinheitlicht. Travail.Suisse empfiehlt die Umsetzung der parlamentarischen Initiative zur Annahme, denn sie würde die Einbürgerung für die betroffenen Personen beschleunigen und vereinfachen.
Finanz- und Steuerpolitik
National- und Ständerat – Staatsrechnung 2015 (16.003). Travail.Suisse empfiehlt, die Staatsrechnung 2015 anzunehmen, stellt jedoch fest, dass die Rechnung mit einem Gewinn von 2,3 Milliarden Franken einmal mehr besser ausgefallen ist als vorgesehen: Es wurde ursprünglich mit einem Überschuss von 411 Millionen Franken gerechnet. Dieses Ergebnis ist beim Sparprogramm 2017–2019 zu berücksichtigen, das mindestens entsprechend reduziert werden muss. Travail.Suisse hat dieses Sparprogramm in der Vernehmlassung aufgrund der schwachen Verschuldung des Bundes übrigens verworfen. Die Verschuldung konnte im letzten Jahrzehnt sogar noch erheblich verringert werden.
National- und Ständerat – Budget 2016. Nachtrag I (16.007). Travail.Suisse empfiehlt die Annahme des Nachtrags. Er ist im Grossen und Ganzen gerechtfertigt durch die steigenden Kosten im Asylbereich, die auf die zunehmende Anzahl Asylanträge während der Flüchtlingskrise zurückzuführen sind.
National- und Ständerat – Unternehmenssteuerreformgesetz III (15.049). Travail.Suisse setzt sich zwar für die Abschaffung besonderer Steuerstatus ein, lehnt die Reform aber ab. Denn mangels einer Gegenfinanzierung durch die Wirtschaft wird diese Reform bei Bund und Kantonen zu Verlusten in Milliardenhöhe führen. Die Reform hat bereits in verschiedenen Kantonen Projekte zur Senkung der Unternehmensbesteuerung ausgelöst, und ein ruinöser Steuerwettbewerb macht sich breit. Die vom Nationalrat verabschiedete Version ist noch schlechter als diejenige des Ständerates, denn sie bewirkt zusätzliche Verluste in Höhe von rund 200 Millionen Franken für den Bund, womit die finanzielle Einbusse von 1,4 auf 1,5 Milliarden Franken steigt. Die Verluste sind für die Kantone mit der Übernahme der zinsbereinigten Gewinnsteuer auf Eigenkapital ebenso umfangreich. Der Nationalrat hat ebenfalls gemauschelt, indem er vorschlug, die Emissionsabgabe auf Eigenkapital in einem separaten Entwurf zu beseitigen, was bei den Bundesfinanzen zu einem weiteren Einschnitt von mehreren Hundert Millionen Franken führen würde. Da die Kommission des Nationalrates den Rückkommensantrag der Kommission des Ständerates nicht genehmigt hat, schlägt letztgenannte Kommission vor, die relative Abweichung bei der zinsbereinigten Gewinnsteuer beizubehalten. Doch dies hat keine wesentlichen Auswirkungen auf die Reichweite der absehbaren Verluste. Das Referendum unter der Federführung der SP wurde bereits angekündigt und wird Anfang Juli lanciert, falls die Reform während dieser Session beschlossen werden sollte. Der Vorstand von Travail.Suisse hat sich entschieden, das Referendum zu unterstützen.
Ständerat – Motion Bischof. Beseitigung der Heiratsstrafe (16.3044). Travail.Suisse empfiehlt diese Motion zur Ablehnung, denn sie schliesst die Individualbesteuerung zum Vornherein aus und sieht nur vor, die Diskriminierung im Rahmen der gemeinschaftlichen Besteuerung zu beseitigen (Splitting oder Teilsplitting). Doch Travail.Suisse möchte, dass auch die Individualsteuerung genauer geprüft wird. Es geht dabei nicht nur darum, Ungleichbehandlungen bei verheirateten und Konkubinatspaaren zu eliminieren – die durch verschiedene Splittingmodelle übrigens bereits weitgehend beseitigt wurden. Diese Art der Besteuerung wirkt sich auch am vorteilhaftesten auf den Beschäftigungsgrad der Frauen aus.
National- und Ständerat – Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF). Schliessung der Finanzierungslücke und Strategisches Entwicklungsprogramm Nationalstrassen (15.023). Grundsätzlich spricht sich Travail.Suisse für den NAF aus, stellt sich jedoch gegen den Entwurf des Ständerats, der bis zu 700 Millionen Franken aus der Bundeskasse für die Finanzierung einsetzen will, obwohl schon ein Sparprogramm vorgesehen ist. Es wäre gerechter, das Finanzierungsdefizit mit einer höheren Besteuerung des Benzins auszugleichen. Der Mineralölsteuerzuschlag auf Treibstoffen müsste folglich um mindestens 6 Rappen pro Liter angehoben werden, was der Bundesrat im Übrigen schon vorgeschlagen hatte. Es sei daran erinnert, dass die Treibstoffzuschläge seit Jahrzehnten nicht mehr an die Teuerung angeglichen wurden. Und so ist der Mineralölsteuerzuschlag seit 1974 gleich hoch. Wird die Teuerung einbezogen, sind die 30 Rappen heute im Vergleich zu 1974 nur noch die Hälfte wert.
Service public
Nationalrat – Motion Noser. Der Bund soll nicht mehr Mehrheitseigner der Swisscom sein müssen (16.3228). Travail.Suisse weist diese Motion, die zur Privatisierung von Swisscom führen würde, klar zurück. Die Nachteile würden in diesem Fall eindeutig überwiegen. Wir sehen ausserdem keine grösseren Probleme darin, dass der Bund gleichzeitig Eigner von Swisscom und Regulator des Telekommunikationsmarktes ist. Die Rollen müssen einfach ganz eindeutig präzisiert und geklärt werden. Es ist auch zweifelhaft, ob eine Privatisierung Swisscom in einem sehr dynamischen Marktumfeld eine bessere Entwicklungsmöglichkeit verleihen würde. Tatsächlich gewährleistet der sehr grosse unternehmerische Handlungsspielraum von Swisscom dem Unternehmen die erforderliche Reaktionsfähigkeit. Falls der Bund Minderheitsaktionär von Swisscom würde, wird dies zu einer Schwächung der Rolle des Service public führen und die Rentabilitätsinteressen würden die Überhand gewinnen. Dann könnte Swisscom von einem ausländischen Anbieter übernommen werden, was die Innovation und den Erhalt der Stellen in der Schweiz gefährden könnte. Die Privatisierung von Swisscom würde den Service public ganz allgemein schwächen. Dieser dient als Grundpfeiler des nationalen Zusammenhalts mit einer landesweiten Grundversorgung zu einheitlichen Preisen. Schliesslich verringert die Mehrheitsbeteiligung des Bundes das Risiko, dass waghalsige Verpflichtungen im Ausland im schlimmsten Fall zum Konkurs führen.
Nationalrat – Motion Bulliard. Gegen die Aufhebung der indirekten Presseförderung ohne glaubwürdige Alternative (13.3048). Diese von National- und Ständerat mit einer Änderung angenommene Motion befindet sich in der Differenzbereinigung. Was letztlich entscheidend ist, ist, dass die indirekte Presseförderung beibehalten wird. Travail.Suisse kann daher sowohl die vom Nationalrat unverändert angenommene Motion als auch die vom Ständerat angepasste Version unterstützen.
International
Ständerat – Motion Minder. Entwicklungszusammenarbeit. Schwerpunkte verstärkt auf Staaten mit hoher Emigration in die Schweiz ausrichten (16.3036). Travail.Suisse setzt sich für die Ablehnung dieser Motion ein. Tatsächlich wäre es gefährlich, das Gesetz über die internationale Entwicklungszusammenarbeit gemäss der Motion anzupassen, denn dies könnte die Länder, die diese Hilfe am meisten benötigen, stark benachteiligen. Im Übrigen würde die Absicht, die Länder mit hoher Emigration in die Schweiz zu begünstigen, de facto bedeuten, dass Länder mit diktatorischem Regime (wie Eritrea) oder im Krieg (Syrien, Afghanistan), in denen die Voraussetzungen für eine wirksame Entwicklungszusammenarbeit schlicht nicht gegeben sind, vorgezogen würden. Leider zeigt die Realität, dass sich die Kriterien für die Entwicklungshilfe (für die begünstigten Länder) und diejenigen für die Abschwächung nicht erwünschter Flüchtlingsströme (für das Land, das Hilfe anbietet) meist nicht decken.